Laure Adler: "Charlotte Perriand"

Eine Designerin der Extraklasse

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Cover von Laure Adler: "Charlotte Perriand. Ihr Leben als moderne und unabhängige Frau" vor Aquarell-Hintergrund
Schon mit 24 Jahren sorgte Charlotte Perriand auf der Pariser Herbstausstellung 1927 für Furore. © Cover: Elisabeth Sandmann Verlag / Collage: Deutschlandradio
Von Eva Hepper · 24.04.2020
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Obwohl Charlotte Perriand zu den innovativsten Designerinnen des 20. Jahrhunderts zählt und zahlreiche ihrer Entwürfe in den von Le Corbusiers gebauten Häusern stehen, ist sie selbst weitgehend unbekannt. Der prächtige Bildband von Laure Adler soll das jetzt ändern.
Charlotte Perriand war gerade einmal 24 Jahre alt, als sie mit dem Entwurf ihrer "Bar sous le toit" (Bar unterm Dach) auf der Pariser Herbstausstellung 1927 für Furore sorgte. Geplant hatte sie das Ensemble aus Tresen, Barhockern, Tischchen und Sesseln auf kleinster Fläche direkt unter einer Dachschräge.
Das Besondere war nicht nur die Örtlichkeit, sondern auch das zum Einsatz kommende Material: Stahlrohr für die Sitzmöbel und blitzendes Aluminium für die Frontseite des Tresens. Solch ein Barkonzept hatte man bis dato noch nicht gesehen. Und schon gar nicht von einer Frau!

Ikonisches Design

Tatsächlich gehörte Charlotte Perriand bereits Ende der 1920er Jahre zur Design-Avantgarde. Der Bar-Entwurf hatte der jungen Pariserin den Weg in das Atelier des damals schon berühmten Architekten Le Corbusier geebnet. Seit 1928 gehörte sie zum engsten Kreis des Meisters und war für zehn Jahre verantwortlich für die Innenausstattung seiner Bauten.
Viele der ikonisch gewordenen Sessel - etwa die legendäre Chaiselongue - gehen ganz oder teilweise auf ihr Konto. Vermarktet aber wurden sie unter seinem Namen, und so geriet ihrer fast in Vergessenheit. Der üppige Bildband der französischen Journalistin Laure Adler macht es nun möglich, die außergewöhnliche Designerin wieder und neu zu entdecken.

Eigene Wege gehen - als Künstlerin und Frau

Laure Adler erzählt in drei langen thematischen Kapiteln von der "Gestalterin", der "freien Frau" und der "Visionärin". Von Beginn an ging Charlotte Perriand, deren Leben fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannte (1903-1999), ihren eigenen Weg. Er führte, wie Adler mit vielen Werkfotografien, Entwurfszeichnungen, Tagebuch- und Briefzitaten sowie hinreißenden Porträts der Bubikopf tragenden Perriand zeigt, von der Ausbildung als Innenarchitektin, ins eigene Atelier, weiter zu Le Corbusier und nach dem Bruch mit dem Architekten 1938 nach Japan, Indochina und schließlich zurück nach Paris, wo sie bis ins hohe Alter schöpferisch tätig blieb.

Ein prachtvoller Bildband

Schier unglaublich ist die Vielzahl der hier abgebildeten Werke Perriands, die vor allem an minimalen, nachhaltigen und funktionalen Lösungen für kleine und kleinste Räume forschte. Ihre Drehstühle, Ausziehtische, beliebig zu montierenden Regale, stapelbaren Möbel, ihre Küchen und cool eingerichteten Ferienapartments sind heute aktueller denn je; Stichwort "Tiny Houses".
Und auch Perriands Anspruch mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten und Design als gesellschaftliche Aufgabe zu begreifen, erscheint geradezu visionär.
Dass der Name dieser großen Designerin lange nur wenigen Eingeweihten bekannt war, schien die freigeistige und großmütige Person, als die Laure Adler Perriand porträtiert, nicht groß zu beeindrucken.
Es ging ihr nach eigener Aussage stets um die Sache selbst; ob sie fotografierte, designte, diskutierte oder reiste. Damit allerdings teilt Perriand das Schicksal anderer bedeutender schöpferischer Frauen ihrer Generation, auch das macht dieser ausgezeichnete Bildband deutlich. Er ist eine schöne, kenntnisreiche wie überfällige Würdigung!

Laure Adler: "Charlotte Perriand. Ihr Leben als moderne und unabhängige Frau!"
Übersetzt aus dem Franzsösischen von Martin Bayer
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2020
192 Seiten, 44 Euro

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