Laschet: Keine Verkettung von Sicherheitspolitik und Integration

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der nordrhein-westfälische Minister für Generationen, Frauen, Familie und Migration, Armin Laschet, hat dazu aufgerufen, Fragen der inneren Sicherheit und Integrationspolitik auseinanderzuhalten. Die überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime habe mit dem internationalen Terrorismus nichts zu tun, betonte der CDU-Politiker im Deutschlandradio Kultur. Gerade die Türken hätten als größte muslimische Gruppe in Deutschland die strikte Trennung von Staat und Religion verinnerlicht.
Jörg Degenhardt: Vor einem Jahr hatte die Bundesregierung zum ersten Integrationsgipfel auf allerhöchste Ebene eingeladen. Danach wurde in Arbeitsgruppen weiterdiskutiert. Am Donnerstag dieser Woche will man sich im Bundeskanzleramt erneut treffen, aber dann könnten Stühle leer bleiben. Wegen der letzten Freitag vom Bundesrat beschlossenen Verschärfungen im Zuwanderungsrecht sind einige türkische Organisationen verstimmt und drohen mit Boykott.

Das Gesetz sieht jetzt zur Vermeidung von Zwangsehen und Menschenhandel ein Mindestalter von 18 Jahren für den Nachzug ausländischer Ehepartner vor und verlangt zumindest einfache Deutschkenntnisse des zuwandernden Partners. Wer die Werte des Grundgesetzes missachtet oder seine Tochter zur Heirat zwingt, soll künftig ausgewiesen werden können. Auch jugendlichen Serientätern droht bei schweren Straftaten die Ausweisung. - Armin Laschet ist am Telefon. Der CDU-Politiker ist Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Laschet.
Armin Laschet: Guten Morgen.
Degenhardt: Ist denn diese Verschärfung des Zuwanderungsrechtes integrationsfeindlich, gar ethnisch diskriminierend, wie das von einigen behauptet wird?
Laschet: Nein, ich glaube nicht, dass das ethnisch diskriminierend und erst recht nicht integrationsfeindlich ist. Das ist ja mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ein großes Paket europäischer Vorschriften umgesetzt worden. Unter anderem ist das Bleiberecht endlich gelöst worden. Und den Teil, den Sie gerade angesprochen haben, das ist einfach eine Angleichung auch an unser Grundgesetz. Sie können in Deutschland erst ab 18 Jahren heiraten, und deshalb soll in Zukunft das Nachzugsalter auch für Ehepartner aus dem Ausland auf 18 Jahre gesetzt werden.

Und dass man ganz minimale Grundkenntnisse – 300 bis 400 Wörter, davon ist die Rede – in deutscher Sprache sprechen könnte, das stärkt den Ehepartner, der zureist, meistens sind es Frauen, auch hier in Deutschland. Sie können Beratungsstellen aufsuchen, wenn sie das brauchen. Und es gilt übrigens gleichermaßen für beispielsweise die philippinische Frau, die einen deutschen Mann heiratet. Also es ist kein Anti-Türken-Gesetz, sondern es ist ein generelles Gesetz, das in Zukunft gelten soll.
Degenhardt: Also gibt es auch keinen Grund etwa für türkische Verbände, dem Gipfel am Donnerstag fernzubleiben?
Laschet: Nein, ich verstehe ein wenig die Verärgerung dort, auch das vielleicht Nicht-Einstellen auf die neue Situation. Vielleicht hätte man auch intensiver noch mit den Verbänden sprechen können. Aber das sollte kein Grund sein, dem Gipfel fernzubleiben. Die Türken sind die größte Gruppe der Zuwanderer in Deutschland, und deshalb würde ich mir wünschen, dass alle Verbände auch am Donnerstag mit dabei sind.
Degenhardt: Anders herum, was wäre dann ein Integrationsgipfel wert, an dem maßgebliche türkische Verbände nicht teilnehmen?
Laschet: Ja, das würde die Situation sicher schwieriger machen, denn man könnte immer sagen, diese große Gruppe fehlt nun bei diesem Gipfel. Die Gespräche gehen natürlich auch nach einem solchen Gipfel weiter, auch dann wird es weiter darum gehen, türkischstämmige Zuwanderer in Deutschland zu integrieren. Aber es wäre unschön, und deshalb hoffe ich, dass das noch gelingt.
Degenhardt: Sie haben den nationalen Integrationsplan der Bundesregierung bereits heftig kritisiert, er sei zu wenig konkret, zu wenig … Hat sich die Kanzlerin schon bei Ihnen gemeldet?
Laschet: Nein, hat sie nicht. Ich glaube auch nicht, dass ich ihn heftig kritisiert habe, sondern ich habe einfach gesagt, es wäre gut, wenn man nach diesem Gipfel sehr konkret wüsste, das und das und das passiert jetzt, und dass man auch einen Überprüfungsmechanismus hätte, dass man nämlich jedes Jahr evaluiert: Wo stehen wir denn mit der Integration, wie viel Zuwanderer mehr haben wir denn beispielsweise in den öffentlichen Verwaltungen. Wie viel haben mehr Bildungsabschlüsse geschafft, als dies bisher der Fall war.

