LBBW-Chef wehrt sich gegen Untreue-Verdacht
Der Vorstandsvorsitzende der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Siegfried Jaschinski, hat sich gegen Klagen gewehrt, die Verluste der LBBW seien auf ein kriminelles Vorgehen zurückzuführen. Es sei ein normaler Vorgang, dass es Personen gebe, die die Verluste auf rechtstaatlichem Wege nachprüfen wollten, sagte Jaschinski.
Deutschlandradio Kultur: Die Landesbank Baden-Württemberg braucht dringend Geld, um handlungsfähig zu bleiben. Es geht um fünf Milliarden Euro, die die Träger möglicherweise zur Verfügung stellen, aber nur, wenn die Bank von externen Prüfern durchleuchtet wird. Heißt das: Vertrauen war gut, jetzt ist Kontrolle angesagt?
Siegfried Jaschinski: Man muss sehen, wofür sind denn fünf Milliarden Kapitalerhöhung gedacht. Wenn wir heute normale Zeiten hätten ohne Finanzmarktkrise, würden wir überhaupt gar keine Kapitalerhöhung machen. Wir machen die Kapitalerhöhung, weil wir uns in schwere Zeiten hineinbewegen.
Wir erwarten einen Wirtschaftsabschwung im nächsten Jahr, wo sich ja auch die Prognosen überschlagen. Und wir sind in einem Land in Baden-Württemberg mit sehr, sehr vielen exportabhängigen Unternehmen - Automobilindustrie, Zulieferindustrie, Maschinenbau -, wo wir heute zum ersten Mal feststellen, dass weltweit alle Märkte einbrechen.
Deutschlandradio Kultur: Dass externe Prüfer jetzt zu Ihnen ins Haus kommen, ist doch ungewöhnlich.
Das könnte man ja auch als Misstrauensvotum Ihrer Person gegenüber verstehen. Herr Oettinger hatte das jüngst in der Plenarsitzung so angekündigt. Ich weiß nicht, ob das im Vorfeld mit Ihnen abgesprochen war.
Siegfried Jaschinski: Ich komme gleich auf diese Frage, aber ich glaube, es ist sinnvoll, wenn man sie in den Kontext hinein nimmt. Das heißt, diese fünf Milliarden sind dafür da, dass wir für künftige Risiken, die aus unseren Mittelstandsunternehmen kommen, auch gewappnet sind. Daraufhin werden ja fast alle Banken weltweit auf eine solche höhere Eigenkapitalquote eingestellt.
Die zweite Frage, die Sie gestellt haben, bezieht sich ja auf den Prozess. Wie kommt man dazu, für eine öffentliche Bank eine Kapitalerhöhung der nicht ganz kleinen Größenordnung von fünf Milliarden zu unternehmen, zu beschließen?
Hier ist es doch selbstverständlich, dass man in einem Kontext, wo viele Landesbanken, private Banken, fast alle Banken mit Problemen in der Finanzmarktkrise kämpfen, wo sich die Nachrichten überschlagen, wo wir eine Bank sind, die mit öffentlichen Trägern natürlich auch rückgebunden ist in die Öffentlichkeit hinein, ob das die Stadt Stuttgart, ob das das Parlament in Baden-Württemberg ist, einfache eine entsprechende Bestätigung haben möchte, die auch nach draußen vertretbar ist.
Um das auch gleich zu beantworten, das war direkt auch in unserem Interesse, dass dieses getan wird. Denn man muss sehen, es ist eine Prüfung der Risiken, die unser normaler Wirtschaftsprüfer in einem Zwischenprüfungsgutachten macht.
Ich habe eine ähnliche Situation schon einmal erlebt, als ich hier die Führung der Bank übernommen habe und ich Erwin Teufel sagen musste in den ersten Tagen nach Amtsübernahme, dass es technisch nicht mehr möglich ist, die BW-Bank als eine eigenständige Bank zu führen, dass sie in die LBBW zu integrieren sei, weil wir einfach nicht die IT-Systeme verdoppeln konnten. Auch da hat Erwin Teufel gesagt, das möchte ich noch mal durch Prüfer bestätigt bekommen. Ich glaube, in diesem öffentlichen Raum ist das ganz normal.
Deutschlandradio Kultur: Aber jetzt, an der Stelle, in der sensiblen Phase, in der wir uns nun mal alle befinden, klingt die Botschaft etwas unsicher. Herr Oettinger sagte zum Beispiel, er möchte mit Ihnen zusammenarbeiten, bis Licht am Ende des Tunnels für die Finanzwirtschaft zu sehen ist. Das heißt, Sie sind eigentlich ein Kandidat auf Abruf, oder?
Siegfried Jaschinski: Das habe ich so nicht verstanden. Auch meine Meinung zur Frage der Prüfer ist, der Vorstand wird dadurch eher geschützt. Wir haben heute Ereignisse, mit denen wir zurechtzukommen haben, wie den Zusammenbruch von Lehman, mit dem keiner gerechnet hat. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob im Januar irgendeine andere Bank zusammenbricht. Und wenn in der Zwischenzeit Prüfer einen Status quo feststellen und das nach außen kommunizieren, halte ich das für eine sehr gute und auch den Vorstand schützende Funktion. Insofern unterstützt der Vorstand auch diese Vorgehensweise.
Deutschlandradio Kultur: Das Misstrauen ist aber gesät, wenn ich das mal so sagen darf. Bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft sind jüngst mehrere Strafanzeigen von Bürgern eingegangen, die vermuten, dass die jüngsten Verluste Ihrer Landesbank, der Landesbank Baden-Württemberg, auch auf kriminelle Handlungen zurückzuführen sind. Die Staatsanwaltschaft prüft zunächst. Das ist zu differenzieren. Sind diese Vorwürfe der Bürger völlig aus der Luft gegriffen oder sind das ein paar Spinner?
Siegfried Jaschinski: Ich würde mal sagen, das ist ein völlig normaler Vorgang bei öffentlichen Banken, wenn da Verluste sind, das ist nicht nur hier, das ist überall, gibt es Personen, die dieses auf diese Art und Weise nachgeprüft haben wollen. Aber es gibt keinen Vorgang, der diese Bank oder auch eine private Bank in ähnlicher Thematik betrifft, die im Prinzip Rückschlüsse darauf zulässt, dass hier ähnliche Themen eine Rolle spielen. Das ist ein normaler Vorgang, mit dem wir leider auch leben müssen.
Deutschlandradio Kultur: Wir müssen sowieso ein bisschen umlernen. Vor kurzer Zeit haben wir noch gelernt, dass die LBBW die Musterbank unter den Landesbanken ist. Jetzt erfahren wir, dass es da möglicherweise genauso viele faule Kredite gibt, wie bei anderen Landesbanken auch oder zumindest in ähnlicher Größenordnung. Was ist tatsächlich in den letzten Monaten schief gelaufen? Was hätte so einem Bankmanagement nicht passieren dürfen? Könne Sie das heute schon bilanzieren?
Siegfried Jaschinski: Also, es gibt mir ja die Chance, das Bild ein wenig zu korrigieren und vielleicht doch die Stärke der LBBW, insbesondere in ihrem Geschäftsmodell, in ihren Filialen, in ihrem Bezug zum Mittelstand, zu Privatkunden etwas deutlicher zu machen.
Was ist passiert? Wir haben den 15. September erlebt. Der 15. September war der Zusammenbruch von Lehman Brothers, der der ganzen Welt eigentlich diese schreckliche Entwicklung beschert hat, und im Grunde genommen auch von Professor Axel Weber der Bundesbank als eine für nicht möglich gehaltene Situation im Grunde genommen kommentiert hat.
Hier haben wir erste Verluste erlitten. Dann war das Thema der Islandbanken. Da muss man sehen, die Banken waren sehr gesunde Banken. Es waren nicht Banken, die nur in Island waren, zum kleinsten Teil, so ähnlich wie Schweizer Banken nur zu einem kleinen Teil in der Schweiz tätig sind.
Aber die weltweite Liquiditätsknappheit hat dazu geführt, dass große Länder im Grunde alle getestet wurden, ob sie noch genügend Devisen haben. Manche, wie Ungarn, wurden vom IWF gerettet, kleinere Länder in dem Maße nicht. Und diese kleineren Länder konnten die Banken nicht mehr stützen.
Also, wir haben relativ klare Risiken, mit denen wir leider zurechtkommen müssen. Bei uns sind nicht das Thema im Grunde genommen irgendwelche Spekulationen in größerem Ausmaß in den USA oder sonst wo.
Eine weitere Komponente sollte man auch nicht vergessen. Wir sind bei der Landesbankkonsolidierung diejenigen, die jetzt zwei Landesbanken, eine wie die Sachsen LB, gerettet haben auch vor Wirkungen, die Lehman im Grunde genommen in Amerika ausgeübt hätte. Auch hier hätte ein Zusammenbruch verheerende Wirkungen gehabt. Hier haben wir auch Risiken auf die Bücher genommen.
Wir haben eine kleine Landesbank Rheinland-Pfalz auf die Bücher nehmen müssen, um hier auch komplett die Bank neu zu strukturieren. Wenn ich unsere ganzen Verluste mal nehme, die wir aus der Finanzmarktkrise erlitten haben, kamen über zwei Drittel aus diesen beiden Banken.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt dennoch ein seltsames Phänomen, zumindest kann man das nachlesen, dass nämlich private Banken, was diese Risikogeschäfte angeht, geringere Risiken eingegangen sind als Landesbanken, die eigentlich ja auch Steuergelder mit zu verantworten haben. Wie kommt das? Wie kommt es, dass Landesbanken - ich weiß nicht genau, ob es auch Ihre war - stärker in diese Risikobereiche in den letzten Jahren hineingegangen sind?
Siegfried Jaschinski: Ich fürchte, dass dieser Eindruck nicht richtig ist. Ich fürchte, dass öffentliche Banken durch die stärkere öffentliche Diskussion stärker die Schlagzeilen beherrschen als private Banken. Aber wenn Sie sich beispielsweise die Verluste - selbst bei deutschen Banken - vergegenwärtigen, die in den ersten neun Monaten, weil die Zahlen dafür vorliegen, des Jahres 2008 angelaufen sind gegenüber 2007 und sich nur die Differenz anschauen, dann werden Sie feststellen, dass selbst die Landesbanken gar nicht die größten Verluste gehabt haben.
Wenn ich in die internationale Landschaft hineinschaue - gehen Sie mal nach UBS, gehen Sie nach Royal Bank of Scottland, schauen Sie sich mal die City Corp an -, würde ich mal sagen, sind zwar die Dinge hier etwas stärker emotionalisiert und diskutiert, aber im Vergleich ist sogar die IKB mit weitem Abstand die größte Privatbank, die in Deutschland eigentlich auch die stärksten Verluste eingefahren hat - bis heute.
Deutschlandradio Kultur: Sie bekommen fünf Milliarden Kapitalspritze demnächst. Bis jetzt ist noch nicht hundertprozentig geklärt, ob Ihre Träger - welche da sind: das Land, die Stadt Stuttgart und die beiden regionalen Sparkassenverbände - sozusagen aus dem Inneren selber das bezahlen oder ob nicht doch der Rettungsschirm des Bundes greift. Was wäre Ihnen denn lieber? Wäre Ihnen lieber, wenn Berlin hier mit einsteigt?
Siegfried Jaschinski: Es gibt eine klare Willensbekundung aller unserer Träger, in einer Punkteerklärung - glaube ich - durchaus publizitätsträchtig verkündet worden, die den Willen aller Träger zum Ausdruck bringt, dass sie selber diese Kapitalerhöhung durchführen wollen.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie, was möchten Sie? Die Träger, ist klar.
Siegfried Jaschinski: In einem zweiten Satz möchte ich Ihnen gerne dieses auch beantworten. Es ist nicht die Frage, was ich will, sondern was ich für die Bank relativ positiv sehe. Ich glaube, wir müssen die Situation, wie sie sich heute darstellt, so wahrnehmen, dass die Bank, neben dem Auffangen von Risiken, heute in einem Markt operiert, in dem sie selber praktisch keine Anleihen begeben kann. Kein Kunde kauft mehr Anleihen von Unternehmen, von Banken. Alle wollen nur noch Staatsanleihen haben.
Die Fragestellung ist die: Wenn unsere Träger uns Kapital geben, weiß der Partner, der mit uns auch langfristig arbeitet, das Geld bleibt tendenziell in der Bank. Die Aussagen seitens des SoFin sind ja die, dass man vorübergehend einer Bank dieses Kapital zur Verfügung stellen will. Und ich glaube, in dieser Abwägung aus Bankensicht heraus, ist es sicherlich sinnvoll, die Bank so stark und auf eigene Füße zu stellen, dass sie auch ein langfristiger Partner für die Kunden im Kapitalmarkt insbesondere ist, die sie auch braucht, um im Prinzip das Geschäft auch zu refinanzieren, was nötig ist.
Deutschlandradio Kultur: Geht es nur darum oder vielleicht auch um die Tatsache, die Ihnen möglicherweise der Ministerpräsident gesagt hat? Herr Oettinger sagt, er möchte auch gerne Herr im eigenen Haus bleiben.
Siegfried Jaschinski: Das ist vielleicht nicht eine Frage, die Sie an den Vorstand stellen müssen.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie müssen ja einen Eindruck haben, wie stark der Druck da aufgebaut wird.
Siegfried Jaschinski: Meine Thematik ist die: Wir müssen sehen, wie sich die Bank am besten entwickelt. Das schlagen wir vor unseren Eignern. Und ich glaube, ich habe dazu auch das Notwendige gesagt.
Deutschlandradio Kultur: Würde es denn Ihrer Bank dienen, würde sie sich besser weiterentwickeln können, wenn weitere Banken hinzukämen, wie beispielsweise die bayerischen Freunde, wie Ministerpräsident Günther Oettinger die möglichen Fusionsgespräche bezeichnet?
Siegfried Jaschinski: Man muss sicherlich sehen, dass wir in Deutschland generell in ein einem Konsolidierungsprozess stehen. Und ich glaube, gerade die LBBW, die jetzt die fünfte und sechste Bank integriert, ist diejenige, die am stärksten innerhalb von neun Jahren an diesem Prozess teilgenommen hat. Und es ist auch sicherlich richtig, dass auch weitere Schritte kommen werden. Auch hier gibt es eine klare Haltung auch der Träger, die ein entsprechendes Angebot in Richtung München formuliert haben.
Dass allerdings dann auch der Weg dahin mit formuliert worden ist, auch angesichts der Risiken, die wir jetzt von Sachsen und Landesbank Rheinland-Pfalz zu verarbeiten haben, die ja auch bekannt sind in Bayern oder auch in Stuttgart, dass man hier klare Regeln im Grunde genommen vereinbart, dass jeder für seine Risiken aufkommt, dass man hier über eine bestimmte Perspektive zu sprechen hat, wie ein solches Zusammenfinden möglich ist, ist - glaube ich - richtig.
Deutschlandradio Kultur: Der Standort wäre Stuttgart, hat Herr Oettinger vorgegeben.
Siegfried Jaschinski: Das sind, wie gesagt, auch Fragestellungen, die dann stärker die Eigner und die Positionen von Eignern betreffen, als das im Moment eigentlich auch die direkte Führung der LBBW betrifft.
