Laschet: Schritt auf dem Weg zur Religionsgemeinschaft

Moderation: Marie Sagenschneider |
Armin Laschet hat den Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Religionsgemeinschaft gewertet. Es sei wichtig, dass sich die vier islamischen Verbände zu einem Dachverband zusammengeschlossen hätten und jetzt mit einer Stimme sprächen, sagte Nordrhein-Westfalens Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration.
Marie Sagenschneider: Im September mit der ersten Islamkonferenz war der Dialog begonnen worden, zum ersten Mal spricht der Staat nicht nur über muslimische Einwanderer, sondern auch mit ihnen. Ein Dialog, der auf zwei bis drei Jahre angelegt ist, und heute mit einer zweiten Sitzung fortgesetzt wird. Derweil arbeiten die Bundesländer an einem nationalen Integrationsplan unter der Federführung Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins. Für Nordrhein-Westfalen ist Armin Laschet zuständig, er ist Integrationsminister und gehört der CDU an, guten Morgen Herr Laschet.

Armin Laschet: Guten Morgen.

Sagenschneider: Nun haben ja vier Arbeitsgruppen in den letzten Monaten schon fleißig zusammengesessen und einzelne Komplexe diskutiert, also in Sachen Islamkonferenz jetzt – zeichnet sich für Sie eigentlich ab, dass man da schon vorangekommen ist?

Laschet: Wenn man die öffentlichen Töne der letzten Tage hört, hat man eher den Eindruck, dass man sich weit auseinander fortbewegt hat, aber das wird wahrscheinlich immer wieder während dieser Islamkonferenz passieren. Wenn es an ganz konkrete Dinge geht, dann werden auch Unterschiede deutlich, und das zeigt, dass die Islamkonferenz gut ist, denn da kann man wieder versuchen, einen Schritt voranzugehen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es bisher substanzielle Fortschritte gibt, das wird man heute bei der Konferenz sehen. Was Wichtiges geschehen ist, ist, dass sich die vier islamischen Verbände zu einem gemeinsamen Dachverband zusammengeschlossen haben. Sie sprechen jetzt mit einer Stimme, und das ist schon ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Religionsgemeinschaft, die sie natürlich nach der Definition des Verfassungsrechts im Moment noch nicht sind.

Sagenschneider: Sie sprechen vom Koordinierungsrat der Muslime, der ja etwa zehn Prozent der hier lebenden Muslime vertritt. Und kaum gegründet, gibt es eben schon den Streit, denn der Koordinierungsrat verlangt ja als Religionsgemeinschaft anerkennt zu werden. Aber Sie glauben, das hat jetzt keine Chance – das habe ich schon verstanden –, in Zukunft auch nicht?

Laschet: In Zukunft schon, aber ein Zusammenschluss von vier Verbänden, also vier mal eins, macht nicht eine Religionsgemeinschaft, sondern vertritt die vier Verbände, mit denen man über viele Fragen des Verhältnisses zum Islam auch sprechen kann, wo es auch ganz konkrete Gespräche gibt. Aber zur Einführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichtes beispielsweise reicht das nicht aus, denn der Charakter einer Religionsgemeinschaft heißt, sie müssen eintreten, aber sie müssen auch wieder austreten können. Sie müssen eine mitgliedschaftliche Verfasstheit haben, wo jedes einzelne Mitglied vertreten sein kann. Und das ist bei einem Zusammenschluss von Verbänden einfach rechtlich nicht der Fall, da kann die Politik auch gar nicht anders entscheiden, als sich an geltendes Recht zu halten.

Sagenschneider: Befürchten Sie denn, Herr Laschet, dass der Koordinierungsrat, in dem sich ja doch deutlich die konservativen Kräfte sammeln, die Islamkonferenz dominieren wird?

Laschet: Das weiß ich nicht, aber dann muss man den liberalen Kräften, wenn sie sich natürlich nicht vertreten fühlen durch den Koordinierungsrat, sagen, dann müsst ihr euch auch zusammenschließen, dann müsst ihr auch eine Form finden, wie ihr denn eure Interessen artikuliert. Der Bundesinnenminister kann ja nicht mit drei Millionen Menschen einzeln verhandeln. Also die, die sich organisieren, haben natürlich ein stärkeres Gewicht. Und der Vorwurf, ihr seid nur die Konservativen, den finde ich nicht gerechtfertigt, denn das sind die Gläubigen, die in die Moschee gehen, die sich engagieren. Und dass die möglicherweise etwas konservativer sind als die, die mit ihrer Religion relativ wenig zu tun haben, das liegt natürlich auf der Hand.

Sagenschneider: Das berührt natürlich auch schon die Frage der Integrationswilligkeit, und was man aus dem Koordinierungsrat hört, spricht nicht unbedingt dafür. Der Rat spricht sich fürs Kopftuch aus, das mag ja noch okay sein, und er will die Eltern unterstützen, die ihre Töchter vom Sportunterricht abmelden wollen. Das stößt natürlich auch in der Politik, auch in ihrer Partei nicht gerade auf Begeisterung.

Laschet: Ja, das stößt nirgendwo auf Begeisterung, denn es gibt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, es gibt die Schulpflicht in Deutschland, und man kann nun nicht in Einzelfällen sagen, da nimmt mein Kind nicht mehr teil. Insofern wird das ein ganz wichtiges Thema bei der Islamkonferenz sein zu definieren, wo geht es um eigene religiöse Überzeugung, das heißt, Kopftuch kann man tragen, überall, auf den Straßen, in öffentlichen Gebäuden – übrigens im Unterschied zur Türkei, wo das nicht möglich ist –, aber wenn man Lehrer ist, wenn man Beamter ist, kann man das nicht. Das sind so Trennungen und Klarheiten, die man auch bei einer solchen Islamkonferenz, glaube ich, aussprechen muss.