Und man hat sich aber dafür entschieden, alle Ergebnisse der Arbeitsgruppen, das sind auf über 265 Seiten unzählige Vorschläge, nun zu veröffentlichen. Das kann man so oder so machen. Aber ich hoffe dennoch, dass es am Donnerstag konkret wird und dass man dann auch sehen kann, was umzusetzen ist.
Degenhardt: Das ist die Frage: Was ist dann noch von der Veranstaltung im Bundeskanzleramt zu erwarten, gewissermaßen Sonntagsreden am Donnerstag.
Laschet: Das weiß ich nicht, ob das zu Sonntagsreden kommt. Aber die Zuwanderer selbst und auch die, die an Integration interessiert sind, werden natürlich aufmerksam beobachten, was hat sich denn nach einem Jahr geändert. Es ist das große Verdienst der Kanzlerin, dass sie überhaupt zu einem solchen Gipfel im letzten Jahr eingeladen hat, dass sie Zuwanderer in Kanzleramt eingeladen hat. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber nach 50 Jahren Zuwanderung – 1955 war das erste Abkommen, das damals Konrad Adenauer mit Italien geschlossen hat – hat nie mehr ein Bundeskanzler Zuwanderer ins Kanzleramt eingeladen. Also das waren sehr, sehr wichtiges Signale.

Nur jetzt kommt es darauf an, nicht mehr nur Symbole, sondern auch konkrete Handlungen des Bundes, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände des Sports, der Medien, all derer, die da beteiligt sind, einzufordern. Und ich hoffe, dass nach Donnerstag da die ganz konkrete Umsetzung auch beginnt.
Degenhardt: Nur das, was Sie da einfordern, Herr Laschet, Sie haben die Sportverbände und andere angesprochen, das ist ja so neu nicht. Haben Sie das Gefühl, dass seit dem ersten Gipfel vor einem Jahr doch in diesem Lande etwas vorangekommen ist, oder treten wir in Sachen Integration hier auf der Stelle?
Laschet: Ich glaube, dass sich das Klima geändert hat. Ich glaube, dass alle seit diesem Gipfel jedenfalls wissen, wir sind ein Einwanderungsland, das haben wir über Jahre verkannt. Wir sind auch eine Gesellschaft vieler Kulturen. Und man muss nun definieren, was sind denn die Regeln des Zusammenlebens in Deutschland.

Das heißt, wir müssen die Vielfalt und die Buntheit akzeptieren, aber das Grundgesetz muss das oberste Gesetz sein, und das ist das, was man auch Zuwanderern abverlangt. Keiner kann seine Kultur über die Werte des Grundgesetzes stellen.
Degenhardt: Wir müssen die Buntheit akzeptieren, haben Sie gerade gesagt. Gilt das eigentlich auch für Ihre Partei, oder steht das jetzt nur neuerdings im Grundsatzprogramm?
Laschet: Nein, das gilt natürlich für alle Parteien. Ich glaube, alle Parteien haben da gelernt. Aber wenn sie beispielsweise Bundesinnenminister Schäuble nehmen, der gesagt hat, der Islam ist Teil der deutschen Gesellschaft, der deshalb zu einer Islam-Konferenz im letzten Jahr eingeladen hat, dann zeigt das, dass gerade auch Unionspolitiker hier ganz wichtige Schritte für die Integrationspolitik gegangen sind.

Zum ersten Mal lädt eine Kanzlerin ein. Der Bundesinnenminister fördert den Dialog mit dem Islam und akzeptiert, dass er Teil unserer Gesellschaft ist. Und ich glaube, dass hier die politischen Lager heute enger beieinander sind, als dass noch vor Jahren der Fall war.
Degenhardt: Aber gerade auch der Bundesinnenminister ist momentan in die Diskussion geraten mit einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Könnte das möglicherweise die Integration behindern, wenn man jetzt schneller zur Hand ist mit Verdächtigungen?
Laschet: Nein, er verbindet das ja glücklicherweise nicht mit der Integrationspolitik. Ich bin nicht von allem überzeugt, was er im Moment da zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der inneren Sicherheit … vorträgt, aber ich glaube schon, dass man ganz bewusst diese Sachverhalte auseinanderhalten muss.

Die größte, die übergroße Mehrheit der bei uns lebenden Zuwanderer, auch der Muslime in Deutschland, hat mit internationalem Terrorismus überhaupt nichts zu tun. Die größte Gruppe sind die türkischen Muslime, die die strikte Trennung von Staat und Religion schon aus ihrem eigenen Staat aus über 80 Jahren seit Atatürk kennen. Es gibt kein einziges Beispiel eines türkischen Selbstmordattentäters beispielsweise. Und das zeigt: Bekämpfung des internationalen Terrorismus und Integrationspolitik, das ist kein Gegensatz, sondern viele derer, die zugewandert sind, sind auch in diesem Kampf an unserer Seite.
Degenhardt: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Das war Armin Laschet, der Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen.