Laumann fordert Gewinnbeteiligung von Arbeitnehmern

Moderation: Ulrich Ziegler und Volker Wagener · 16.09.2006
Der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann hat für eine stärkere Beteiligung von Arbeitnehmern an Unternehmensgewinnen plädiert. Die Löhne hätten sich in der Vergangenheit bei weitem nicht so gut entwickelt wie die Erträge aus Kapital und Firmen, sagte der CDU-Politiker.
Deutschlandradio Kultur: Herr Laumann, die Große Koalition in Berlin tut sich äußerst schwer mit der geplanten Gesundheitsreform. Ein Änderungsvorschlag jagt den nächsten. Anscheinend gibt es mehr Gegner als Befürworter. Sollte man eigentlich noch mal ganz von vorne anfangen?

Karl-Josef Laumann: Ich glaube, man muss nicht noch mal von vorne anfangen, sondern diese Gesundheitsreform zeigt, wie schwer es unserem Land fällt, für die zukünftigen Kosten des Gesundheitssystems eine neue Bemessungsgrundlage zu finden. Denn der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz zahlt zurzeit das gesamte Gesundheitssystem. 26 Millionen Arbeitsplätze zahlen für 74 Millionen Leute. Da wollen wir ein Ende von machen, was vollkommen klar ist, wenn die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze wieder mehr werden sollen.

Deutschlandradio Kultur: Das ist doch die Chance für eine Große Koalition.

Laumann: Das ist eine Chance für die Große Koalition. Aber es ist trotzdem so: Wenn ein Volk seit 130 Jahren es gerecht empfindet, dass die Menschen nur nach Löhnen zahlen, ist die Frage, wie man eine neue Grundlage für den solidarischen Ausgleich findet neben den Löhnen, anscheinend in diesem Land überhaupt nicht einfach.

Deutschlandradio Kultur: Sie sagen, die Koalitionäre tun sich schwer. Kann man sich so einen Zustand leisten in so einem fortgeschrittenen Stadium? Allein die bayerische Landesregierung macht jetzt nenn jetzt noch einmal 50 Einzelkritikpunkte.


Laumann: Ja, aber ich sage Ihnen mal, es ist auf der anderen Seite auch so, dass bei dieser Gesundheitsreform sehr viel mehr an Wettbewerb geschaffen wird und sehr viel mehr an Gestaltungsmöglichkeiten für die Krankenkassen da sind, dass wir Versicherten mehr Möglichkeiten haben, unter Krankenkassen auszuwählen, unter verschiedenen Verträgen auszuwählen, dass – wenn die Krankenkassen Wettbewerb wollen, doch die Frage genehmigt sein muss, mit wem sie denn Versorgungsverträge machen. Da gibt es ja im Gesundheitswesen auch sehr leistungsfähige Strukturen, aber auch weniger leistungsfähige Strukturen. Und wenn man Wettbewerb will, finde ich das schon völlig in Ordnung, dass das so ist. Ich sage Ihnen, die Gesundheitsreform wird ihren Weg machen.

Deutschlandradio Kultur: Wann denn, wie lange wird das dauern?

Laumann: Wir haben uns auf ein Verfahren verständigt, was bedeutet, dass wir in ein normales Gesetzgebungsverfahren gehen. Das heißt, es gibt einen Kabinettsbeschluss irgendwann. Dann gibt es eine Zulassung zum Deutschen Bundestag. Dann gibt es eine erste und eine zweite Runde im Deutschen Bundesrat. Und ich glaube, ein Gesetz, was wahrscheinlich 500 Seiten umfasst und allein 200 Seiten Paragraphen hat, sollte man auch nicht im Eilverfahren machen, denn da kommt es auf handwerkliche Genauigkeit an.

Deutschlandradio Kultur: Wir waren doch schon mal weiter oder nicht?

Laumann: Nein, das waren wir nicht. Wir haben Eckpunkte. Und jetzt geht es darum, diese Eckpunkte in einen Gesetzestext zu fassen, den ich ja teilweise auch kenne. Da kann ich nur sagen, da liegen die Probleme wirklich im Detail. Aber nicht jedes Detail ist sofort eine politische Frage.

Deutschlandradio Kultur: Hand aufs Herz! War man gut vorbereitet? Ich meine, dass in diesem Stadium so viele Streitigkeiten noch entbrennen innerhalb der beiden Parteien, zwischen den Parteien...