Deutschlandradio Kultur: Was ich aber nicht so richtig verstehe: Eigentlich geht es doch um ein konsequentes Geschäftsmodell, das erfolgreich ist - nicht unbedingt um die Größe. Man könnte ja auch sagen: small is beautiful, und fertig. Also, warum muss man unbedingt fusionieren?
Siegfried Jaschinski: Beides ist ja richtig. Das Geschäftsmodell steht an erster Stelle. Und ich glaube, das ist ja heute etwas, was die LBBW mit der BW-Bank oder der neuen Sachsen-Bank und der neuen Rheinland-Pfalz-Bank auszeichnet, dass sie als einzige von den Landesbanken im Mittelstands- und Privatkundengeschäft hier auch aus der Historie heraus Wurzeln gefasst und auch expandieren kann.
Auf der anderen Seite ist es so, das sehen wir auch heute, die Kosten, um wettbewerbsfähig zu sein - über das Auslandsnetz, über Investitionen ins Kapitalmarktgeschäft, IT-Investitionen, die Steuerungsnotwendigkeiten einer solchen Bank, die Komplexitäten werden so prohibitiv teuer, dass hier einfach ein Druck zur Größe da ist. Das führt ja auch dazu, dass eine DZ-Bank mit einer WGZ zusammenkommt. Da könnte man ja auch in Düsseldorf sagen, small is beautiful, oder auch, wenn eine Commerzbank mit der Dresdner zusammenzugehen hat.
Wir unterstehen einem Wettbewerb und dieser Wettbewerb führt letztendlich auch zu solchen Zwängen. Allerdings ist in der Priorisierung klar, dass das Geschäftsmodell, die langfristige - ich sage mal - betriebswirtschaftliche Berechenbarkeit einer Bank natürlich das Wichtigste ist. Und gerade zeigt sich auch in diesen Tagen, dass man von dieser Priorität auch nicht abrücken darf.
Deutschlandradio Kultur: Dann müssen Sie mir mal erklären, warum Landesbanken mit steuerlichen Geldern eigentlich in Bereiche gehen, die eigentlich den privaten Instituten originär zugerechnet werden müssen - Aktiengeschäfte. Sie haben mal gesagt, die Landsbank Baden-Württemberg vergleicht sich beispielsweise mit der Commerzbank im Bereich der Aktiengeschäfte. Warum überlassen Sie das nicht diesen privaten Banken und Sie konzentrieren sich auf das, um was es geht, im Land für den Mittelstand und für die Sparkassen zu sorgen?
Siegfried Jaschinski: Erst mal geht es ja um ein Selbstverständnis der Bank. Was braucht ein Mittelstand? Ein Mittelstand heute, wie er sich so positioniert hat, ist international. Wir müssen ihm im Ausland mit entsprechenden Linien, mit entsprechender Betreuung zur Verfügung stehen. Das tun wir besser als fast alle Privatbanken über deutsche Häuser, über ein entsprechend zugeschnittenes Auslandsnetz.
Der Mittelstand braucht Eigenkapital. Deswegen sind wir fast die einzige deutsche Bank - bezogen auf die Großbanken -, die auch mit Private Equity, das heißt, mit privatem Beteiligungskapital, gerade auch in Baden-Württemberg dem Mittelstand zur Verfügung steht.
Deutschlandradio Kultur: Steht das Geld jetzt immer noch dem Mittelstand zur Verfügung bis zur Stunde?
Siegfried Jaschinski: Das steht immer noch zur Verfügung. Wir machen permanente Prüfungen. Wir haben in der letzten Vorstandssitzung wieder über eine Beteiligung entschieden. Das ist ein fortlaufender Prozess. Das ist jetzt mit Töpfen, die wir für Baden-Württemberg haben, teilweise für Sachsen und für Rheinland-Pfalz haben.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wenn jetzt der Autozulieferer, der möglicherweise - bedingt durch die Krise - zu Ihnen kommt und sagt, wir müssen das nächste Jahr in irgendeiner Form überbrücken, der bekommt Geld?
Siegfried Jaschinski: In dieser Einfachheit kann ich wahrscheinlich keinen Kredit unterschreiben. Wir gehen alle diese Themen an. Wir prüfen die Situation. Und ich fürchte, da es nicht nur ein Autozulieferer ist, sondern sehr, sehr viele, die auf uns zukommen. Zumindest wenn ich mir zumindest vor Augen halte, dass überall die Kapazitäten von den Autoproduzenten gesenkt werden, dann wird sich das bei den Zulieferern im Prinzip niederschlagen. Dann werden wir uns mit dem Problem befassen auch vor dem Hintergrund, dass wir zurzeit der größte Kreditgeber in Baden-Württemberg sind. Und Automobilzulieferung ist ein Herzstück baden-württembergischer Industrie.
Deutschlandradio Kultur: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass vielleicht auch Daimler irgendwann mal an der Tür steht und nicht mehr kann? Oettinger hat auch in dieser Richtung schon entsprechende Andeutungen gemacht, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass das Land eventuell auch in diesem Fall einsteigt.
Siegfried Jaschinski: Also, ich glaube, wir haben eine schwierige Zeit vor uns. Und bei den meisten Unternehmen sind wir vom Kreditengagement, manchmal auch vom Eigenkapital hier in Baden-Württemberg engagiert. Sonst wären wir nicht der größte Kreditgeber. Es ist unsere Pflicht und wir werden uns dem auch nicht entziehen und das auch fördern in dieser schwierigen Phase, wo weltweit Absatzeinbrüche bisher nicht gekannten Ausmaßes sich vollziehen, uns da zu positionieren.
Und es ist das Interesse der Bank, die hier im Prinzip ihre Wurzeln hat, diesen Menschen zu helfen und damit natürlich auch zu versuchen, den Unternehmen in dieser schwierigen Phase beizustehen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem sind Sie im Moment nicht so richtig gesund. Sie haben zumindest noch Risikoprodukte in Ihrer Bank, die möglicherweise in nächster Zukunft Schwierigkeiten machen. Jetzt gibt es beispielsweise die HSH-Nordbank. Die will diese Produkte rausnehmen und sagt: Man könnte das in so genannte Bad-Banks auslagern. Dann hätten wir das nicht mehr in der Bilanz drin und könnten eigentlich wieder ordentlich arbeiten.
Sind solche Vorstellungen auch hier in Stuttgart en vogue? Wird das überlegt, dass man sagt, wir müssen eigentlich versuchen, wieder gut ins Geschäft zu kommen und müssen Teile einfach auslagern?
Siegfried Jaschinski: Ich glaube, die Risikolage ist für jede Bank anders. Jede hat auch andere Themenfelder. Unsere Hauptthemenfelder - noch rückblickend aus der Finanzmarktkrise - sind im Grunde genommen nicht solche Portfolien, sind letztendlich Investitionen in Staatsanleihen und in Finanzinstitute. Unsere Verluste, die größten Teile, kommen daher, dass heute ein Land wie Italien im Grunde genommen Kreditrisikoprämien zahlen muss von 100 Basispunkten oder Irland mit 200 Basispunkten. Da kommen eigentlich unsere stärksten Produkte. Die werden uns mit einer solchen Thematik nicht helfen.
Unsere Hauptthematik ist - nach vorne schauend - eigentlich gar nicht mehr so sehr das Thema Finanzmarktkrise. Unser Hauptthema ist, was wir jetzt schon in diesen Monaten mitbekommen und was uns in den nächsten beschäftigen wird: Wie werden denn die eigentlichen Fragestellungen der Unternehmen eine Rolle spielen? Denn bei der Finanzmarktkrise sind es noch immer in erster Linie Kursschwankungen, nicht Ausfälle - mit den Ausnahmen Island und Lehman. Was wir aber mit Unternehmen jetzt möglicherweise zu tun haben im nächsten Jahre, das können durchaus Ausfälle werden - und in nicht kleinem Umfang.
