Lauterbach rechnet nicht mit "Bürgerprämie"
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht nicht davon aus, dass sich die "Bürgerprämie" als Krankenkassen-Versicherungsmodell durchsetzen wird. Das Modell, in das privat und gesetzlich Versicherte einzahlen sollen, wäre eine "Kopfpauschale für alle", sagte Lauterbach.
March: Für die Versicherten ist es nur schwer nachzuvollziehen, zwar haben die gesetzlichen Krankenversicherungen einen Überschuss erzielt, und trotzdem erhöhen einige von ihnen die Beiträge zum Jahreswechsel. Rund vier Millionen Menschen sind davon betroffen, als Grund werden die steigenden Arzneimittelausgaben genannt. Doch die zuständige Ministerin Ulla Schmidt beruhigt: Die Mehrheit der Kassen werde die Beiträge stabil halten. Am Telefon begrüße ich nun Professor Karl Lauterbach, er ist Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie der Universität Köln und außerdem für die SPD Mitglied des Bundestagsausschusses für Gesundheit. Guten Morgen, Herr Lauterbach.
Lauterbach: Guten Morgen.
March: Ziel der fast drei Jahre alten Gesundheitsreform war es ja, die Beiträge zu senken, nun steigen sie in einigen Fällen aber wieder. Ist das ein Beleg für das Scheitern der bisherigen Reform?
Lauterbach: Nein, die Beiträge steigen nur für eine Minderheit der Krankenkassen, etwa zehn bis fünfzehn Kassen von 260. Und das sind auch Kassen, die hohe Lasten zu tragen haben, Kassen, die viele Mitglieder verloren haben, die viele Sozialhilfeempfänger versichern, die also Einkommensschwache versichern, somit im Großen und Ganzen wirkt die Reform weiterhin in 2006. In 2007 wird es allerdings ganz anders aussehen.
March: Nach zähem Ringen einigten sich die beiden neuen Koalitionspartner CDU und SPD ja auf ein Sparpaket zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben, das am 1. April 2006 in Kraft treten soll. Wird das denn eine Entlastung für die Kassen bringen?
Lauterbach: Das bringt eine Entlastung in dem Sinne, als dass die Arzneimittelkosten nicht weiter ansteigen dürfen. Wir haben in diesem Jahr eine Zunahme der Arzneimittelkosten wahrscheinlich in der Größenordnung von 18 Prozent. Auch in den letzten Jahren sind die Arzneimittelkosten sehr stark gestiegen. Man kann davon ausgehen, in den letzten zehn Jahren sind die Arzneimittelkosten um mehr als ein Drittel gestiegen, mittlerweile deutlich höher als die Kosten für alle niedergelassenen Ärzte. Daher brauchen wir über die jetzt beschlossene Reform auch in den nächsten Jahren weitergehende Reformen im Arzneimittelmarkt, insbesondere mehr Wettbewerb.
March: Sie haben es gerade schon angesprochen, CDU und SPD haben sich ja vorgenommen, das Gesundheitssystem weiter zu reformieren, allerdings stehen sich da zwei sehr konträre Modelle gegenüber. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat nun eine Kombination dieser beiden Modelle vorgeschlagen und zwar eine Bürgerprämie, in die gesetzlich und privat Versicherte einbezogen werden sollen. Was halten Sie davon?
Lauterbach: Das sind im Prinzip Veränderungen des alten Vorschlags der CDU, eine Kopfpauschale einzuführen. Das wäre dann die Kopfpauschale für alle. Ich halte von diesen Vorschlägen nach wie vor sehr wenig. Diese Pauschalen sind zu teuer und werden von der Bevölkerung abgelehnt und sind auch zu bürokratisch. Wie wollen Sie jemandem vermitteln, wenn er geringfügig beschäftigt ist (und solche Beschäftigungsverhältnisse haben wir ja immer mehr), dass er fast die Hälfte seines Einkommens für die Kopfpauschale aufbringen muss? Er bekommt dann zwar den größten Teil später von der Steuer zurück, aber dieser Steuerzuschuss ist unsicher, und viele werden sich dann für Schwarzarbeit entscheiden. Es ist auch in der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass zuerst die Einkommensschwachen deutlich mehr zahlen als sie eigentlich müssen, um dann einen Teil dieses Geldes bürokratisch zurückzubekommen. Also weshalb sollte man dann nicht von vornherein einkommensabhängig Beiträge erheben? Derjenige, der wenig verdient, bezahlt auch wenig von Anfang an und bezahlt nicht mehr als er muss, um dann den Rest wieder zurückzubekommen.
March: Das heißt, das ist jetzt ein Kompromissvorschlag für den Papierkorb, weil die SPD sowieso nicht zustimmen wird?
Lauterbach: Diesen Vorschlag, glaube ich, wird wahrscheinlich die CDU gar nicht machen. Das ist ja ein wissenschaftlicher Vorschlag, der übrigens in dieser Form auch schon also vor zwei Jahren einmal gemacht worden ist und damals auch nicht aufgegriffen wurde. Wir brauchen Vorschläge, die dieses bewährte Prinzip, dass also Beiträge einkommensabhängig sind, dieses bewährte Prinzip, was von 80 Prozent der Bevölkerung getragen wird, nicht aufgibt. Und dann muss man schauen: Wie viel Steuermittel haben wir, können wir es uns zum Beispiel leisten, was ja jetzt auch Herr Zöller von der CSU vorgeschlagen hat, dem stimme ich ohne wenn und aber zu, können wir es uns leisten, die Versorgung der Kinder durch die Steuer abzusichern.
March: Das heißt, das halten Sie für sinnvoll. Wo verlaufen denn die anderen Kompromisslinien, wo könnten SPD und CDU tatsächlich zusammenkommen und das bis Sommer 2006?
Lauterbach: Man darf nicht zu viel über die Kompromisse jetzt spekulieren, aber es gibt zwei Grundprobleme, die müssen gelöst werden. Und zwar ist das eine: Die gesetzliche Krankenversicherung verliert immer mehr Mitglieder - und zwar gut verdienende - an die privaten Krankenversicherungen; und diejenigen, die nicht so gut verdienen, verliert sie zum Teil auch noch an Teilzeitbeschäftigung oder geringfügige Beschäftigung. Der normale gut verdienende Vollzeitjob geht mehr und mehr verloren. Das muss gestoppt werden, indem insbesondere die Abwanderung in die privaten Krankenversicherungen der guten Risiken, das muss gebremst werden. Das ist nicht die Bürgerversicherung, sondern nur die Herstellung eines Gleichgewichts. Im Moment verliert die gesetzliche Krankenversicherung ihre besten Mitglieder, und das kostet zwei bis drei Millairden Euro an Deckungsbeitrag, also an Einkommen pro Jahr. Zweite Probleme müssen mehr Steuermittel ins System bringen, denn nur durch mehr Steuermittel im System lässt sich die Belastung für den Faktor Arbeit reduzieren. Daher sind das zwei Grundlinien für einen Kompromiss, die glaube ich auch von der CDU getragen werden.
Lauterbach: Guten Morgen.
March: Ziel der fast drei Jahre alten Gesundheitsreform war es ja, die Beiträge zu senken, nun steigen sie in einigen Fällen aber wieder. Ist das ein Beleg für das Scheitern der bisherigen Reform?
Lauterbach: Nein, die Beiträge steigen nur für eine Minderheit der Krankenkassen, etwa zehn bis fünfzehn Kassen von 260. Und das sind auch Kassen, die hohe Lasten zu tragen haben, Kassen, die viele Mitglieder verloren haben, die viele Sozialhilfeempfänger versichern, die also Einkommensschwache versichern, somit im Großen und Ganzen wirkt die Reform weiterhin in 2006. In 2007 wird es allerdings ganz anders aussehen.
March: Nach zähem Ringen einigten sich die beiden neuen Koalitionspartner CDU und SPD ja auf ein Sparpaket zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben, das am 1. April 2006 in Kraft treten soll. Wird das denn eine Entlastung für die Kassen bringen?
Lauterbach: Das bringt eine Entlastung in dem Sinne, als dass die Arzneimittelkosten nicht weiter ansteigen dürfen. Wir haben in diesem Jahr eine Zunahme der Arzneimittelkosten wahrscheinlich in der Größenordnung von 18 Prozent. Auch in den letzten Jahren sind die Arzneimittelkosten sehr stark gestiegen. Man kann davon ausgehen, in den letzten zehn Jahren sind die Arzneimittelkosten um mehr als ein Drittel gestiegen, mittlerweile deutlich höher als die Kosten für alle niedergelassenen Ärzte. Daher brauchen wir über die jetzt beschlossene Reform auch in den nächsten Jahren weitergehende Reformen im Arzneimittelmarkt, insbesondere mehr Wettbewerb.
March: Sie haben es gerade schon angesprochen, CDU und SPD haben sich ja vorgenommen, das Gesundheitssystem weiter zu reformieren, allerdings stehen sich da zwei sehr konträre Modelle gegenüber. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat nun eine Kombination dieser beiden Modelle vorgeschlagen und zwar eine Bürgerprämie, in die gesetzlich und privat Versicherte einbezogen werden sollen. Was halten Sie davon?
Lauterbach: Das sind im Prinzip Veränderungen des alten Vorschlags der CDU, eine Kopfpauschale einzuführen. Das wäre dann die Kopfpauschale für alle. Ich halte von diesen Vorschlägen nach wie vor sehr wenig. Diese Pauschalen sind zu teuer und werden von der Bevölkerung abgelehnt und sind auch zu bürokratisch. Wie wollen Sie jemandem vermitteln, wenn er geringfügig beschäftigt ist (und solche Beschäftigungsverhältnisse haben wir ja immer mehr), dass er fast die Hälfte seines Einkommens für die Kopfpauschale aufbringen muss? Er bekommt dann zwar den größten Teil später von der Steuer zurück, aber dieser Steuerzuschuss ist unsicher, und viele werden sich dann für Schwarzarbeit entscheiden. Es ist auch in der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass zuerst die Einkommensschwachen deutlich mehr zahlen als sie eigentlich müssen, um dann einen Teil dieses Geldes bürokratisch zurückzubekommen. Also weshalb sollte man dann nicht von vornherein einkommensabhängig Beiträge erheben? Derjenige, der wenig verdient, bezahlt auch wenig von Anfang an und bezahlt nicht mehr als er muss, um dann den Rest wieder zurückzubekommen.
March: Das heißt, das ist jetzt ein Kompromissvorschlag für den Papierkorb, weil die SPD sowieso nicht zustimmen wird?
Lauterbach: Diesen Vorschlag, glaube ich, wird wahrscheinlich die CDU gar nicht machen. Das ist ja ein wissenschaftlicher Vorschlag, der übrigens in dieser Form auch schon also vor zwei Jahren einmal gemacht worden ist und damals auch nicht aufgegriffen wurde. Wir brauchen Vorschläge, die dieses bewährte Prinzip, dass also Beiträge einkommensabhängig sind, dieses bewährte Prinzip, was von 80 Prozent der Bevölkerung getragen wird, nicht aufgibt. Und dann muss man schauen: Wie viel Steuermittel haben wir, können wir es uns zum Beispiel leisten, was ja jetzt auch Herr Zöller von der CSU vorgeschlagen hat, dem stimme ich ohne wenn und aber zu, können wir es uns leisten, die Versorgung der Kinder durch die Steuer abzusichern.
March: Das heißt, das halten Sie für sinnvoll. Wo verlaufen denn die anderen Kompromisslinien, wo könnten SPD und CDU tatsächlich zusammenkommen und das bis Sommer 2006?
Lauterbach: Man darf nicht zu viel über die Kompromisse jetzt spekulieren, aber es gibt zwei Grundprobleme, die müssen gelöst werden. Und zwar ist das eine: Die gesetzliche Krankenversicherung verliert immer mehr Mitglieder - und zwar gut verdienende - an die privaten Krankenversicherungen; und diejenigen, die nicht so gut verdienen, verliert sie zum Teil auch noch an Teilzeitbeschäftigung oder geringfügige Beschäftigung. Der normale gut verdienende Vollzeitjob geht mehr und mehr verloren. Das muss gestoppt werden, indem insbesondere die Abwanderung in die privaten Krankenversicherungen der guten Risiken, das muss gebremst werden. Das ist nicht die Bürgerversicherung, sondern nur die Herstellung eines Gleichgewichts. Im Moment verliert die gesetzliche Krankenversicherung ihre besten Mitglieder, und das kostet zwei bis drei Millairden Euro an Deckungsbeitrag, also an Einkommen pro Jahr. Zweite Probleme müssen mehr Steuermittel ins System bringen, denn nur durch mehr Steuermittel im System lässt sich die Belastung für den Faktor Arbeit reduzieren. Daher sind das zwei Grundlinien für einen Kompromiss, die glaube ich auch von der CDU getragen werden.