Leben eines Führerscheinlosen
10.08.2009
Es gab im Leben des führerscheinlosen Autors Augenblicke, in denen er sich gerne ans Steuer gesetzt hätte. Die hatten fast immer mit begehrenswerten Frauen zu tun, die sich einen richtigen Mann ohne Fahrerlaubnis nicht vorstellen konnten – und mit jugendlichen Idealen von Freiheit und Abenteuer.
Mit dem Älterwerden konnte er jedoch auch in der Liebe einen Vorteil aus seiner Lage ziehen, schließlich ist "die Emanzipation am Steuer eine Erfolgsgeschichte", und selbstbewusste Autofahrerinnen schätzen einen guten Beifahrer, der nicht meint, alles besser zu können und nicht unablässig Kommentare abgibt. An diesem altmodischen, männlichen Autofahrerwahn können – eine beispielhafte Geschichte wird hier erzählt - Ehen zerbrechen.
Der Radiojournalist und Romanautor hat recherchiert und gesammelt, er erinnert sich an eigene Geschichten und solche, die für die mobile Nachkriegsgeschichte entscheidend waren. Natürlich kommt die Ölkrise vor, in deren Folgen die autofreien Sonntage in den Siebzigerjahren eingeführt wurden, es geht um Tempolimits, die nach dem Krieg nur mühsam gesetzlich umgesetzt wurden und nicht zuletzt um eindrucksvolle Zahlen. "Durchschnittlich zahlt der Deutsche rund 300.000 Euro in seinem Leben für seine Automobilität." Der Wohnanhänger Weferlinger LC 9 aus dem VEB Heimstolz kommt ebenso vor wie die Erinnerung an kindliche Waschstraßenbegeisterung und jugendliche Tankstellenbesuche.
Carsten Otte ist kein Anti-Auto-Ideologe, hält im Gegenteil, "die Moralisierung und Ideologisierung der Mobilität" für einen Teil des Problems und (obwohl selber einer) Radfahrer nicht für die besseren Menschen. Der Mann fährt Taxi und lässt sich von seiner Frau zu abgelegenen Restaurants fahren. Seitdem er Vater ist, fürchtet er jedoch die Gefahrenquelle des Autoverkehrs ganz besonders, erregt sich über die Pseudogeländewagen, die nur in den Städten und nie im Gelände gefahren werden.
Er ist begeistert von der neuen Fahrradoffensive in Paris, wo nicht nur die Fahrradwege ausgebaut werden, sondern demnächst alle 300 Meter eine Station zum Ausleihen oder Abstellen der Fahrräder zu Verfügung stehen. Zukunftsvisionen jenseits vom Auto sind es, die wir brauchen, betont der Autor dieses leicht lesbaren und vergnüglichen Bandes, und träumt – angesichts von Autokrise und Dauerstau - vom Robo, dem Automobil der Zukunft, das die Energie selber produziert und steuert, das an jeder Ecke steht und darauf wartet, einen Passagier mitzunehmen. "In diesen gar nicht so fernen Zeiten ist die Organisation des Verkehrs die Aufgabe von Riesenrechnern. Es wird im Normalbetrieb, wenn also die Festplatten und Arbeitsspeicher vor Viren und Systemabstürzen geschützt sind, weder Staus noch Unfälle geben."
Besprochen von Manuela Reichart
Carsten Otte: Goodbye Auto
Goldmann Verlag/ München 2009
349 Seiten, 8,95 Euro
Der Radiojournalist und Romanautor hat recherchiert und gesammelt, er erinnert sich an eigene Geschichten und solche, die für die mobile Nachkriegsgeschichte entscheidend waren. Natürlich kommt die Ölkrise vor, in deren Folgen die autofreien Sonntage in den Siebzigerjahren eingeführt wurden, es geht um Tempolimits, die nach dem Krieg nur mühsam gesetzlich umgesetzt wurden und nicht zuletzt um eindrucksvolle Zahlen. "Durchschnittlich zahlt der Deutsche rund 300.000 Euro in seinem Leben für seine Automobilität." Der Wohnanhänger Weferlinger LC 9 aus dem VEB Heimstolz kommt ebenso vor wie die Erinnerung an kindliche Waschstraßenbegeisterung und jugendliche Tankstellenbesuche.
Carsten Otte ist kein Anti-Auto-Ideologe, hält im Gegenteil, "die Moralisierung und Ideologisierung der Mobilität" für einen Teil des Problems und (obwohl selber einer) Radfahrer nicht für die besseren Menschen. Der Mann fährt Taxi und lässt sich von seiner Frau zu abgelegenen Restaurants fahren. Seitdem er Vater ist, fürchtet er jedoch die Gefahrenquelle des Autoverkehrs ganz besonders, erregt sich über die Pseudogeländewagen, die nur in den Städten und nie im Gelände gefahren werden.
Er ist begeistert von der neuen Fahrradoffensive in Paris, wo nicht nur die Fahrradwege ausgebaut werden, sondern demnächst alle 300 Meter eine Station zum Ausleihen oder Abstellen der Fahrräder zu Verfügung stehen. Zukunftsvisionen jenseits vom Auto sind es, die wir brauchen, betont der Autor dieses leicht lesbaren und vergnüglichen Bandes, und träumt – angesichts von Autokrise und Dauerstau - vom Robo, dem Automobil der Zukunft, das die Energie selber produziert und steuert, das an jeder Ecke steht und darauf wartet, einen Passagier mitzunehmen. "In diesen gar nicht so fernen Zeiten ist die Organisation des Verkehrs die Aufgabe von Riesenrechnern. Es wird im Normalbetrieb, wenn also die Festplatten und Arbeitsspeicher vor Viren und Systemabstürzen geschützt sind, weder Staus noch Unfälle geben."
Besprochen von Manuela Reichart
Carsten Otte: Goodbye Auto
Goldmann Verlag/ München 2009
349 Seiten, 8,95 Euro