Leben im Lied

Zu Gast: Christa Ludwig |
Selten hat Gustav Mahler zarter, intimer und kammermusikalischer komponiert als in seinen zehn Liedern nach Gedichten von Friedrich Rückert. Und selten ist eine Sängerin so sehr mit einem Werk zusammengewachsen wie Christa Ludwig mit diesen Liedern. In den "Interpretationen" spricht die heute 81 Jahre alte Mezzosopranistin über ihre Erfahrungen mit Mahlers Musik.
"Ich leb’ allein in meinem Himmel / In meinem Lieben, in meinem Lied" heißt es in Rückerts Gedicht "Ich bin der Welt abhanden gekommen", und Gustav Mahler hat 1901 dazu die ent-rückteste Musik geschrieben, die sich nur denken lässt. Aber was heißt das eigentlich? Ist das Der-Welt-Abhanden-Gekommen-Sein ein Rückzug in die Klause des Einsiedlers, ist es ein Tod, ist es beides? "Leben im Lied" heißt jedenfalls: Hier wird Persönlichstes verhandelt – so persönlich, dass es jeden betrifft. Und es ist eine Lebensaufgabe, diesen Liedern eine Stimme zu verleihen!

Soviel Menschliches droht ins Allzumenschliche umzukippen, wenn Mahlers Rückert-Lieder und seine "Kindertotenlieder" mit biografischen Deutungen an den Rand des Kitsches getrie-ben werden – die Interpretationsgeschichte war davor ebensowenig gefeit wie vor kühler Dis-tanz gegenüber den großen Themen, die den Metaphysiker Mahler zeitlebens beschäftigt ha-ben. Ob mit Mezzosopran oder Bariton gesungen, ob mit Klavier oder Orchester begleitet: Mahlers Rückert-Vertonungen fordern die Interpreten seit einem Jahrhundert heraus – neben Christa Ludwig sind das Mezzosopranistinnen wie Kathleen Ferrier, Janet Baker und Violeta Urmana, Baritone wie Dietrich Fischer-Dieskau, Thomas Hampson und Thomas Quasthoff sowie Dirigenten wie Otto Klemperer, Leonard Bernstein und Pierre Boulez.

Moderation: Olaf Wilhelmer