"Last Dance" des Autocenters

Der letzte Vorhang für die Berliner Kunst-Ausstellung

Frederic Spreckelmeyer Chronos, 2018 verschiedene Materialien / various materials 260 x 200 x 205 cm Abschluss-Ausstellung "Last Dance" des Autocenters
Die letzte Ausstellung, der "Last Dance", des Autocenters ist im KINDL in Berlin-Neukölln zu sehen © Frederic Spreckelmeyer
Von Cora Knoblauch  · 09.03.2018
Das Autocenter ist ein Ausstellungsraum für Kunst, gegründet um die Jahrtausendwende in Berlin, als die Mieten billig waren. Mittlerweile sind sie für Kunstprojekte unbezahlbar geworden und das Autocenter hört auf - doch nicht ohne einen würdigen Ausstand.
"Was ist Off? Gibt es denn Off-Kunst und On-Kunst? Ich tu mich sehr schwer damit. Jemand hat mal zu mir gesagt: Das ist wie ein Panoptikum! Es gibt viele gute Künstler. Es gibt auch viele Schrottkünstler, aber es gibt auch viele, die sehr gut sind. Aber nicht für alle gibt es Platz. Was ist Off-Kunst? Ich denk nicht in diesen Kategorien."
...sagt Joep van Liefland, Künstler aus Utrecht, seit den 90er Jahren in Berlin. Gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Maik Schierloh hat er 2001 das Autocenter in einer leeren Autowerkstatt gegründet. Ihre erste Adresse im damals noch ziemlich verwaisten Friedrichshain.
"Ich und Joep würden niemals sagen, dass wir ein Off-Space-Raum sind… Wir machen Ausstellungen."
Maik Schierloh kam, genau wie Joep van Liefland, Ende der 90er Jahre in ein Berlin, in dem alles möglich schien: die Mieten billig, eine Stadt mit weißen Flecken auf dem Stadtplan, Terra Incognita gewissermaßen - Stadtviertel, die aus unsaniertem Altbau und leerstehenden Gewerberäumen bestanden, für die sich niemand interessierte. Die beiden hatten vor allem eines gemeinsam: Sie liebten Kunst. Und wollten zeigen, was ihnen gefällt:
"Das Leben von der Kunst ist nicht so wichtig, aber das Leben mit der Kunst ist ganz wichtig. Das ist ein Unterschied. Für uns war das Verkaufen nicht wichtig."

Wochenend-Ausstellungen im DIY-Modus

Schierloh und van Liefland luden befreundete Künstler ein und die, die sie interessant fanden. Wochenend-Ausstellungen, aus eigener Tasche finanziert, im DIY-Modus. Nach der Eröffnung wurde gefeiert bis zum nächsten Morgen. Ein riesiges Netzwerk an Künstlern entstand, das Autocenter wurde Kult. Und für manche zum beruflichen Sprungbrett:
"Zum Beispiel Hiroki, ein japanischer Künstler, der war bei uns einen Monat in Residenz und hat bei uns ausgestellt. Dann kam Gisela Capitain und sagte: Den finde ich super. Und plötzlich stellt er aus in New York. Das sind so Sachen die passieren, das kann man aber nicht programmieren."
Mehrmals zog das Autocenter innerhalb Berlins um, musste neue Räume finden. Seit Ende der Nuller Jahre wird es für selbstfinanzierte Kunst-Projekte immer schwieriger:
"Künstler grundsätzlich kommen ja in eine Stadt wie Berlin um was zu gestalten. Das Problem ist nur, es wird immer schwieriger Räume zu finden und die auch zu bezahlen. Und das ist ja auch unser Problem letzten Endes gewesen. Wir sind damals nach Berlin gekommen und haben was gestaltet. Damals gabs ja Räume. Das ist jetzt schwieriger geworden, glaube ich."
2011, zum zehnjährigen Jubiläum, veranstaltete das Autocenter eine spektakuläre Kunst-Auktion, um sich finanziell Luft zu verschaffen. Für relativ wenig Geld konnten Arbeiten von Stars wie Olafur Eliasson und Jonathan Meese ersteigert werden. Die Auktion war finanziell erfolgreich, blieb aber eine Ausnahme. Zu viele Gäste kamen nicht der Kunst wegen, sondern um Schnäppchen zu machen.
Nun ist nach 14 Jahren endgültig Schluss. Ein Rückblick wird diese letzte Schau aber nicht:
"Das wäre natürlich eine einfache Lösung zu sagen: Wir machen jetzt ein Best-of. Aber das fanden wir langweilig. Es ist schön zu suggerieren, wir machen zu, aber es geht weiter. Deshalb haben wir junge Künstler eingeladen, die noch nie bei uns ausgestellt haben."

"Jetzt ist auch mal gut"

Über 30 Künstlernamen sind gelistet, viele eher unbekannt, aber auch Namen wie David Jablonowski und die Bildhauerin Sofia Hulten. In einer ehemaligen Maschinenhalle werden Skulpturen, Installationen und Malerei gezeigt. Preisschilder kleben - wie beim Autocenter stets üblich - nicht an den Kunstwerken. Gefeiert wird heute Abend natürlich auch - "Last Dance" heißt diese letzte Schau.
"Wir haben gesagt, wir machen Autocenter so lange wie wir Spaß daran haben. Natürlich haben wir immer noch irgendwie Spaß daran. Aber es ist schon sehr Kraftzehrend. Wir haben das 14, 15 Jahre gemacht. Ach, jetzt ist auch mal gut."
Für seinen Abschied hat das noch fast nagelneue "Kindl - Zentrum für zeitgenössische Kunst" dem Autocenter die Türen geöffnet. Die aufwendig sanierte Brauerei eröffnete vor etwa zwei Jahren, gerade als das Autocenter beschloss, sich zurückzuziehen. Auch das Kindl ist symptomatisch für die Kunstszene Berlins: mitten in einem trubeligen Viertel gelegen zwischen Supermarkt, Nierenzentrum und Job-Center, wurde es von dem Schweizer Ehepaar Burkhard Varnholt und Salome Grisard zu einem großen Ausstellungshaus umgebaut und aufgehübscht. Die Veränderung Berlins hat auch hier längst eingesetzt: gleich neben der Brauerei wurden gerade die ersten hochpreisigen Eigentumswohnungen hochgezogen.

"Last Dance" - die letzte Ausstellung des Autocenter
KINDL - Zentrum für Zeitgenössische Kunst, Berlin-Neukölln
Zu sehen bis Sonntag, den 11. März 2018

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