Laumann: Nun gut, wir erleben natürlich das, was die Wahrheit ist. Die Wahrheit ist, dass wir in Berlin eine Koalition haben, die sich nicht liebt. Es ist im Grunde Feuer und Wasser zusammengekommen. Das ist natürlich völlig klar, dass das reibt an jeder Stelle. Diese Koalition hat weder die SPD gewollt, noch die Union, sondern der Wähler hat ein Wahlergebnis herbeigeführt, dass eine andere Möglichkeit gar nicht da ist.

Deutschlandradio Kultur: Das heißt, Sie haben es in Nordrhein-Westfalen leichter?

Laumann: Wir haben es leichter, weil wir eine Koalition des Vertrauens und der Freunde sind.

Deutschlandradio Kultur: Noch mal zurück auf diese Große Koalition. Peter Struck, Fraktionschef der SPD, hat bereits gesagt: "Wenn wir diese Gesundheitsreform nicht sauber in trockene Tücher demnächst bekommen, dann ist auch die Große Koalition möglicherweise gefährdet." Sehen Sie diese Gefahr?

Laumann: Ich glaube schon, dass an der Frage der Gesundheitsreform die Handlungsfähigkeit einer Regierung steht. Das ist eines der zentralen Reformvorhaben der Großen Koalition in Berlin. Aber ich sage Ihnen auch, man muss nicht jeden Unsinn machen, dass die Koalition bleibt.

Deutschlandradio Kultur: Kann es sein, dass niemand diese Reform zum jetzigen Zeitpunkt so richtig will?

Laumann: Ich will Ihnen mal eins sagen: Es ist ja so. Ich stelle mir manchmal abends, wenn ich ins Bett gehe, vor, man hätte die ganzen Akteure des Gesundheitswesens in einem Raum und wir als Politiker würden uns rausziehen und würden sagen, einigt euch mal auf die Gesundheitsreform bis morgen Früh. Da bin ich ziemlich sicher, dass am anderen Morgen in diesem Raum keiner mehr lebt. Die Wahrheit ist ja, dass der Gesundheitsbereich ein Lobbybereich ist, wie man das in keinem anderen Bereich der Politik, zumindest der Sozialpolitik, die ich ja nun seit 16 Jahren kenne, erlebt.

Deutschlandradio Kultur: Sie sind Minister in NRW für Arbeit, Gesundheit und Soziales und Vorsitzender der Sozialausschüsse der Union und Sie fordern schon seit einiger Zeit ein schärferes Profil der Partei. Was meinen Sie damit?

Laumann: Nun gut, damit meine ich ganz einfach Folgendes: Diese Große Koalition ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern sie ist das Ergebnis einer Bundestagswahl gewesen, wo die CDU nach meiner Meinung ein Profil gehabt hat, was nicht mehrheitsfähig war. Und deswegen haben wir ein Profil, was eben verändert werden muss, damit die Union wieder eine Partei wird, die deutlich über 40 % in Deutschland bekommt und damit auch die Möglichkeit hat, Politik zu gestalten ohne die SPD.

Deutschlandradio Kultur: Was heißt das denn konkret?

Laumann: Das heißt ganz konkret für mich, dass die Partei eine klassische Volkspartei werden muss, bleiben muss.

Deutschlandradio Kultur: Ist sie das nicht?

Laumann: Na, sie hat bei den letzten Wahlprogrammen – finde ich – gegen diesen Grundsatz der Volkspartei schon verstoßen. Das Programm war kalt, es war wirtschaftsliberal, es war nicht christlich-sozial. Diese Wurzel hat die Partei im letzten Bundestagswahlkampf überhaupt nicht nach außen gezeigt. Und dafür hat sie eine Quittung bekommen.

Deutschlandradio Kultur: Und ist das der Grund, warum Jürgen Rüttgers in der Sommerpause die Sozialprofildebatte angestoßen hat? Er spricht ja davon, dass es eine gefährliche Unbalance gibt zwischen dem sozialen Engagement der Partei und den wirtschaftspolitischen Aktivitäten.

Laumann: Wissen Sie, wir machen in NRW genau vor, wie man es machen muss: auf der einen Seite eine knallharte Politik für Wachstum und Beschäftigung in diesem Land, aber auf der anderen Seite die soziale Komponente dieses Landes nicht zu vergessen. Ich glaube, genau das brauchen wir. Das, was wir bei der letzten Bundestagswahl als Union serviert haben, war wirtschaftsliberal. Es war weder patriotisch, noch heimatbewusst, noch sozial.

Deutschlandradio Kultur: Aber es gibt ja noch einen Ministerpräsidenten, beispielsweise Günter Oettinger, der macht sicherlich auch eine erfolgreiche Politik in seinem Ländle. Der sagt aber etwas anderes. Der sagt, die CDU habe in der Vergangenheit zu stark Werte wie Gerechtigkeit und Solidarität betont. Jetzt sagen Sie uns mal, was gilt denn innerhalb der CDU?

Laumann: Ich kann Ihnen nur sagen, dass Herr Oettinger da ein bisschen irrt. Denn die Frage von Gerechtigkeit gehört unabdingbar zu einem christlichen Menschenbild. Die Gerechtigkeitsfrage ist im christlichen Menschenbild sogar eine der zentralen Fragen, wonach man Politik ausrichten muss. Deswegen wird sie zu einer christlichen Partei – Punkt und Ende!

Deutschlandradio Kultur: Dann irrt wahrscheinlich auch Ihr Parteifreund Josef Schlarmann. Der ist Chef der Mittelstandsvereinigung der Union. Der sagte sinngemäß: In der DDR sei Sozial- und Wirtschaftspolitik als Einheit verstanden worden. Und wenn es hierzulande so weitergehe wie bisher, seien wir auf dem Weg zu einer "DDR-Light" zu werden. Platzt Ihnen da nicht die Hutschnur?

Laumann: Da platzt mir die Hutschnur. Es ist weder sachlich, noch kompetent, was der Mann gesagt hat.

Deutschlandradio Kultur: Aber irgendwie scheint es doch einen Richtungsstreit innerhalb der CDU zu geben.

Laumann: Ach, wissen Sie, es ist so: Die CDU hat richtigerweise gesagt, dass sie über ihr Grundsatzprogramm reden will, dass sie eine breit angelegte Diskussion quer durch die Orts- und Kreisverbände über die Grundfragen von Politik machen will. Ich finde, die letzte große Grundsatzdebatte der Union ist über 30 Jahre her. Es hat zwar 1994 eine gegeben, aber die ist damals mehr aus Bonn heraus geführt worden. Es war im Grunde eine Anpassung an die deutsche Wiedervereinigung. Die letzte große Grundsatzdebatte, die wir geführt haben, ist über 30 Jahre her. Und ich bin der Meinung, seitdem ist eine ganze Generation von Menschen in die CDU eingetreten, so dass wir wirklich diese Debatte führen müssen. Eine Grundsatzdebatte hat immer einen Charme, nämlich den, dass man unterschiedliche Meinungen respektiert und dass man nicht die Frage, ob man einen Politiker gut oder schlecht findet, von der Frage ausmacht, wie er sich zu diesen Fragen äußert.

Deutschlandradio Kultur: Aber wir nehmen wahr, es ist eine sehr starke Polarisierung im Moment in der Union zu beobachten.

Laumann: Das möchte ich wirklich sehr stark bestreiten. Es ist so, dass die Union zurzeit eine Grundsatzdebatte führt, wo sich unterschiedliche Flügel der Partei melden. Aber wenn man das mal runterbricht in die Kreisverbände, ist das eine ganz andere Debatte. Da geht es darum, wie kann man eine christliche Partei der Mitte gestalten in der Welt, in der wir heute leben? Wie kriegen wir den Ausgleich hin zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und sozialpolitischen Fragen auf der anderen Seite. Wissen Sie, ich glaube, dass wir auch in einem medialen Zeitalter leben wo jede Meinungsverschiedenheit zu einem Richtungsstreit gemacht wird. Ich finde, das überzieht es dann auch ein bisschen.

Deutschlandradio Kultur: Wir können mal ein Beispiel nennen: Leipziger Parteitag 2003, keine Grundsatzdebatte, aber grundweisende Beschlüsse der Partei in Sachen Kursänderung. Sie sagen jetzt, 2003, die Beschlüsse sind heute nicht mehr gültig. Da fragen wir uns natürlich: Hat sich die Republik in den letzten drei Jahren grundlegend verändert, so dass das, was vor drei Jahren galt, überhaupt keine Bedeutung mehr hat?

Laumann: Das ist falsch, überhaupt keine Bedeutung, aber es hat sich eins grundlegend geändert: Wir haben vor einem Jahr in Berlin eine Regierung übernommen, wo wir feststellen mussten, dass die Haushaltskonsolidierung sich als ein sehr schwieriges Unterfangen vorstellt. Schröder hat ja nicht Neuwahlen gemacht, nur weil NRW verloren gegangen ist, sondern weil er haushaltspolitisch nicht mehr weiter wusste. Und die Sache, die ich mit Leipzig kritisiere, ist nur eine. Leipzig hat einen Grundgedanken. Der Grundgedanke heißt: Wir finanzieren demnächst einen notwendigen Sozialausgleich, zu dem sich die CDU auch im Leipziger Parteitag auch bekannt hat, über Steuern. Und diese Spielräume sehe ich im Staatshaushalt nicht mehr. Deswegen ist Leipzig in der Philosophie vielleicht richtig, aber in der Frage, wie man den notwendigen Sozialausgleich in einer Gesellschaft finanziert, ist Leipzig überholt. Denn dafür gibt es jetzt einfach nicht mehr die steuerlichen Reserven, weil wir sie brauchen, um eine chaotische Haushaltspolitik von Herrn Schröder und von Rot-Grün zu reparieren.

Deutschlandradio Kultur: Leipzig vollständig, Leipzig light, oder wie auch immer, die Akzente muss die Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel setzen. Mit Blick auf die Arbeit der Bundes-CDU sagt beispielsweise Stefan Mappus, der Fraktionsvorsitzende der baden-württembergischen CDU wörtlich: "Wir brauchen eine politische Führung, die die Konturen dieser Politik, der neuen Politik, deutlich betont. Ein konturloses Herumlavieren", sagt er, nach dem Motto "ja nicht anecken jedenfalls sei völlig falsch." Stimmen Sie ihm denn da zu?

Laumann: Nein, da stimme ich ihm nicht zu. Denn ich finde, dass die Koalition in Berlin im Alltagsgeschäft eigentlich einen guten Job macht. Wir haben heute in diesem Land weit über 400.000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr. Wir haben zum ersten Mal seit über zwei Jahren einen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Also, hätten andere Regierungen solche Erfolge, hätten die schon große Freudenprozessionen veranstaltet. Ich finde, dass man auch diese Erfolge sehen muss. Man muss auch sehen, dass man viele Dinge in Berlin – wenn ich an Hartz denke, wenn man die Missbrauchsbekämpfung ansieht – doch sehr erfolgreich angegangen sind. Ich glaube, dass das Problem dieser Großen Koalition ist, dass jede Partei denkt, sie könnte im Grunde mit Vorschlägen reingehen, als würde sie alleine regieren. Nur das ist nun mal nicht die Wahl einer Großen Koalition. Sondern die Wahl einer Großen Koalition ist dann ein Mittelweg zwischen zwei Wegen. Ich glaube, dass in Wahrheit die Ergebnisse der Großen Koalition entscheidend besser sind wie zurzeit die öffentliche Wahrnehmung.

Deutschlandradio Kultur: Nun unterstellt man natürlich gerade einer Großen Koalition, dass sie die dicken Brocken in der Politik leichter löst, weil sozusagen satte Mehrheiten da sind. Aber genau das scheint im Moment gegenteilig der Fall zu sein. Eher die großen Projekte hängen schief in der Landschaft.

Laumann: Ja, wissen Sie, eine Große Koalition hat nicht das Problem eine Mehrheit im Parlament zu finden, sondern sie hat natürlich das Problem, in den Arbeitsgruppen, die Gesetze vorbereiten und wo sich dann die beiden Parteien halt treffen, einen Konsens zu finden. Ich kann nur sagen: Wenn wir mal ein paar Heißsporne auf meiner Seite wegnehmen würden und ein paar Heißsporne auf der anderen Seite wegnimmt, dann kann ich mir schon vorstellen, dass diese Große Koalition auch gestalterische Fragen lösen kann. Es wird nur immer dann zum Problem, wenn jeder sein eigenes Parteiprogramm von früher zum Evangelium erklärt. Die Wahrheit ist, dass das Wahlprogramm der SPD keine Mehrheit gefunden hat in diesem Land, sondern dass es nun mal so war, dass es nur in einer Großen Koalition eine Möglichkeit gibt zu regieren. Das gilt im Übrigen für das Wahlprogramm meiner Partei genauso. Da muss man auch nicht glauben, man hat den Auftrag vom Wähler, sein Wahlprogramm durchzuziehen, sondern ich finde, man muss sagen, wo man herkommt, wie die Situationen sind, aber sich dann auch ein bisschen drauf einlassen, dass man dann einen Weg sucht, der pragmatisch in der Mitte dieser Interessen liegt.

Deutschlandradio Kultur: Herr Laumann, ich würde gern noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das Ihnen bestimmt am Herzen liegt. Das ist das Thema Mitarbeiterbeteiligung. Unter Ihrer Leitung hat der Bundesvorstand der CDU Anfang September ein entsprechendes Papier verabschiedet, das im November auf dem Bundesparteitag beschlossen werden soll. Der Titel: "Soziale Kapitalpartnerschaft für mehr Arbeitnehmerbeteiligung an Gewinn und Kapital". Haben wir das richtig verstanden? Die Union fordert also die Verallgemeinerung von Produktionsmitteln?

Laumann: Wissen Sie, das ist ein bisschen übertrieben, sondern es geht um folgende Frage: Wir haben immer mehr Entlohnungssysteme in Deutschland, auch tarifvertragliche, die in der Frage, wie viel Geld die Menschen verdienen und was sie an Lohn bekommen, von Betriebsergebnissen abhängt. Die so genannten betrieblichen Bündnisse für Arbeit. Und nach meiner Meinung schreien die danach, dass dann auch die Arbeitnehmer stärker an Erfolgen der Unternehmen beteiligt werden.

Deutschlandradio Kultur: Und ist bei Misserfolgen?

Laumann: Und dann gibt es eine weitere Frage. Die ist auch spannend. Es ist nun mal so, dass sich die Löhne in dem mittelfristig zurückliegenden Rau bei Weitem nicht so entwickelt haben, wie die Erträge aus Kapital und aus Firmen, sondern die haben sich fast vervierzehnfacht, während sich die Löhne noch so gerade vervierfacht haben. Da kann man natürlich sagen: Ich finde, ein schlauer Arbeitnehmervertreter, wie ich es bin, muss dann sehen, dass er die Arbeitnehmer auch an diesen Quellen beteiligt. Und jetzt haben Sie eine richtige Frage gestellt. Was ist bei Misserfolg? Ich glaube, dass wir in diesem Papier einen sehr sauberen Weg aufgezeigt haben, wie man das stimulieren kann. Denn dass wir sagen als Union, und das ist ja auch bis in die Parteiführung abgestimmt, das wird auch ein Vorschlag für den Bundesparteitag jetzt im Herbst sein, dass wir das fördern wollen durch eine nachgelagerte Besteuerung, das ist schon eine Sache, wo ich glaube, dass die Frage der Kapitalbeteiligung, der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer in Deutschland einen Drive bekommt, den wir bis jetzt in unserer Geschichte nicht gekannt haben.

Deutschlandradio Kultur: Warum kommt dieser Vorstoß eigentlich erst jetzt? Das, was Sie beschrieben haben, die Vervielfachung der Gewinne auf Arbeitgeberseite, der bescheidene Zuwachs auf Arbeitnehmerseite sind zwar in den letzten zwei, drei Jahren zu beobachten gewesen, aber auch schon davor.

Laumann: Also, erst mal möchte ich sagen, dass die Christlich-Sozialen ja über zwei Generationen dieses fordern. Es war immer ein Projekt der Christlich-Sozialen in diesem Land, weil wir ja als Christlich-Soziale nie für Klassenkampf waren, sondern immer für einen Ausgleich waren, aber für eine klare Beteiligung der Arbeitnehmer an den Gewinnen in dieser Gesellschaft. Und die Gewerkschaften haben viele Jahre das Thema nicht beackert, weil sie immer auf die jährliche Lohnerhöhung gesetzt haben. Die SPD hat es eigentlich auch nicht so sehr gemocht. Ich kann mich noch an Seminare in der IG Metall erinnern, wo man eine Eigentumsbeteiligung von IG-Metallern eher als eine Frage ansah, dass die Leute dadurch bürgerlich werden und nicht mehr sozialistisch sind, und man wollte es einfach nicht. Ich habe alle diese Seminare erlebt, wo diese wahnsinnigen Interaktionen stattgefunden haben. Das heißt, es war viele Jahre angesetzt Konsum zu steigern, Löhne zu steigern. Und jetzt erlebt man, dass wir die nicht Löhne steigern können. Wir haben seit Jahren für breite Schichten der Beschäftigten da eher einen Stillstand, teilweise einen Rückgang. Und jetzt kommt auf einmal eine Debatte auf, angestoßen zur Jahreswende vom Bundespräsidenten, der darauf ein sehr breites Echo hatte, sich dieser Frage doch stärker zu stellen. Wir haben die als Union genutzt, indem wir damals denn im Januar eine Arbeitsgruppe gebildet haben unter meinen Vorsitz, wie Sie es schon richtig sagten. Und wir haben sehr konkrete Punkte auf den Tisch gelegt. Herr Beck hat sich vor wenigen Wochen geäußert und hat gesagt, auch die SPD sei der Meinung, dass man hier weiterkommen müsse. Und vielleicht ist die Frage der Kapitalbeteiligung, der Unternehmensbeteiligung für Arbeitnehmer auch genau das richtige Thema für eine Große Koalition, um hier einen großen gesellschaftspolitischen Schritt zu gehen.

