Lars Klingbeils Medienkritik

"Ich möchte nicht jeden Satz zehnmal durchbürsten"

11:56 Minuten
SPD Vorsitzender Lars Klingbeil als Redner bei einer Wahlveranstaltung in Kiel.
Am liebsten ohne Filter: Der Ko-Vorsitzende der SPD Lars Klingbeil beklagt ein Medienklima, das politische Kommunikation immer schwieriger macht. © IMAGO / penofoto / Petra Nowack
Lars Klingbeil im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 20.09.2022
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Ein Zitat ohne Kontext, ein einzelner Satz, auf den eine Empörungswelle bei Twitter folgt: SPD-Chef Lars Klingbeil kritisiert, dass eine überhitzte Medienpraxis die Verständigung über Politik erschwert. Jede Äußerung werde damit zum Balanceakt.
Die Jagd nach einer guten Schlagzeile oder der Wettlauf um den meistgeteilten Kommentar in den sozialen Medien führen immer häufiger dazu, dass Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen, zugespitzt oder sinnentstellt werden. Diese schlechte Erfahrung hat Lars Klingbeil, Ko-Vorsitzender der SPD, ebenso gemacht wie Kevin Kühnert, der Generalsekretär seiner Partei.

Ungeprüft geteilt und kommentiert

In ihrem gemeinsamen Podcast "Die K-Frage" kritisieren Klingbeil und Kühnert, dass die Praxis, kurz zusammengefasste Kernaussagen aus Interviews als Ticker-Meldungen zu veröffentlichen, häufig zu inhaltlichen Verdrehungen und Falschdarstellungen führe. Dass solche Meldungen etwa auf Twitter schnell weiterverbreitet werden, verschärfe das Problem: Meist ohne dass diejenigen, die sie teilen und kommentieren, sich die Mühe machen, zuerst die eigentliche Quelle heranzuziehen und zu prüfen, in welchem Zusammenhang das Zitat ursprünglich stand.
Kevin Kühnert, der für – aus seiner Sicht falsch verstandene – Aussagen zum Ukrainekrieg reichlich Gegenwind bekam, legte seinen Twitter-Account daher vorläufig still. Klingbeil bedauert, die auch im Journalismus verbreitete Tendenz zur Verkürzung und Zuspitzung mache „viel kaputt“. In einer von publizistischem Erfolgsdruck und den Empörungswellen der sozialen Medien geprägten Öffentlichkeit befinde er sich als Politiker jederzeit in einem Spannungsverhältnis.

Bloß kein falscher Satz

„Eigentlich will man sehr locker das erzählen, was einen umtreibt, und tiefe, ehrliche Einblicke geben – und auf der anderen Seite weiß ich: Ein falscher Satz, und dann fliegt es einem tagelang um die Ohren“, sagt Klingbeil.
Einer offenen und glaubwürdigen Verständigung über Politik, wie sie eigentlich wünschenswert wäre, stehe das entgegen: „Ich will nicht jeden Satz in den Filtern, die ich ja gelernt habe, zehnmal durchbürsten und darauf achten: Darf ich den jetzt sprechen oder nicht?“
Dass soziale Medien ihm einen direkten Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, möchte Klingbeil nicht missen. Nach wie vor sei er auch gern auf Twitter unterwegs, obwohl es dort mittlerweile „viel Hass und sehr viel Gegeneinander“ gebe. „Sich da zurechtzufinden und zu bewegen, das ist etwas, was meine Politikergeneration sehr fordert, was aber auch viele Chancen bietet“, sagt Klingbeil.

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