Leben auf dem Campingplatz

Wohnwagen statt Vier-Zimmer-Wohnung

Ein Wohnwagen fährt auf einem Campingplatz an einem Gartenzwerg vorbei.
Günstig Dauercampen in Brandenburg statt hohe Wohnungsmiete in Berlin zahlen? Für manche eine Lösung. © dpa picture alliance/ Oliver Berg
Von Vanja Budde · 09.02.2019
In Berlin sind die Wohnungsmieten in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Viele Geringverdiener und Rentner bleiben auf der Strecke, fürchten gar die Obdachlosigkeit. Das Ehepaar Müller fand eine bezahlbare Behausung: im Wohnwagen auf einem Campingplatz.
Karin Müller sagt: "Hier ist der Abwaschraum. Campingplatz-Betreiber Volker Gaedicke ergänzt: "Mit vier Waschbecken, wo man sein Geschirr spülen kann, mit Warmwasser." Karin Müller fährt fort: "Und dann geh ich mit meinem Handwagen hierher und wasch dann hier ab."
Volker Gaedickes "Campingplatz am Havelkanal" liegt in Brieselang, am westlichen Rand von Berlin. Karin Müller, die eigentlich anders heißt, wohnt mit ihrem Mann seit einem Jahr dauerhaft hier. In einem sechs Meter langen Wohnwagen mit Vorzelt.
Volker Gaedicke erläutert: "Hier haben wir so separate Toiletten einmal und dann haben wir separate Badezimmer, wo die Leute Dusche, Toilette und Waschbecken drin haben."
In Badelatschen morgens quer über den großen Campingplatz mit seinen 200 Stellplätzen zur Dusche: Die 65-jährige Karin Müller hat damit kein Problem: "Also wir sind daran gewöhnt und mich stört das auch nicht. Weil, wenn man jahrelang, also ein Leben lang Camping macht, dann ist man das gewöhnt, ja."

"Friert ihr hier nicht?"

Auch Familie und Freunde reagierten gelassen, als Karin Müller und ihr Mann in den Wohnwagen zogen. Nur neue Bekanntschaften, die wundern sich manchmal, berichtet Müller: "Die fragen dann meistens: ‚Friert ihr nicht? Ja, ist euch das nicht zu kalt?' Dann müssen wir immer lachen."
Das Vorzelt dient als Wohn- und Esszimmer: Auf dem Boden ein Kunstrasen-Teppich, eine kleine Couchecke, Vorrats-Regale an den Wänden. Das Wasser kommt aus einem Brunnen, Strom liefert der Campingplatz per Kabel, es gibt WLAN und ein Heizstrahler sorgt für wohlige Wärme.
"Also ich kann auch mal ein bisschen runterstellen. Sie haben ja drei verschiedene Flammen, also entweder die ganz große, aber die haben wir noch nie angehabt, auch jetzt wenn es mal -20 Grad war oder so, brauchen Sie das gar nicht. Nachts lasse ich dann, wenn's jetzt unter Null ist, immer die kleine Flamme an und das reicht."

Leben auf 15 Quadratmetern - und großem Garten

Der Wohnwagen hat eine Gasheizung. Er dient als Schlafzimmer und zweite Sitzecke. Insgesamt leben die Müller auf vielleicht 15 Quadratmetern. "Aber es reicht doch! Also im Sommer hält man sich hier drinnen eh nicht auf. Ich bin meistens im Garten draußen. Man sitzt da auch und man ist ja nur zum Schlafen dann drin oder wenn's regnet."
Karin Müller ist Camperin von Kindesbeinen an, war mit ihrem Mann und den Kindern viel an der Ostsee und im Harz unterwegs. Schon seit Jahren steht ihr Wohnwagen hier auf dem Platz, sie waren Dauercamper: Auch im Winter am Wochenende da. Bis sie ihre Wohnung in Berlin-Charlottenburg aufgaben.
"Na ja, das waren auch wirtschaftliche Gründe. Also wir sind beide jetzt in Rente gegangen und die Rente ... Wir haben eine große Vierzimmerwohnung gehabt und die hat schon 1500 Euro Miete gekostet und das können wir uns einfach nicht mehr leisten. Es wurde verkauft und dann gab's neue Besitzer, die Mieten stiegen und selbst wir zusammen haben noch nicht mal so viel Rente, dass wir jetzt so eine Miete bezahlen können."

Die Trennung von den Möbeln fiel nicht schwer

Von 100 auf 15 Quadratmeter: Alle Möbel, die gesamte Einrichtung wegzugeben, das habe ihr nichts ausgemacht, erzählt die Rentnerin. Nur um die alten Bauernschränke ihrer Eltern tat es ihr leid.
Volker Gaedicke, Betreiber des "Campingplatz an der Havel", bei Berlin (2019).
Volker Gaedicke, Betreiber des "Campingplatz an der Havel", bei Berlin (2019).© Deutschlandradio/Vanja Budde
910 Euro kostet die Pacht hier auf dem Platz. Im Jahr. Dazu kommen Strom und Gasflaschen für die Heizung. Volker Gaedicke bekommt immer mehr Anfragen von Menschen, die gerne ganz hier wohnen würden.
"Es geht, es funktioniert, nur ist es wirklich noch eine Grauzone. Es gibt wohl im Meldegesetz einen Passus, wonach das die Gemeinde genehmigen kann, dass sich Leute fest auf einem Campingplatz anmelden. Teilweise wird’s geduldet und teilweise auch nicht."

Man kümmert sich umeinander

Zum "Campingplatz am Havelkanal" gehört ein Bistro, wo man Kaffee trinken und im Sommer auf der Terrasse sitzen kann. Feriengäste, Dauercamper und diejenigen, die ganz hier wohnen, verstünden sich gut, meint Karin Müller, Konflikte gebe es kaum, dafür viel Hilfsbereitschaft.
"Und wenn sie hier sind, sie sind in der Natur, sie gehen raus und man ist gleich an der frischen Luft – das haben sie in der Stadt nicht. Ja, sie haben ein ganz anderes Lebensgefühl hier und vor allen Dingen hier auf dem Platz. Man kennt sich, das ist ja wie so ein kleines Dorf, man hilft sich gegenseitig, wenn mal was ist, wenn jemand krank ist oder so, das ist überhaupt kein Thema. Dann pflegt man sich, hilft sich, fährt zusammen ins Krankenhaus, nicht?"
Diese Gemeinschaft sei ihr wichtiger als der Komfort einer Wohnung und der ganze Besitz, der sich darin angehäuft hatte. Sie vermisse keinen Aspekt ihres alten Lebens, sagt Karin Müller: "Nee. Nichts."
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