Damit haben wir uns zu beschäftigen. Das sind unsere größten Risiken. Ich glaube, das ist nicht das Thema der HSH-Nordbank, wenn ich die Geographie und die Geschäftsstruktur sehe.
Deutschlandradio Kultur: Aber gibt es denn Fehler aus der Vergangenheit, wo Sie sagen würden, daraus haben wir gelernt, das werden wir nicht mehr tun und in Zukunft werden wir versuchen alles zu unternehmen, dass es nie wieder passiert?
Siegfried Jaschinski: Man macht immer wieder Fehler, das ist keine Frage. Ich darf an eins erinnern: Wir haben zwei Banken aus einer Notlage übernommen, wie die Sachsen LB.
Deutschlandradio Kultur: Nur sind Sie nicht die heiligen Samariter, die das aus Nettigkeit gemacht haben.
Siegfried Jaschinski: Nein, wir haben es nicht aus Nettigkeit getan. Wir haben es getan, weil ein Zusammenbruch der Bank, und ich war ja wirklich in diesen Verhandlungen alleine und in diesen Nächten zuwege, uns selber und der gesamten Finanzwirtschaft im zweiten Schritt erheblich höhere Verluste gebracht hätte.
Aber das heißt ja nicht, dass wir die Dinge dann bei der Sachsen LB verursacht haben. Und wir haben sie in den Büchern, weil wir im Grunde genommen auch in einem ganz rationalen Kalkül gesagt haben: Das ist das kleinere Übel, verglichen zu dem Fall, dass diese Bank - im Grunde genommen - insolvent geworden wäre.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben keine Fehler gemacht?
Siegfried Jaschinski: Das habe ich nicht gesagt. Wir haben auch Fehler gemacht. Ich kann Ihnen auch sagen, welche zum Beispiel.
Bei der Landesbank Rheinland-Pfalz zum Beispiel, die haben wir schon 2005 übernommen, wo jetzt auch ein großer Teil unserer Verluste herkommt, deswegen, weil diese Bank nicht viel eigenes Geschäft hatte, also keine eigenen Kunden in Rheinland-Pfalz, sondern sehr viel in Banken und Staaten investiert hat. Und Staaten, das weiß man jetzt mit Island und Lehman, und Banken sind problematisch. Noch mal forcierter hätte man im Grunde genommen umstrukturieren müssen.
Wir waren zwar ein wenig an vertragliche Situationen gebunden, aber hier wäre es - im Nachhinein gar keine Frage - wichtiger gewesen, das Tempo noch massiv zu beschleunigen, so dass wir vor der Finanzmarktkrise die Bank schon so umgedreht hätten, wie wir sie schon bei der BW-Bank im Grunde genommen umgedreht hatten.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt sind Sie ja nicht nur Chef der Landesbank Baden-Württemberg, sondern auch Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands. Wäre es jetzt nicht einfach an der Zeit, wo alle Leute unsicher sich fühlen, nicht so genau wissen, was da eigentlich noch schlummert, dass man jetzt mal Kassensturz macht, dass man alle Karten auf den Tisch legt und sagt: So ist es, die Milliarden sind weg. Da fangen wir neu an. Punkt.
Siegfried Jaschinski: Ich glaube, das ist immer wünschenswert. Das Problem ist nur, man sieht es an der City-Bank, die jetzt noch kürzlich noch mal eine Garantie der Federal Reserve von 300 Milliarden bekommen hat, die vorher schon 40, 50, 60 Milliarden abgeschrieben hat.
Man hat es mit Produkten zu tun - und ich glaube, das ist einfach die Krux an der ganzen Geschichte -, die in nicht existierenden Märkten Preise entwickeln, die letztendlich die Bankbilanzen und die Verluste bestimmen. Solange Preise man nicht versucht in den Griff zu bekommen oder Märkte zum Funktionieren bringt, haben Sie eigentlich bis Sie auf null kommen gar keine große Chance, sich hier zu positionieren.
Es ist eine Abhilfe geschaffen worden, wie Sie wissen. Allerdings sind hier noch die Schritte weiter zu vollziehen. Man hat ja den Stand vom 30.6. festgeschrieben. Soweit ich die Verhältnisse überschaue, ist auch eine Beruhigung eingetreten. Die neuen Themen, die gekommen sind, sind sicherlich mit Lehman dann noch mal letztendlich auch teilweise mit Ausfallrisiken verbunden gewesen, die sich dort noch auf solche Themenfelder aufsummiert haben.
Deutschlandradio Kultur: Ich glaube ja nur, dass das kleine Mitglied der Sparkasse eigentlich gerne wissen möchte, ob in einem halben Jahr Herr Jaschinski wiederkommt und sagt, wir brauchen von der LBBW noch mal fünf Milliarden, und das wird dann wieder irgendwie teurer für die Steuerzahler, oder ob Sie die Sicherheit geben können, das ist jetzt die einmalige Aktion gewesen. Wenn das klappt, ist es gut. Dann kommen wir wieder in ruhiges Fahrwasser.
Siegfried Jaschinski: Ja. Ich glaube, noch mal: Wir wären nicht zum Sparkassenkunden oder zum Vorstand gegangen, wenn wir nicht eine Finanzmarktkrise hätten. Wir haben genug Kapital für normale Zeiten. Wir wollen Kapital haben für schlechte Zeiten, die wir kommen sehen. Das ist im Grunde genommen ein Thema.
Was ich heute noch nicht weiß: wie viele Zulieferer umfallen werden. Wir hoffen, dass wir allen oder vielen helfen können.
Deutschlandradio Kultur: Herr Dr. Jaschinski, abschließend: Es sind die Zeiten der Finanzkrise, es sind aber auch Zeiten der Demut. Es geben sich einige Autobauer in USA relativ devot. CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich in den vergangenen Tagen vor dem Landtag entschuldigt. Haben Sie in den letzten Wochen irgendeine Entscheidung bereut, die Sie möglicherweise in der vergangenen Zeit, in den vergangenen Jahren getroffen haben?
Siegfried Jaschinski: Ich glaube, es ist gar keine Frage, dass man Fehler gemacht hat, dass man auch Entwicklungen falsch eingeschätzt hat, die sich dann auch in diesem Ausmaße niedergeschlagen haben, wie wir das im Moment sehen. Und es ist nicht alles höhere Gewalt. Dafür sind wir in einer besonderen Verantwortung. Und dieser Verantwortung müssen wir uns auch stellen und müssen dann auch klar sagen, dass wir auch aus Entwicklungen, aus Fehlern zu lernen haben.
Nicht umsonst werden ja jetzt Bankbilanzen umgestellt. Nicht umsonst sagen wir ja jetzt, dass wir sogenanntes Kreditersatzgeschäft letztendlich komplett abbauen, was für die Bank auch 95 Milliarden sind. Ich meine, man bräuchte das ja nicht zu tun, wenn alles richtig gewesen wäre. Insofern haben Sie recht. Es ist richtig, man muss Rückschau halten, man muss halten, man muss sehen, was ist passiert, wie weit war man auch dafür mit verantwortlich, in diesen Dingen tätig zu sein, und auch die Konsequenzen daraus ziehen. Das ist richtig.
Deutschlandradio Kultur: Auch persönliche?
Siegfried Jaschinski: Man muss sich auch fragen: Ist man noch der richtige Mann am richten Platz zur richtigen Zeit? Das ist ja mal eine Schlagzeile der "Zeit" gewesen. Ich stelle mir immer wieder die Frage, das ist gar kein Thema.
Deutschlandradio Kultur: Uns interessiert die Antwort.
Siegfried Jaschinski: Die sollen Sie auch gerne hören. Ich glaube, die Finanzmarktkrise - offen gesprochen - ist nicht das schwierigste Problem, was, glaube ich, vor uns liegt. Das schwierigste Problem, was vor uns liegt, sind die Themen, die sich jetzt mit einer weltweiten Wirtschaftskrise vollziehen. Und solange, wie gesagt, man gebraucht wird, Verantwortung zu übernehmen, will ich mich nicht einer solchen Verantwortung entziehen.
Deutschlandradio Kultur: Dr. Jaschinski, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.
Siegfried Jaschinski: Man muss sehen, wofür sind denn fünf Milliarden Kapitalerhöhung gedacht. Wenn wir heute normale Zeiten hätten ohne Finanzmarktkrise, würden wir überhaupt gar keine Kapitalerhöhung machen. Wir machen die Kapitalerhöhung, weil wir uns in schwere Zeiten hineinbewegen.
Wir erwarten einen Wirtschaftsabschwung im nächsten Jahr, wo sich ja auch die Prognosen überschlagen. Und wir sind in einem Land in Baden-Württemberg mit sehr, sehr vielen exportabhängigen Unternehmen - Automobilindustrie, Zulieferindustrie, Maschinenbau -, wo wir heute zum ersten Mal feststellen, dass weltweit alle Märkte einbrechen.
Deutschlandradio Kultur: Dass externe Prüfer jetzt zu Ihnen ins Haus kommen, ist doch ungewöhnlich.
Das könnte man ja auch als Misstrauensvotum Ihrer Person gegenüber verstehen. Herr Oettinger hatte das jüngst in der Plenarsitzung so angekündigt. Ich weiß nicht, ob das im Vorfeld mit Ihnen abgesprochen war.
Siegfried Jaschinski: Ich komme gleich auf diese Frage, aber ich glaube, es ist sinnvoll, wenn man sie in den Kontext hinein nimmt. Das heißt, diese fünf Milliarden sind dafür da, dass wir für künftige Risiken, die aus unseren Mittelstandsunternehmen kommen, auch gewappnet sind. Daraufhin werden ja fast alle Banken weltweit auf eine solche höhere Eigenkapitalquote eingestellt.
Die zweite Frage, die Sie gestellt haben, bezieht sich ja auf den Prozess. Wie kommt man dazu, für eine öffentliche Bank eine Kapitalerhöhung der nicht ganz kleinen Größenordnung von fünf Milliarden zu unternehmen, zu beschließen?
Hier ist es doch selbstverständlich, dass man in einem Kontext, wo viele Landesbanken, private Banken, fast alle Banken mit Problemen in der Finanzmarktkrise kämpfen, wo sich die Nachrichten überschlagen, wo wir eine Bank sind, die mit öffentlichen Trägern natürlich auch rückgebunden ist in die Öffentlichkeit hinein, ob das die Stadt Stuttgart, ob das das Parlament in Baden-Württemberg ist, einfache eine entsprechende Bestätigung haben möchte, die auch nach draußen vertretbar ist.
Um das auch gleich zu beantworten, das war direkt auch in unserem Interesse, dass dieses getan wird. Denn man muss sehen, es ist eine Prüfung der Risiken, die unser normaler Wirtschaftsprüfer in einem Zwischenprüfungsgutachten macht.
Ich habe eine ähnliche Situation schon einmal erlebt, als ich hier die Führung der Bank übernommen habe und ich Erwin Teufel sagen musste in den ersten Tagen nach Amtsübernahme, dass es technisch nicht mehr möglich ist, die BW-Bank als eine eigenständige Bank zu führen, dass sie in die LBBW zu integrieren sei, weil wir einfach nicht die IT-Systeme verdoppeln konnten. Auch da hat Erwin Teufel gesagt, das möchte ich noch mal durch Prüfer bestätigt bekommen. Ich glaube, in diesem öffentlichen Raum ist das ganz normal.
Deutschlandradio Kultur: Aber jetzt, an der Stelle, in der sensiblen Phase, in der wir uns nun mal alle befinden, klingt die Botschaft etwas unsicher. Herr Oettinger sagte zum Beispiel, er möchte mit Ihnen zusammenarbeiten, bis Licht am Ende des Tunnels für die Finanzwirtschaft zu sehen ist. Das heißt, Sie sind eigentlich ein Kandidat auf Abruf, oder?
Siegfried Jaschinski: Das habe ich so nicht verstanden. Auch meine Meinung zur Frage der Prüfer ist, der Vorstand wird dadurch eher geschützt. Wir haben heute Ereignisse, mit denen wir zurechtzukommen haben, wie den Zusammenbruch von Lehman, mit dem keiner gerechnet hat. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob im Januar irgendeine andere Bank zusammenbricht. Und wenn in der Zwischenzeit Prüfer einen Status quo feststellen und das nach außen kommunizieren, halte ich das für eine sehr gute und auch den Vorstand schützende Funktion. Insofern unterstützt der Vorstand auch diese Vorgehensweise.
Deutschlandradio Kultur: Das Misstrauen ist aber gesät, wenn ich das mal so sagen darf. Bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft sind jüngst mehrere Strafanzeigen von Bürgern eingegangen, die vermuten, dass die jüngsten Verluste Ihrer Landesbank, der Landesbank Baden-Württemberg, auch auf kriminelle Handlungen zurückzuführen sind. Die Staatsanwaltschaft prüft zunächst. Das ist zu differenzieren. Sind diese Vorwürfe der Bürger völlig aus der Luft gegriffen oder sind das ein paar Spinner?
Siegfried Jaschinski: Ich würde mal sagen, das ist ein völlig normaler Vorgang bei öffentlichen Banken, wenn da Verluste sind, das ist nicht nur hier, das ist überall, gibt es Personen, die dieses auf diese Art und Weise nachgeprüft haben wollen. Aber es gibt keinen Vorgang, der diese Bank oder auch eine private Bank in ähnlicher Thematik betrifft, die im Prinzip Rückschlüsse darauf zulässt, dass hier ähnliche Themen eine Rolle spielen. Das ist ein normaler Vorgang, mit dem wir leider auch leben müssen.
Deutschlandradio Kultur: Wir müssen sowieso ein bisschen umlernen. Vor kurzer Zeit haben wir noch gelernt, dass die LBBW die Musterbank unter den Landesbanken ist. Jetzt erfahren wir, dass es da möglicherweise genauso viele faule Kredite gibt, wie bei anderen Landesbanken auch oder zumindest in ähnlicher Größenordnung. Was ist tatsächlich in den letzten Monaten schief gelaufen? Was hätte so einem Bankmanagement nicht passieren dürfen? Könne Sie das heute schon bilanzieren?
Siegfried Jaschinski: Also, es gibt mir ja die Chance, das Bild ein wenig zu korrigieren und vielleicht doch die Stärke der LBBW, insbesondere in ihrem Geschäftsmodell, in ihren Filialen, in ihrem Bezug zum Mittelstand, zu Privatkunden etwas deutlicher zu machen.
Was ist passiert? Wir haben den 15. September erlebt. Der 15. September war der Zusammenbruch von Lehman Brothers, der der ganzen Welt eigentlich diese schreckliche Entwicklung beschert hat, und im Grunde genommen auch von Professor Axel Weber der Bundesbank als eine für nicht möglich gehaltene Situation im Grunde genommen kommentiert hat.
Hier haben wir erste Verluste erlitten. Dann war das Thema der Islandbanken. Da muss man sehen, die Banken waren sehr gesunde Banken. Es waren nicht Banken, die nur in Island waren, zum kleinsten Teil, so ähnlich wie Schweizer Banken nur zu einem kleinen Teil in der Schweiz tätig sind.
Aber die weltweite Liquiditätsknappheit hat dazu geführt, dass große Länder im Grunde alle getestet wurden, ob sie noch genügend Devisen haben. Manche, wie Ungarn, wurden vom IWF gerettet, kleinere Länder in dem Maße nicht. Und diese kleineren Länder konnten die Banken nicht mehr stützen.
Also, wir haben relativ klare Risiken, mit denen wir leider zurechtkommen müssen. Bei uns sind nicht das Thema im Grunde genommen irgendwelche Spekulationen in größerem Ausmaß in den USA oder sonst wo.
Eine weitere Komponente sollte man auch nicht vergessen. Wir sind bei der Landesbankkonsolidierung diejenigen, die jetzt zwei Landesbanken, eine wie die Sachsen LB, gerettet haben auch vor Wirkungen, die Lehman im Grunde genommen in Amerika ausgeübt hätte. Auch hier hätte ein Zusammenbruch verheerende Wirkungen gehabt. Hier haben wir auch Risiken auf die Bücher genommen.
Wir haben eine kleine Landesbank Rheinland-Pfalz auf die Bücher nehmen müssen, um hier auch komplett die Bank neu zu strukturieren. Wenn ich unsere ganzen Verluste mal nehme, die wir aus der Finanzmarktkrise erlitten haben, kamen über zwei Drittel aus diesen beiden Banken.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt dennoch ein seltsames Phänomen, zumindest kann man das nachlesen, dass nämlich private Banken, was diese Risikogeschäfte angeht, geringere Risiken eingegangen sind als Landesbanken, die eigentlich ja auch Steuergelder mit zu verantworten haben. Wie kommt das? Wie kommt es, dass Landesbanken - ich weiß nicht genau, ob es auch Ihre war - stärker in diese Risikobereiche in den letzten Jahren hineingegangen sind?
Siegfried Jaschinski: Ich fürchte, dass dieser Eindruck nicht richtig ist. Ich fürchte, dass öffentliche Banken durch die stärkere öffentliche Diskussion stärker die Schlagzeilen beherrschen als private Banken. Aber wenn Sie sich beispielsweise die Verluste - selbst bei deutschen Banken - vergegenwärtigen, die in den ersten neun Monaten, weil die Zahlen dafür vorliegen, des Jahres 2008 angelaufen sind gegenüber 2007 und sich nur die Differenz anschauen, dann werden Sie feststellen, dass selbst die Landesbanken gar nicht die größten Verluste gehabt haben.
Wenn ich in die internationale Landschaft hineinschaue - gehen Sie mal nach UBS, gehen Sie nach Royal Bank of Scottland, schauen Sie sich mal die City Corp an -, würde ich mal sagen, sind zwar die Dinge hier etwas stärker emotionalisiert und diskutiert, aber im Vergleich ist sogar die IKB mit weitem Abstand die größte Privatbank, die in Deutschland eigentlich auch die stärksten Verluste eingefahren hat - bis heute.
Deutschlandradio Kultur: Sie bekommen fünf Milliarden Kapitalspritze demnächst. Bis jetzt ist noch nicht hundertprozentig geklärt, ob Ihre Träger - welche da sind: das Land, die Stadt Stuttgart und die beiden regionalen Sparkassenverbände - sozusagen aus dem Inneren selber das bezahlen oder ob nicht doch der Rettungsschirm des Bundes greift. Was wäre Ihnen denn lieber? Wäre Ihnen lieber, wenn Berlin hier mit einsteigt?
Siegfried Jaschinski: Es gibt eine klare Willensbekundung aller unserer Träger, in einer Punkteerklärung - glaube ich - durchaus publizitätsträchtig verkündet worden, die den Willen aller Träger zum Ausdruck bringt, dass sie selber diese Kapitalerhöhung durchführen wollen.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie, was möchten Sie? Die Träger, ist klar.
Siegfried Jaschinski: In einem zweiten Satz möchte ich Ihnen gerne dieses auch beantworten. Es ist nicht die Frage, was ich will, sondern was ich für die Bank relativ positiv sehe. Ich glaube, wir müssen die Situation, wie sie sich heute darstellt, so wahrnehmen, dass die Bank, neben dem Auffangen von Risiken, heute in einem Markt operiert, in dem sie selber praktisch keine Anleihen begeben kann. Kein Kunde kauft mehr Anleihen von Unternehmen, von Banken. Alle wollen nur noch Staatsanleihen haben.
Die Fragestellung ist die: Wenn unsere Träger uns Kapital geben, weiß der Partner, der mit uns auch langfristig arbeitet, das Geld bleibt tendenziell in der Bank. Die Aussagen seitens des SoFin sind ja die, dass man vorübergehend einer Bank dieses Kapital zur Verfügung stellen will. Und ich glaube, in dieser Abwägung aus Bankensicht heraus, ist es sicherlich sinnvoll, die Bank so stark und auf eigene Füße zu stellen, dass sie auch ein langfristiger Partner für die Kunden im Kapitalmarkt insbesondere ist, die sie auch braucht, um im Prinzip das Geschäft auch zu refinanzieren, was nötig ist.
Deutschlandradio Kultur: Geht es nur darum oder vielleicht auch um die Tatsache, die Ihnen möglicherweise der Ministerpräsident gesagt hat? Herr Oettinger sagt, er möchte auch gerne Herr im eigenen Haus bleiben.
Siegfried Jaschinski: Das ist vielleicht nicht eine Frage, die Sie an den Vorstand stellen müssen.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie müssen ja einen Eindruck haben, wie stark der Druck da aufgebaut wird.
Siegfried Jaschinski: Meine Thematik ist die: Wir müssen sehen, wie sich die Bank am besten entwickelt. Das schlagen wir vor unseren Eignern. Und ich glaube, ich habe dazu auch das Notwendige gesagt.
Deutschlandradio Kultur: Würde es denn Ihrer Bank dienen, würde sie sich besser weiterentwickeln können, wenn weitere Banken hinzukämen, wie beispielsweise die bayerischen Freunde, wie Ministerpräsident Günther Oettinger die möglichen Fusionsgespräche bezeichnet?
Siegfried Jaschinski: Man muss sicherlich sehen, dass wir in Deutschland generell in ein einem Konsolidierungsprozess stehen. Und ich glaube, gerade die LBBW, die jetzt die fünfte und sechste Bank integriert, ist diejenige, die am stärksten innerhalb von neun Jahren an diesem Prozess teilgenommen hat. Und es ist auch sicherlich richtig, dass auch weitere Schritte kommen werden. Auch hier gibt es eine klare Haltung auch der Träger, die ein entsprechendes Angebot in Richtung München formuliert haben.
Dass allerdings dann auch der Weg dahin mit formuliert worden ist, auch angesichts der Risiken, die wir jetzt von Sachsen und Landesbank Rheinland-Pfalz zu verarbeiten haben, die ja auch bekannt sind in Bayern oder auch in Stuttgart, dass man hier klare Regeln im Grunde genommen vereinbart, dass jeder für seine Risiken aufkommt, dass man hier über eine bestimmte Perspektive zu sprechen hat, wie ein solches Zusammenfinden möglich ist, ist - glaube ich - richtig.
Deutschlandradio Kultur: Der Standort wäre Stuttgart, hat Herr Oettinger vorgegeben.
Siegfried Jaschinski: Das sind, wie gesagt, auch Fragestellungen, die dann stärker die Eigner und die Positionen von Eignern betreffen, als das im Moment eigentlich auch die direkte Führung der LBBW betrifft.
Deutschlandradio Kultur: Was ich aber nicht so richtig verstehe: Eigentlich geht es doch um ein konsequentes Geschäftsmodell, das erfolgreich ist - nicht unbedingt um die Größe. Man könnte ja auch sagen: small is beautiful, und fertig. Also, warum muss man unbedingt fusionieren?
Siegfried Jaschinski: Beides ist ja richtig. Das Geschäftsmodell steht an erster Stelle. Und ich glaube, das ist ja heute etwas, was die LBBW mit der BW-Bank oder der neuen Sachsen-Bank und der neuen Rheinland-Pfalz-Bank auszeichnet, dass sie als einzige von den Landesbanken im Mittelstands- und Privatkundengeschäft hier auch aus der Historie heraus Wurzeln gefasst und auch expandieren kann.
Auf der anderen Seite ist es so, das sehen wir auch heute, die Kosten, um wettbewerbsfähig zu sein - über das Auslandsnetz, über Investitionen ins Kapitalmarktgeschäft, IT-Investitionen, die Steuerungsnotwendigkeiten einer solchen Bank, die Komplexitäten werden so prohibitiv teuer, dass hier einfach ein Druck zur Größe da ist. Das führt ja auch dazu, dass eine DZ-Bank mit einer WGZ zusammenkommt. Da könnte man ja auch in Düsseldorf sagen, small is beautiful, oder auch, wenn eine Commerzbank mit der Dresdner zusammenzugehen hat.
Wir unterstehen einem Wettbewerb und dieser Wettbewerb führt letztendlich auch zu solchen Zwängen. Allerdings ist in der Priorisierung klar, dass das Geschäftsmodell, die langfristige - ich sage mal - betriebswirtschaftliche Berechenbarkeit einer Bank natürlich das Wichtigste ist. Und gerade zeigt sich auch in diesen Tagen, dass man von dieser Priorität auch nicht abrücken darf.
Deutschlandradio Kultur: Dann müssen Sie mir mal erklären, warum Landesbanken mit steuerlichen Geldern eigentlich in Bereiche gehen, die eigentlich den privaten Instituten originär zugerechnet werden müssen - Aktiengeschäfte. Sie haben mal gesagt, die Landsbank Baden-Württemberg vergleicht sich beispielsweise mit der Commerzbank im Bereich der Aktiengeschäfte. Warum überlassen Sie das nicht diesen privaten Banken und Sie konzentrieren sich auf das, um was es geht, im Land für den Mittelstand und für die Sparkassen zu sorgen?
Siegfried Jaschinski: Erst mal geht es ja um ein Selbstverständnis der Bank. Was braucht ein Mittelstand? Ein Mittelstand heute, wie er sich so positioniert hat, ist international. Wir müssen ihm im Ausland mit entsprechenden Linien, mit entsprechender Betreuung zur Verfügung stehen. Das tun wir besser als fast alle Privatbanken über deutsche Häuser, über ein entsprechend zugeschnittenes Auslandsnetz.
Der Mittelstand braucht Eigenkapital. Deswegen sind wir fast die einzige deutsche Bank - bezogen auf die Großbanken -, die auch mit Private Equity, das heißt, mit privatem Beteiligungskapital, gerade auch in Baden-Württemberg dem Mittelstand zur Verfügung steht.
Deutschlandradio Kultur: Steht das Geld jetzt immer noch dem Mittelstand zur Verfügung bis zur Stunde?
Siegfried Jaschinski: Das steht immer noch zur Verfügung. Wir machen permanente Prüfungen. Wir haben in der letzten Vorstandssitzung wieder über eine Beteiligung entschieden. Das ist ein fortlaufender Prozess. Das ist jetzt mit Töpfen, die wir für Baden-Württemberg haben, teilweise für Sachsen und für Rheinland-Pfalz haben.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wenn jetzt der Autozulieferer, der möglicherweise - bedingt durch die Krise - zu Ihnen kommt und sagt, wir müssen das nächste Jahr in irgendeiner Form überbrücken, der bekommt Geld?
Siegfried Jaschinski: In dieser Einfachheit kann ich wahrscheinlich keinen Kredit unterschreiben. Wir gehen alle diese Themen an. Wir prüfen die Situation. Und ich fürchte, da es nicht nur ein Autozulieferer ist, sondern sehr, sehr viele, die auf uns zukommen. Zumindest wenn ich mir zumindest vor Augen halte, dass überall die Kapazitäten von den Autoproduzenten gesenkt werden, dann wird sich das bei den Zulieferern im Prinzip niederschlagen. Dann werden wir uns mit dem Problem befassen auch vor dem Hintergrund, dass wir zurzeit der größte Kreditgeber in Baden-Württemberg sind. Und Automobilzulieferung ist ein Herzstück baden-württembergischer Industrie.
Deutschlandradio Kultur: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass vielleicht auch Daimler irgendwann mal an der Tür steht und nicht mehr kann? Oettinger hat auch in dieser Richtung schon entsprechende Andeutungen gemacht, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass das Land eventuell auch in diesem Fall einsteigt.
Siegfried Jaschinski: Also, ich glaube, wir haben eine schwierige Zeit vor uns. Und bei den meisten Unternehmen sind wir vom Kreditengagement, manchmal auch vom Eigenkapital hier in Baden-Württemberg engagiert. Sonst wären wir nicht der größte Kreditgeber. Es ist unsere Pflicht und wir werden uns dem auch nicht entziehen und das auch fördern in dieser schwierigen Phase, wo weltweit Absatzeinbrüche bisher nicht gekannten Ausmaßes sich vollziehen, uns da zu positionieren.
Und es ist das Interesse der Bank, die hier im Prinzip ihre Wurzeln hat, diesen Menschen zu helfen und damit natürlich auch zu versuchen, den Unternehmen in dieser schwierigen Phase beizustehen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem sind Sie im Moment nicht so richtig gesund. Sie haben zumindest noch Risikoprodukte in Ihrer Bank, die möglicherweise in nächster Zukunft Schwierigkeiten machen. Jetzt gibt es beispielsweise die HSH-Nordbank. Die will diese Produkte rausnehmen und sagt: Man könnte das in so genannte Bad-Banks auslagern. Dann hätten wir das nicht mehr in der Bilanz drin und könnten eigentlich wieder ordentlich arbeiten.
Sind solche Vorstellungen auch hier in Stuttgart en vogue? Wird das überlegt, dass man sagt, wir müssen eigentlich versuchen, wieder gut ins Geschäft zu kommen und müssen Teile einfach auslagern?
Siegfried Jaschinski: Ich glaube, die Risikolage ist für jede Bank anders. Jede hat auch andere Themenfelder. Unsere Hauptthemenfelder - noch rückblickend aus der Finanzmarktkrise - sind im Grunde genommen nicht solche Portfolien, sind letztendlich Investitionen in Staatsanleihen und in Finanzinstitute. Unsere Verluste, die größten Teile, kommen daher, dass heute ein Land wie Italien im Grunde genommen Kreditrisikoprämien zahlen muss von 100 Basispunkten oder Irland mit 200 Basispunkten. Da kommen eigentlich unsere stärksten Produkte. Die werden uns mit einer solchen Thematik nicht helfen.
Unsere Hauptthematik ist - nach vorne schauend - eigentlich gar nicht mehr so sehr das Thema Finanzmarktkrise. Unser Hauptthema ist, was wir jetzt schon in diesen Monaten mitbekommen und was uns in den nächsten beschäftigen wird: Wie werden denn die eigentlichen Fragestellungen der Unternehmen eine Rolle spielen? Denn bei der Finanzmarktkrise sind es noch immer in erster Linie Kursschwankungen, nicht Ausfälle - mit den Ausnahmen Island und Lehman. Was wir aber mit Unternehmen jetzt möglicherweise zu tun haben im nächsten Jahre, das können durchaus Ausfälle werden - und in nicht kleinem Umfang.
Damit haben wir uns zu beschäftigen. Das sind unsere größten Risiken. Ich glaube, das ist nicht das Thema der HSH-Nordbank, wenn ich die Geographie und die Geschäftsstruktur sehe.
Deutschlandradio Kultur: Aber gibt es denn Fehler aus der Vergangenheit, wo Sie sagen würden, daraus haben wir gelernt, das werden wir nicht mehr tun und in Zukunft werden wir versuchen alles zu unternehmen, dass es nie wieder passiert?
Siegfried Jaschinski: Man macht immer wieder Fehler, das ist keine Frage. Ich darf an eins erinnern: Wir haben zwei Banken aus einer Notlage übernommen, wie die Sachsen LB.
Deutschlandradio Kultur: Nur sind Sie nicht die heiligen Samariter, die das aus Nettigkeit gemacht haben.
Siegfried Jaschinski: Nein, wir haben es nicht aus Nettigkeit getan. Wir haben es getan, weil ein Zusammenbruch der Bank, und ich war ja wirklich in diesen Verhandlungen alleine und in diesen Nächten zuwege, uns selber und der gesamten Finanzwirtschaft im zweiten Schritt erheblich höhere Verluste gebracht hätte.
Aber das heißt ja nicht, dass wir die Dinge dann bei der Sachsen LB verursacht haben. Und wir haben sie in den Büchern, weil wir im Grunde genommen auch in einem ganz rationalen Kalkül gesagt haben: Das ist das kleinere Übel, verglichen zu dem Fall, dass diese Bank - im Grunde genommen - insolvent geworden wäre.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben keine Fehler gemacht?
Siegfried Jaschinski: Das habe ich nicht gesagt. Wir haben auch Fehler gemacht. Ich kann Ihnen auch sagen, welche zum Beispiel.
Bei der Landesbank Rheinland-Pfalz zum Beispiel, die haben wir schon 2005 übernommen, wo jetzt auch ein großer Teil unserer Verluste herkommt, deswegen, weil diese Bank nicht viel eigenes Geschäft hatte, also keine eigenen Kunden in Rheinland-Pfalz, sondern sehr viel in Banken und Staaten investiert hat. Und Staaten, das weiß man jetzt mit Island und Lehman, und Banken sind problematisch. Noch mal forcierter hätte man im Grunde genommen umstrukturieren müssen.
Wir waren zwar ein wenig an vertragliche Situationen gebunden, aber hier wäre es - im Nachhinein gar keine Frage - wichtiger gewesen, das Tempo noch massiv zu beschleunigen, so dass wir vor der Finanzmarktkrise die Bank schon so umgedreht hätten, wie wir sie schon bei der BW-Bank im Grunde genommen umgedreht hatten.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt sind Sie ja nicht nur Chef der Landesbank Baden-Württemberg, sondern auch Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands. Wäre es jetzt nicht einfach an der Zeit, wo alle Leute unsicher sich fühlen, nicht so genau wissen, was da eigentlich noch schlummert, dass man jetzt mal Kassensturz macht, dass man alle Karten auf den Tisch legt und sagt: So ist es, die Milliarden sind weg. Da fangen wir neu an. Punkt.
Siegfried Jaschinski: Ich glaube, das ist immer wünschenswert. Das Problem ist nur, man sieht es an der City-Bank, die jetzt noch kürzlich noch mal eine Garantie der Federal Reserve von 300 Milliarden bekommen hat, die vorher schon 40, 50, 60 Milliarden abgeschrieben hat.
Man hat es mit Produkten zu tun - und ich glaube, das ist einfach die Krux an der ganzen Geschichte -, die in nicht existierenden Märkten Preise entwickeln, die letztendlich die Bankbilanzen und die Verluste bestimmen. Solange Preise man nicht versucht in den Griff zu bekommen oder Märkte zum Funktionieren bringt, haben Sie eigentlich bis Sie auf null kommen gar keine große Chance, sich hier zu positionieren.
Es ist eine Abhilfe geschaffen worden, wie Sie wissen. Allerdings sind hier noch die Schritte weiter zu vollziehen. Man hat ja den Stand vom 30.6. festgeschrieben. Soweit ich die Verhältnisse überschaue, ist auch eine Beruhigung eingetreten. Die neuen Themen, die gekommen sind, sind sicherlich mit Lehman dann noch mal letztendlich auch teilweise mit Ausfallrisiken verbunden gewesen, die sich dort noch auf solche Themenfelder aufsummiert haben.
Deutschlandradio Kultur: Ich glaube ja nur, dass das kleine Mitglied der Sparkasse eigentlich gerne wissen möchte, ob in einem halben Jahr Herr Jaschinski wiederkommt und sagt, wir brauchen von der LBBW noch mal fünf Milliarden, und das wird dann wieder irgendwie teurer für die Steuerzahler, oder ob Sie die Sicherheit geben können, das ist jetzt die einmalige Aktion gewesen. Wenn das klappt, ist es gut. Dann kommen wir wieder in ruhiges Fahrwasser.
Siegfried Jaschinski: Ja. Ich glaube, noch mal: Wir wären nicht zum Sparkassenkunden oder zum Vorstand gegangen, wenn wir nicht eine Finanzmarktkrise hätten. Wir haben genug Kapital für normale Zeiten. Wir wollen Kapital haben für schlechte Zeiten, die wir kommen sehen. Das ist im Grunde genommen ein Thema.
Was ich heute noch nicht weiß: wie viele Zulieferer umfallen werden. Wir hoffen, dass wir allen oder vielen helfen können.
Deutschlandradio Kultur: Herr Dr. Jaschinski, abschließend: Es sind die Zeiten der Finanzkrise, es sind aber auch Zeiten der Demut. Es geben sich einige Autobauer in USA relativ devot. CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich in den vergangenen Tagen vor dem Landtag entschuldigt. Haben Sie in den letzten Wochen irgendeine Entscheidung bereut, die Sie möglicherweise in der vergangenen Zeit, in den vergangenen Jahren getroffen haben?
Siegfried Jaschinski: Ich glaube, es ist gar keine Frage, dass man Fehler gemacht hat, dass man auch Entwicklungen falsch eingeschätzt hat, die sich dann auch in diesem Ausmaße niedergeschlagen haben, wie wir das im Moment sehen. Und es ist nicht alles höhere Gewalt. Dafür sind wir in einer besonderen Verantwortung. Und dieser Verantwortung müssen wir uns auch stellen und müssen dann auch klar sagen, dass wir auch aus Entwicklungen, aus Fehlern zu lernen haben.
Nicht umsonst werden ja jetzt Bankbilanzen umgestellt. Nicht umsonst sagen wir ja jetzt, dass wir sogenanntes Kreditersatzgeschäft letztendlich komplett abbauen, was für die Bank auch 95 Milliarden sind. Ich meine, man bräuchte das ja nicht zu tun, wenn alles richtig gewesen wäre. Insofern haben Sie recht. Es ist richtig, man muss Rückschau halten, man muss halten, man muss sehen, was ist passiert, wie weit war man auch dafür mit verantwortlich, in diesen Dingen tätig zu sein, und auch die Konsequenzen daraus ziehen. Das ist richtig.
Deutschlandradio Kultur: Auch persönliche?
Siegfried Jaschinski: Man muss sich auch fragen: Ist man noch der richtige Mann am richten Platz zur richtigen Zeit? Das ist ja mal eine Schlagzeile der "Zeit" gewesen. Ich stelle mir immer wieder die Frage, das ist gar kein Thema.
Deutschlandradio Kultur: Uns interessiert die Antwort.
Siegfried Jaschinski: Die sollen Sie auch gerne hören. Ich glaube, die Finanzmarktkrise - offen gesprochen - ist nicht das schwierigste Problem, was, glaube ich, vor uns liegt. Das schwierigste Problem, was vor uns liegt, sind die Themen, die sich jetzt mit einer weltweiten Wirtschaftskrise vollziehen. Und solange, wie gesagt, man gebraucht wird, Verantwortung zu übernehmen, will ich mich nicht einer solchen Verantwortung entziehen.
Deutschlandradio Kultur: Dr. Jaschinski, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.