Laschet-Interview bei Late Night Berlin

Waren die Kinder "Marionetten"?

06:45 Minuten
Armin Laschet mit den beiden Kinderreportern der ProSieben-Sendung "Late Night Berlin"
Welche Fragen hatten die Kinder und welche die Erwachsenen in der Redaktion? Armin Laschet mit den beiden Kinderreportern der ProSieben-Sendung Late Night Berlin. © Screenshot / ProSieben
Tim Wiese im Gespräch mit Massimo Maio · 16.09.2021
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„Ist Hans-Georg Maaßen ein Rechter?“ Das ist eine der Fragen, die Kinder dem CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet in dem Comedyformat Late Night Berlin gestellt haben. Manche Fragen sollen den Kindern vorgegeben worden sein.
Sind Kinder vielleicht die besseren Journalisten? Gerade in diesen Wochen unmittelbar vor der Bundestagswahl gibt es immer mehr Formate, in denen Kinder Politiker und Politikerinnen interviewen. Mal erfolgreich, mal umstrittener: wie jetzt zwei Interviews in der Comedysendung Late Night Berlin von Klaas Heufer-Umlauf mit den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU):
"Wenn Du mich fragst, ist Hans-Georg Maaßen ein Rechter, dann musst Du ja wissen, wer Hans-Georg Maaßen ist. Oder was der Schlimmes gemacht hat."
Armin Laschet wirkt in diesem Interview des Privatsender ProSieben zum Teil sehr unsouverän und hat auch viel Kritik für seine Antworten bekommen. Nach Ausstrahlung der Sendung hat sich allerdings herausgestellt, die Kinderreporter hatten einen sogenannten Knopf im Ohr und haben möglicherweise gar nicht ihre eigenen Fragen gestellt, sondern sie wurden von der Redaktion zugeflüstert.

"Ich hatte sofort das Gefühl, da kann irgendwas nicht stimmen", sagt Autor Tim Wiese, der im Deutschlandfunk Kultur die Kindersendung Kakadu moderiert. Die Fragen hätten nicht authentisch gewirkt. Normalerweise würden sich Kinder für das interessieren, was sie unmittelbar betreffe.
"Abwegig ist, dass ein Kind in aller Ausführlichkeit wissen will, wer Hans-Georg Maaßen ist. Eine andere Frage war ja, ob man Putin als Mörder bezeichnen darf? Das wirkte alles schon sehr ferngesteuert. Ich hatte gleich das ungute Gefühl, die Kinder werden da benutzt. Mir war da ziemlich klar, da muss ein Knopf im Ohr sein."

Bereichernd oder unseriös? Kinder befragen Kanzlerkandidaten
Unsere Autoren Christian Rabhansl und Korbinian Frenzel mit einem Pro und Contra. [AUDIO]

Verärgert ist Tim Wiese darüber, dass die Kinder für dieses Comedyformat "ferngesteuert" und "benutzt" worden seien. "Das kommt mir sehr unlauter vor, weil die eben gar nicht wissen, worauf sie sich da einlassen. Sie fungieren dann als eine Art Marionette."

Es geht auch anders

Nicht nur bei einem Privatsender sind unmittelbar vor der Bundestagswahl Kinderreporter zu Wort gekommen, auch in der ZDF-Sendung Logo hat kürzlich ein Kind Tino Chrupalla interviewt und den AfD-Vorsitzenden mit einer Frage zu seinem deutschen Lieblingsgedicht in eine für ihn peinliche Situation gebracht. "Da muss ich jetzt mal überlegen. Da fällt mir jetzt gar keins ein."
Wie der Kakadu arbeite auch Logo schon seit Jahren mit Kinderreportern, sagt Tim Wiese. "Das sind sehr versierte, sehr interessierte und neugierige Kinder, die natürlich ausführlich auf solch ein Interview vorbereitet werden. Und das war ja auch etwas aus der eigenen Lebenswelt des Kindes."
Vor einem Interview bespreche man mit den Kindern die Fragen, sagt Tim Wiese. Danach seien sie aber frei, das zu sagen, was sie möchten. Aber in dem Moment, in dem Kindern etwas in den Mund gelegt werde, was sie selbst nicht so empfinden und wissen würden, dann sei das eine "Form der Manipulation", meint Wiese.

Der Vorteil von Kinderreportern

Grundsätzlich ist Tim Wiese nicht gegen Kinderreporter. Kinder würden oft auch einen Perspektivwechsel erlauben und sie würden mit ihren Fragen direkt auf ihre Haltungen und Bedürfnisse hinweisen. Erwachsene müssten im Gespräch mit ihnen auch verständlicher antworten und könnten sich nicht hinter Formulierungen verstecken. Zudem sei es auch interessant zu beobachten, so Wiese, wie empathisch Politiker und Politikerinnen mit den Kindern umgehen. "Und manche Erwachsene demaskieren sich in dem Moment."
Ein Grundmotiv, mit Kindern zu arbeiten, sollte aber vor allem sein, sie ernst zu nehmen. Aber in den Interviews von Late Night Berlin sei das "absolut nicht passiert".
(jde)
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