Deutschlandradio Kultur: Aber Sie sagten es schon, die Gewerkschaften sind nicht begeistert, die SPD ist nicht "amused", die Arbeitgeber werden sich wahrscheinlich auch sehr zurückhaltend äußern, vermute ich mal. Mit wem wollen Sie das Gesetz durchbringen?

Laumann: Ach, wissen Sie, die SPD hat sich in Form ihres Vorsitzenden sehr deutlich geäußert, dass sie diese Frage als eine spannende ansieht. Auch in den Gewerkschaften ist es so, dass sie die Situation sehen, dass sie allein über die Löhne die Beteiligung der Arbeitnehmer nicht mehr so hinkriegen. Auch da ist ein großes Umdenken.
Ich glaube, noch mal, dass das, was wir vorgeschlagen haben, eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an Kapital, aber auch an den Unternehmen, auch eine gesellschaftspolitische Frage in dieser globalisierten Welt stärker versöhnen kann. Denn wenn man als Arbeitnehmer auch Nachteile in Kauf nimmt, zum Beispiel, dass man über die tarifliche Arbeitszeit hinaus arbeitet, dann finde ich, wenn sich das Unternehmen dadurch prächtig entwickelt, dass sie sich auch daran beteiligt werden müssen, nicht mehr als gerecht.

Deutschlandradio Kultur: Sie fordern auch eine Totalrevision von Hartz IV. Sie sagen, Hartz sei ein Vertrauensbruch am Sozialstaat. Ist Hartz IV Murks, so wie das FDP-Chef Westerwelle ausdrückt?

Laumann: Also, ich bin mit diesen Fragen wie Murks und so ein bisschen vorsichtiger. Ich glaube, dass die Frage der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe im alten System und der Sozialhilfe im alten System zu einer neuen Grundsicherung richtig. Das will ich erst mal ganz deutlich sagen, weil wir damit eine Doppeladministration in Fragen der Grundsicherung in Deutschland abgelöst haben. Was bei Hartz ein Problem ist, sind für mich zwei Punkte: Der erste Punkt ist, wie wir die Administration von Hartz organisiert haben, dass es dort eine kommunale Ebene gibt und eine bundesstaatliche Ebene gibt und dass keiner erklärt hat, wer in diesem System das Sagen hat, ist nach meiner Meinung eine mittlere Katastrophe. Und dies wird im Herbst bei der Frage der Nachjustierung, die innerhalb der Großen Koalition noch einmal diskutiert wird, die zentrale Frage sein.

Wir haben in NRW ja die Situation, dass die ARGE noch vor wenigen Tagen 137 Millionen Euro, die NRW für Arbeitsmarktpolitik zugestanden hätten, zurückgegeben haben, weil sie nicht in der Lage waren, dieses für die Betroffenen einzusetzen. Das macht deutlich, wie weit wir noch in der Umsetzung von Fördern und Fordern in diesen ARGEN entfernt sind. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich glaube, dass man die Frage der Absicherung der Menschen in Einklang bringen muss mit dem, was man sagt. Und ich sage Ihnen, ich werde nie in diesem Land begreifen, dass man einen Menschen, der 30 Jahre lang gearbeitet hat, Beiträge bezahlt hat, diesen Staat erheblich finanziert hat, unter Umständen nach zwölf Monaten Arbeitslosigkeit genauso behandelt wie jemanden, der in diesem Land nie etwas geleistet hat. Das ist für mich einer der größten Brüche, die man gemacht hat, indem man das Arbeitslosengeld eben zwölf Monate zahlt, unabhängig von der Frage, wie lange jemand beschäftigt war. Das treibt schon Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um, im Übrigen vor allem diejenigen, die zu den Leistungseliten gehören. Denn jeder weiß, wie schnell man heute durch eine Firmeninsolvenz dazugehören kann. Und was das für den heutigen Arbeitsmarkt gesehen für einen Menschen über 50 bedeutet, weiß auch jeder.