Sagenschneider: Interessant ist ja, Herr Laschet, und Sie haben es vorhin auch gesagt, dass mittlerweile vielleicht ja auch durch die Gründung des Koordinierungsrats wirklich auch eine Diskussion unter den Muslimen selbst in Gang gekommen ist. So hat ja der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland angekündigt, man wolle ein Kompetenz-Zentrum Religion ins Leben rufen, um ein Gegengewicht zum Koordinierungsrat zu schaffen. Ist das sozusagen der richtige Weg, das, was Sie auch erwarten, dass diese Auseinandersetzung eben auch innerhalb des muslimischen Kreises geführt wird?

Laschet: Ja, man muss die Vielfalt der unterschiedlichen Richtungen im Islam auch in einer Islamkonferenz spüren. Wenn drei Millionen Menschen Muslime sind, wenn sie Teil der deutschen Gesellschaft sind, wie Wolfgang Schäuble gesagt hat, dann kann man natürlich nicht nur mit Verbänden sprechen, die zehn oder 15 Prozent der Menschen repräsentieren. Auch die anderen 80 Prozent haben ihre kulturelle Identität, auch ihren Glauben vielleicht, und da muss man Formen finden, wie man die integriert.

Sagenschneider: Kommen wir noch mal, Herr Laschet, zu dem schon angesprochenen nationalen Integrationsplan, an dem die Länder ja gerade arbeiten. Wenn ich das richtig sehe, dann sind sie sich im Prinzip einig, dass Sprache und frühkindliche Bildung im Zentrum stehen sollen, aber ein einheitliches Fördersystem existiert noch nicht, oder?

Laschet: Nein, das existiert noch nicht. Ich weiß auch nicht, ob es am Ende existieren muss, denn wir haben natürlich sehr unterschiedliche Verhältnisse auch in den deutschen Ländern. Die Grundlinie muss klar sein, wir brauchen frühkindliche Bildung, wir brauchen Sprachförderung so früh wie möglich. Wir müssen auch feststellen, so früh wie möglich, wo gibt es denn Sprachdefizite, damit man fördern kann. Also wir in Nordrhein-Westfalen haben beispielsweise verbindliche Sprachtests mit vier eingeführt. Irgendeine Verbindlichkeit werden wir wohl als Länderposition auch brauchen. Aber wenn Sie in Mecklenburg-Vorpommern 30.000 Ausländer haben, dann sind das so viel wie in fast jedem Kölner Stadtteil, und das zeigt, Sie brauchen in den Städten, in den Regionen, in den neuen und in den alten Ländern, in ländlichen Gebieten und in städtischen Gebieten ganz unterschiedliche Lösungen. Die Länder werden sich auf eine Grundposition verständigen, aber kein einheitliches bundesweites Förderungsraster machen.

Sagenschneider: Und welche Erfahrungen haben Sie bisher damit in Nordrhein-Westfalen gemacht?

Laschet: Die Erfahrungen – ja, das findet gerade jetzt statt.

Sagenschneider: Es ist noch zu knapp?

Laschet: Ja, wir haben im März und jetzt im Mai ist die zweite Runde der Sprachtests gemacht. Wir haben übrigens festgestellt, dass die Rate der Kinder, die die Sprache nicht mehr so sprechen oder die spezielle Förderung brauchen, sehr, sehr hoch ist. Übrigens, manches türkische Kind spricht fließend Deutsch, und manches deutsche Kind spricht auch nicht mehr so Deutsch, wie man es eigentlich können müsste für die Schule. Und insofern ist das auch ein Angebot an alle.

Sagenschneider: Und in Sachen Islam-Unterricht an den Schulen, welche Konzepte sind da in der Diskussion?

Laschet: Ja das ist halt die schwierige verfassungsrechtliche Frage. Wir haben ja mit den Kirchen einen Vertrag seit der Weimarer Reichsverfassung, der dann in das Grundgesetz übernommen wurde, wo geregelt ist, dass in der Autorität und in der Verantwortung der Kirche der Religionsunterricht verteilt wird. Nicht der Staat macht die Lehrpläne, sondern die Religionsgemeinschaft als solche unter der Aufsicht des Staates. Und so etwas Ähnliches wollen wir für den Islam, und dazu brauchen Sie diesen Ansprechpartner, den haben wir im Moment nicht, und auf dem Weg dahin sind wir. Und das sind sehr intensive und komplizierte Gespräche. Aber mir ist noch mal wichtig zu sagen, der nationale Aktionsplan der Bundeskanzlerin, der im Juli verkündet wird, ist kein Islam-Plan. Man muss das sehr sorgsam trennen. Integrationspolitik betrifft Sprachförderung, Konzepte gegen soziale Ausgrenzung, Konzepte vom Übergang Schule in das Berufsleben und, und, und. Vieles, was Integrationspolitik betrifft – und das besprechen wir nicht mit islamischen Verbänden. Denn wenn man das täte, würde man ja alle Zuwanderer quasi in eine islamische Ecke stellen, sie außerdem durch die Verbände als vertreten angesehen bewerten. Nein, hier geht es um konkrete Integrationspolitik für viele Menschen, auch Spätaussiedler und viele andere. Und bei der Islamkonferenz geht es rein um das Verhältnis von Religion und Staat.

Sagenschneider: Herr Laschet, ich danke Ihnen. Armin Laschet war das. Er ist Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen.