Las Hermanas Caronni: "Santa Plástica"

Poetisch, aber nicht gemütlich

05:20 Minuten
Das argentinische Schwestern-Duo Laura und Gianna Caronni. 2019 haben die Musikerinnen ihr Album "Santa Plastica" herausgebracht.
Besingen die Plastikmüll-Flut: Das argentinische Schwestern-Duo Laura und Gianna Caronni. © Las Hermanas Caronni/Franck Loriou
Von Christiane Rebmann |
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Die argentinischen Schwestern Las Hermanas Caronni begeistern mit ihren ätherisch leichten Gesängen zu Oboen- und Klarinettenbegleitung. In den Texten auf dem neuen Album "Santa Plástica" geht es weniger besinnlich zu. Eine Begegnung mit Laura Caronni.
Las Hermanas Caronni wuchsen in Che Guevaras Geburtsstadt Rosario auf und widmeten sich später einer argentinischen Spezialität, die weit weniger populär ist als der Tango: Sie ließen sich von der Musik der Pampa inspirieren und von Komponisten wie Maurice Ravel oder Claude Debussy.
Die 1974 im Abstand von zehn Minuten geborenen Zwillinge haben eine klassische Ausbildung und traten früh im Orchester des Teatro Colón und der Oper in Buenos Aires auf. Dann zogen sie nach Frankreich um, um ihre Musikstudien fortzuführen. Als 2011 ihr erstes Album "Baguala de la siesta" erschien, waren die Kritiken enthusiastisch, sowohl in Argentinien als auch in ihrer Wahlheimat.

Ihre Texte: poetisch und spärlich

Beide singen, Gianna Caronni spielt Klarinette, Laura Caronni Cello. Gemeinsam kreieren die Schwestern, die sich mit ihren schulterlangen dunkelblonden Haaren sehr ähnlich sehen, einen oft kargen, dunklen, intensiven und doch euphorisierenden Sound. In ihren poetischen, aber meist spärlichen Texten erzählen sie auf Spanisch oder Französisch berührende Geschichten. Auf den Titel ihres vierten Albums "Santa Plástica" kamen sie durch ein Foto des baskischen Fotografen Patxi Laskarai, erklärt Laura Caronni.
"Er hat in der Natur Plastikteile fotografiert, die die Form einer Heiligenfigur haben. In den Songs sprechen wir über die Umweltverschmutzung, zum Beispiel die Verschmutzung der Meere durch Plastik."
Über die Pervertierung des Konsums in den gigantischen Einkaufszentren in den Gewerbegebiete am Stadtrand beschweren sie sich im Lied "Tole", Blechbüchse.

Ein Lied über den schmutzigsten Ort Frankreichs

In "Breathe/respire" singen die beiden über eine Reportage, die Laura Caronni entdeckt hatte, über eine Familie, die in einem kleinen Dorf in der Nähe von Grenoble lebt.
"Dieser Ort stellte sich als einer der am meisten belasteten Orte Frankreichs heraus. Weil er in einem engen Tal liegt, umgeben von hohen Bergen. Da kann die Luft nicht entweichen. Es hat mich beeindruckt, dass ein Ort, der so idyllisch wirkt, mit Bergen und Schnee, der dreckigste Ort Frankreichs sein soll. Dabei ist es nur ein kleines Dorf, in dem nicht viele Menschen leben."
Das Lied "One Way" schrieb Laura Caronni vor mehr als zehn Jahren. Sie mochte es aber damals nicht singen, weil es zur Hälfte autobiografisch ist.
"Es geht hier um eine Beziehung, die ich zu einem sehr gewalttätigen Mann hatte, einem Bluessänger, einem außergewöhnlich guten Musiker. Nur als Mensch war er leider gewalttätig. In dieser Situation schrieb ich den Song. Und dann legte ich den Zettel mit den Notizen in eine Schachtel. Als ich jetzt für einen Workshop einen Song brauchte, der sich gut in einem Jazzrahmen bearbeiten ließ, fiel mir dieses Stück wieder ein. Mit der zeitlichen Distanz hat es mir nicht mehr so viel ausgemacht, den Song zu singen."
Der Workshop wurde übrigens vom französischen Jazztrompeter Erik Truffaz geleitet, und Laura konnte ihn auch gleich überreden, mitzumachen.
Für den Song "Buena de Mas", den sie ihrer verstorbenen Mutter widmen, konnten Las Hermanas Caronni den italienisch-britischen Musiker Piers Faccini gewinnen. Er sprach gemeinsam mit der US-amerikanischen Ehefrau ihres Managers das Gedicht "283. N. Y." des US-Dichters Ezra Pound.

Reizvoller Mix aus britischen und US-Akzent

"Ich fand es reizvoll, den britischen Akzent mit dem US-Akzent zu kombinieren. Dieses Gedicht ist an New York gerichtet. Ich kam auf die Idee, es zu verwenden, als wir im Schloss von Ezra Pound auftraten. Dort finden ab und zu Konzerte statt. Wir sollten etwas von ihm rezitieren. Und wir entschieden uns für dieses Werk, weil es das Lieblingsgedicht unserer Mutter war."
Als "Musik, die in langsamen Schritten den Strand entlang zu schreiten scheint", beschrieb ein Folkmagazin das Debüt des Zweifrauenorchesters. Wenn man die Texte nicht ausblendet, geht es auf "Santa Plástica" weniger gemütlich zu. Und das ist gut.
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