Last der Geschichte
Der historische Roman ist tot, es lebe der historische Roman. Das Credo Thorsten Beckers könnte diesen Wortlaut haben, denn der 1958 geborene Autor nimmt es nicht leicht mit der deutschen Geschichte. Getrieben von Neugier und Fabulierlust versucht er in seinen Texten das zu verhandeln, was gemeinhin als deutsche Nachkriegsgeschichte bezeichnet wird. Dabei steckt bereits im Wort Nachkrieg jener Widerhaken, an dem der Autor eine Vielzahl skurriler Erzählungen ans Licht zerrt.
Ob ein Romangeschehen im Jahr 2048 - wie in Beckers "Schönes Deutschland" (1996) - oder im 18. Jahrhundert angesiedelt ist, spielt dabei keine Rolle. Zeiten nach einem Krieg gibt es genug und charismatische Figuren, in deren Biographie Kriege Zäsuren darstellen, ebenso.
So wendet sich Becker mit seinem Roman "Fritz" erneut diesem Thema zu und nähert sich einer Person, die unter den Namen Friedrich II. von Preußen, "Friedrich der Große" und der "Alte Fritz" längst zum Mythos geworden ist. Man möchte meinen, dass dem Bild des Preußenkönigs nichts mehr hinzuzufügen wäre.
Thorsten Becker ist da ganz anderer Meinung. Es geht dem an geschichtlichen Verläufen interessierten Autor auch nicht darum, dem Genre des historischen Romans einen weiteren Versuch hinzuzufügen. Denn die "Domäne des historischen Romans wird so unangefochten von unserem Freund Lion Feuchtwanger beherrscht, dass man beinahe versucht ist, zwischen seinen Namen und den Begriff der Sache das Gleichheitszeichen zu setzen". Ausgesprochen wird dieses Urteil im Roman von keinem Geringeren als Thomas Mann, der zusammen mit seinem Bruder Heinrich Mann an einem Buch über den "Alten Fritz" schreibt. Aus dieser Idee erwächst ein komplexes und listiges Romangewebe. Im Zentrum des Geschehens steht der fiktive Briefwechsel zwischen "Tommy" und Heinrich sowie die jeweils fertig gestellten Romankapitel.
Dass Heinrich zum Zeitpunkt der Korrespondenz bereits tot ist und als Co-Autor somit nicht mehr zur Verfügung steht, ist nur ein Trick, den Becker anwendet. Die Briefe, in denen neben Persönlichem, auch Gedanken zur Lage der Nation mitgeteilt werden, leben von den gescheiten wie witzigen, vor allem aber kritischen Kommentaren der Brüder füreinander. Denn den beiden Literaten deutscher Provenienz teilt Becker jeweils ein bestimmtes Terrain zu, das deren ästhetische wie mentale Verschiedenheit betont.
Der "Zauberer" Thomas entwirft ein feinsinniges Porträt von Friedrich dem "Großen" als Feldherr, Musiker, Philosoph und König, in dem auch seine homosexuelle Neigung deutliche Konturen erhält. Dafür liefert Heinrich in seinen Kapiteln ein dichtes Netz von Zeitbezügen, das die Bedeutung der historischen Figur aus aktueller Sicht diskutiert. Parallel dazu entsteht - gewissermaßen durch die verfremdete Feder der Brüder Mann – Thorsten Beckers "Fritz"-Roman. Unschwer lässt sich erkennen, dass für den Autor die europäische Geschichte im 21. Jahrhundert ohne das an die historische Figur Friedrich II. gebundene Kapitel deutscher Staatsgeschichte nicht zu denken ist. Ob sie anhand seines Romans besser zu verstehen ist, bleibt zu bezweifeln. Vielleicht wäre als Titel "Tommy und Heinrich" zutreffender gewesen.
Thorsten Becker:
Fritz.
Roman
Rowohlt 2006. 399 Seiten.
19,90 Euro.
So wendet sich Becker mit seinem Roman "Fritz" erneut diesem Thema zu und nähert sich einer Person, die unter den Namen Friedrich II. von Preußen, "Friedrich der Große" und der "Alte Fritz" längst zum Mythos geworden ist. Man möchte meinen, dass dem Bild des Preußenkönigs nichts mehr hinzuzufügen wäre.
Thorsten Becker ist da ganz anderer Meinung. Es geht dem an geschichtlichen Verläufen interessierten Autor auch nicht darum, dem Genre des historischen Romans einen weiteren Versuch hinzuzufügen. Denn die "Domäne des historischen Romans wird so unangefochten von unserem Freund Lion Feuchtwanger beherrscht, dass man beinahe versucht ist, zwischen seinen Namen und den Begriff der Sache das Gleichheitszeichen zu setzen". Ausgesprochen wird dieses Urteil im Roman von keinem Geringeren als Thomas Mann, der zusammen mit seinem Bruder Heinrich Mann an einem Buch über den "Alten Fritz" schreibt. Aus dieser Idee erwächst ein komplexes und listiges Romangewebe. Im Zentrum des Geschehens steht der fiktive Briefwechsel zwischen "Tommy" und Heinrich sowie die jeweils fertig gestellten Romankapitel.
Dass Heinrich zum Zeitpunkt der Korrespondenz bereits tot ist und als Co-Autor somit nicht mehr zur Verfügung steht, ist nur ein Trick, den Becker anwendet. Die Briefe, in denen neben Persönlichem, auch Gedanken zur Lage der Nation mitgeteilt werden, leben von den gescheiten wie witzigen, vor allem aber kritischen Kommentaren der Brüder füreinander. Denn den beiden Literaten deutscher Provenienz teilt Becker jeweils ein bestimmtes Terrain zu, das deren ästhetische wie mentale Verschiedenheit betont.
Der "Zauberer" Thomas entwirft ein feinsinniges Porträt von Friedrich dem "Großen" als Feldherr, Musiker, Philosoph und König, in dem auch seine homosexuelle Neigung deutliche Konturen erhält. Dafür liefert Heinrich in seinen Kapiteln ein dichtes Netz von Zeitbezügen, das die Bedeutung der historischen Figur aus aktueller Sicht diskutiert. Parallel dazu entsteht - gewissermaßen durch die verfremdete Feder der Brüder Mann – Thorsten Beckers "Fritz"-Roman. Unschwer lässt sich erkennen, dass für den Autor die europäische Geschichte im 21. Jahrhundert ohne das an die historische Figur Friedrich II. gebundene Kapitel deutscher Staatsgeschichte nicht zu denken ist. Ob sie anhand seines Romans besser zu verstehen ist, bleibt zu bezweifeln. Vielleicht wäre als Titel "Tommy und Heinrich" zutreffender gewesen.
Thorsten Becker:
Fritz.
Roman
Rowohlt 2006. 399 Seiten.
19,90 Euro.