Deutschlandradio Kultur: Sehen Sie Chancen das noch ändern zu können?

Laumann: Also, wir haben ein bisschen erreicht. Schon in der letzten Reform habe ich ja erreicht, dass wir die Vermögensfreibeträge noch mal für die Alterssicherung von 200 auf 250 Euro erhöht haben. Es ist mir immer noch zu wenig. Und das ist ja die zweite Lebenslüge. Es kann ja nicht sein, dass ein Mensch, der sich so verhält, wie wir das alle so sagen, er arbeitet, zahlt Steuern, versorgt seine Familie und legt fürs Alter zurück, und jetzt kommt dieser Mensch mit 54 in die Arbeitslosigkeit. Wenn er so früh angefangen hat zu arbeiten wie ich, hat er dann 40 Jahre gearbeitet. Den Menschen nach zwölf Monaten – ich sage das noch einmal – zu behandeln wie jemanden, der nie gearbeitet hat, ist eine Schweinerei. Und dass man dann hingeht und sage, und jetzt musst du bis auf 13.000 Euro deine Altersrückstellungen auflösen, ich meine, bei 13.000 Euro, ich sage das mal ganz deutlich, haben Sie einen Rentenanspruch, der ist unter 130 Euro im Monat, da – finde ich – setzt es aus. Und dass es im Land noch so ruhig ist, liegt daran, dass viele Menschen glauben, sie könnten ja gar nicht in Hartz kommen. Zum Beispiel alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst denken, sie haben einen sicheren Posten. Die Beschäftigten der Wohlfahrtsverbände denken das. Sie müssen immer daran denken, dass die Caritas der größte Arbeitgeber dieser Republik ist und die Diakonie ihr als zweitgrößter folgt. Das heißt, wir haben in Wahrheit doch nur noch ein Viertel etwa der Bevölkerung, die in der Produktion ist, die diesen Schwankungen in der Konjunktur ausgesetzt ist. Aber ein Bauarbeiter muss nun mal in seinem Leben auch mit Arbeitslosigkeit und mit all den Problemen ein stückweit umgehen, weil das im Bau immer so war. Und dass man einem solchen Menschen sagt, du hast treu gearbeitet, du hast erhebliche Beiträge gezahlt, dann hat er auch noch das getan, was wir immer gesagt haben, du hast fürs Alter vorgesorgt, und dann sagen wir: Junge, jetzt bist du verkehrt gewickelt. Jetzt nehmen wir dir das alles weg, bevor du von uns eine Leistung kriegst. Das verstehen die Menschen nicht.
Wissen Sie, ich bin nun mal jemand, der 17 Jahre im Leben Schlosser war. Ich weiß, wie die Menschen über diese Fragen denken. Ich glaube, dass wir keinen Frieden in dieser Frage kriegen, wenn wir diese Frage nicht anders behandeln.

Deutschlandradio Kultur: Herr Laumann, zum Schluss von Tacheles noch eine persönliche Frage: Die Süddeutsche Zeitung hat Sie vor zwei Jahren als "Blaumann unter Nadelstreifen" charakterisiert. Gefällt Ihnen dieser Titel?

Laumann: Ach nee, das mit den Nadelstreifen gefällt mir nicht, das mit dem Blaumann gefällt mir gut.

Deutschlandradio Kultur: Oder vielleicht eine Alternative: Karl Laumann, das sozialpolitische Gewissen der Volkspartei CDU?

Laumann: Das mit dem sozialpolitischen Gewissen gefällt mir eigentlich nicht, weil ich schon finde, dass meine Freunde in der Union, auch im Präsidium, auch im Bundesvorstand der Partei, ein Gewissen haben. Was wahr ist, ist, ich bin ein Politiker, der sicherlich eine Lebensgeschichte hat, die man heute auf der Ebene, wo ich zurzeit politisch arbeite, wenig findet.

Deutschlandradio Kultur: Gut, dann bleiben wir bei dem Blaumann und bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch.