Leben im Eis
Neun Monate lang lebt die Physikerin Nora Graser gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern und Technikern auf einer Polarstation am Rand der Antarktis. In „Kalte Füße inklusive“ berichtet Graser über Entbehrungen und Gefahren in der eisigen Abgeschiedenheit.
Zwei rote Polaranzüge, dicke Lederstiefel mit Stahlkappe, mehrere Garnituren Thermounterwäsche, Gesichtsmasken, Skibrille, Militärkompass etc.: Das ist die offizielle Dienstkleidung, die neun Menschen bekommen haben, um ab Dezember 2006 für 15 Monate auf der Neumayer-Station am Rand der Antarktis zu verbringen. Neun Monate lang lebten und arbeiteten ein Arzt, zwei Geophysikerinnen, eine Meteorologin, eine Luftchemikerin, ein Ingenieur, ein Elektriker, ein Funker und – ganz wichtig – ein Koch auf der Polarstation, völlig abgeschieden in den eisigen Weiten.
„Kalte Füße inklusive“ ist das Antarktis-Tagebuch der Physikerin Nora Graser, die zu den neun Überwinterern gehörte. Während des Südwinters ist für ein dreiviertel Jahr Hilfe von außen oder ein Wegkommen aus der Station ausgeschlossen. Das ganze Team ist völlig auf sich gestellt. Kontakt gibt es nur per Funk oder E-Mail. Damit ist das Leben dort noch isolierter als auf der Internationalen Raumstation. Von dort kann die Besatzung im Notfall gerettet werden. Die Überwinterer haben diese Chance nicht. So zählt zum Vorbereitungsprogramm auch ein Praktikum im Operationssaal, ein ausgiebiges Training bei der Feuerwehr und die Bergung von Personen, die in Gletscherspalten gestürzt sind, wie die Autorin sehr lebhaft schildert.
Wissenschaftlich ist vor Ort jede Menge zu tun: Alle drei Stunden werden Wettermessungen vorgenommen und die Daten in ein weltweites Netz eingespeist. Bei Messungen des Ozongehalts, des Magnetfelds oder bei der Analyse von Spurenstoffen in der Luft geht es um langjährige Messreihen, die die Forscher vor Ort fortsetzen. Ganz wichtig ist die Wartung all der Messinstrumente. Viel faszinierender als Taupunkt, seismische Sensoren oder Pinguin-Beobachtung sind die persönlichen Empfindungen der Autorin in der Abgeschiedenheit des Eises. Kalte Füße hatte sie vor allem vor dem Beginn des Abenteuers – und vor der Rückkehr in den Alltag.
Dass es in der Antarktis-WG nicht immer nur harmonisch zuging, dass es auch sprachlose Phasen gab und Tage, an denen man sich gegenseitig vor allem gewaltig nervte, verschweigt die Autorin nicht. Aber sie betont, bewusst alles wegzulassen, was zu sehr in ihre Privatsphäre und die ihrer Mitstreiter gehört. Das tut dem Buch gut. Beim Lesen werden einem die einzelnen Überwinterer sehr vertraut, ohne dass man je das Gefühl bekommt, nun doch etwas zu nah zu sein.
Einige Bilder sollen die Wunder der Eislandschaft vor Augen führen. Leider sind die meisten Fotos viel zu klein abgedruckt. So ist es ein reines Lesebuch. Wirklich bedauerlich ist, dass der Verlag auf eine ordentliche Grafik verzichtet hat, die einem die Neumayer-Station, den Ort der Handlung, in allen Details erklärt. Aber das schmälert nicht die Faszination, die von Nora Grasers Buch ausgeht.
Die Überwinterin erzählt eine Geschichte für alle, die davon träumen, auch einmal diesem Alltag komplett zu entfliehen. Allerdings zeigt die Autorin auch, welche Entbehrungen das mit sich bringt und dass man vor allem sehr speziell in diese Umgebung passen muss. So kann man sich beim Lesen trösten: Manche Träume bleiben besser Träume – und man durchlebt sie nur in der Fantasie.
Rezensiert von Dirk Lorenzen
Nora Graser: Kalte Füße inklusive. Mein Jahr in der Antarktis
Droemer/Knaur 2008
256 Seiten, 9,95 Euro
„Kalte Füße inklusive“ ist das Antarktis-Tagebuch der Physikerin Nora Graser, die zu den neun Überwinterern gehörte. Während des Südwinters ist für ein dreiviertel Jahr Hilfe von außen oder ein Wegkommen aus der Station ausgeschlossen. Das ganze Team ist völlig auf sich gestellt. Kontakt gibt es nur per Funk oder E-Mail. Damit ist das Leben dort noch isolierter als auf der Internationalen Raumstation. Von dort kann die Besatzung im Notfall gerettet werden. Die Überwinterer haben diese Chance nicht. So zählt zum Vorbereitungsprogramm auch ein Praktikum im Operationssaal, ein ausgiebiges Training bei der Feuerwehr und die Bergung von Personen, die in Gletscherspalten gestürzt sind, wie die Autorin sehr lebhaft schildert.
Wissenschaftlich ist vor Ort jede Menge zu tun: Alle drei Stunden werden Wettermessungen vorgenommen und die Daten in ein weltweites Netz eingespeist. Bei Messungen des Ozongehalts, des Magnetfelds oder bei der Analyse von Spurenstoffen in der Luft geht es um langjährige Messreihen, die die Forscher vor Ort fortsetzen. Ganz wichtig ist die Wartung all der Messinstrumente. Viel faszinierender als Taupunkt, seismische Sensoren oder Pinguin-Beobachtung sind die persönlichen Empfindungen der Autorin in der Abgeschiedenheit des Eises. Kalte Füße hatte sie vor allem vor dem Beginn des Abenteuers – und vor der Rückkehr in den Alltag.
Dass es in der Antarktis-WG nicht immer nur harmonisch zuging, dass es auch sprachlose Phasen gab und Tage, an denen man sich gegenseitig vor allem gewaltig nervte, verschweigt die Autorin nicht. Aber sie betont, bewusst alles wegzulassen, was zu sehr in ihre Privatsphäre und die ihrer Mitstreiter gehört. Das tut dem Buch gut. Beim Lesen werden einem die einzelnen Überwinterer sehr vertraut, ohne dass man je das Gefühl bekommt, nun doch etwas zu nah zu sein.
Einige Bilder sollen die Wunder der Eislandschaft vor Augen führen. Leider sind die meisten Fotos viel zu klein abgedruckt. So ist es ein reines Lesebuch. Wirklich bedauerlich ist, dass der Verlag auf eine ordentliche Grafik verzichtet hat, die einem die Neumayer-Station, den Ort der Handlung, in allen Details erklärt. Aber das schmälert nicht die Faszination, die von Nora Grasers Buch ausgeht.
Die Überwinterin erzählt eine Geschichte für alle, die davon träumen, auch einmal diesem Alltag komplett zu entfliehen. Allerdings zeigt die Autorin auch, welche Entbehrungen das mit sich bringt und dass man vor allem sehr speziell in diese Umgebung passen muss. So kann man sich beim Lesen trösten: Manche Träume bleiben besser Träume – und man durchlebt sie nur in der Fantasie.
Rezensiert von Dirk Lorenzen
Nora Graser: Kalte Füße inklusive. Mein Jahr in der Antarktis
Droemer/Knaur 2008
256 Seiten, 9,95 Euro