Langweiliges Spiel

In dem Roman "Spiel" geht es um den jugendlichen Helden Norbert - und um seine Kindheit und Jugend. Seiner Elterngeneration sind dabei vor allem Disziplin und Anpassung wichtig. Sie hält nicht allzu viel von gesellschaftlichen Abweichungen. Zum ersten Mal tritt damit der niederländische Autor Stephan Enter vor die deutschen Leser - und enttäuscht.
Stephan Enter ist der Mann fürs Detail, da besteht kein Zweifel. Gerüche, Farben, Gesichter - er beschreibt sie in allen Einzelheiten. Nur leider reicht seine Beschreibungslust nicht aus, den Leser für 252 Seiten an seinen Roman "Spiel" zu fesseln. Dem Buch fehlen die Originalität der Geschichte und die Kraft einer eigenen Sprache.

Wie schade, könnte man sagen, denn mit Stephan Enter tritt immerhin einer der erfolgreichsten jungen Autoren aus den Niederlanden in den deutschen Buchmarkt ein: "Spiel" ist sein erster Text in deutscher Übersetzung. Enter, Jahrgang 68, ist, wie er sagt, in einem "calvinistischen Umfeld" groß geworden, ein Setting, das auch sein Buch bestimmt.

Die Elterngeneration des jugendlichen Helden Norbert hält nichts von allzu viel gesellschaftlichen Abweichungen und sinnlichen Erfahrungen, schon gar nicht vom Spiel - wichtig ist ihr vor allem Disziplin und Anpassung. Niederländische Provinz in den 70ern: Das war weit entfernt von Amsterdamer Liberalität, das ließ eher an unbequeme Kirchenbänke, akkurate Vorgärten, billige Krawatten und strenge Lehrer denken - kein ideales Umfeld für das Großwerden von Norbert, dessen Kindheit, Pubertät und späte Jugend hier beschrieben wird.

Leider überträgt sich die Langweile dieser Welt auch auf den Leser. Der Junge spielt mit seinen Freunden im Wald, er entfremdet sich von ihnen, als sie größer werden, er gerät zwischen die Fronten der üblichen Dorfgangs, er entsagt von der Religion und provoziert einen Eklat im Konfirmandenunterricht, er erfährt seine ersten Gefühls- und Körperaufwallungen mit einem Mädchen in einem Kirchturm, er lernt Schach spielen wie ein Weltmeister, er legt sich mit seinen Lehrern an.

So weit, so normal. Am Ende dann - man hätte es diesem enttäuschenden Roman an einer früheren Stelle gewünscht! - taucht seine Großmutter auf. Endlich jemand, der Schwung in diese Normalo-Biografie bringt, jemand, der trotz seines Alters eine Energie ausstrahlt, die Held Norbert woanders nicht mehr bekommt.

Ehrlich gesagt, das war es schon, was dieses Buch ausmacht. Ein Buch, das man gemeinhin als "nett" bezeichnen würde, oder sollte man besser "brav" sagen? Bloß keine Experimente – das wird sich der Autor gedacht haben, als er es verfasste. Nur keine unerwarteten Wendungen, nur keine Fallstricke, lieber alles lauwarm halten, der Leser soll sich doch bitte nicht wehtun. Was dabei herauskommt, ist kein Ärgernis, aber ein durchschnittlich geschriebenes Stück Langeweile.

Besprochen von Vladimir Balzer

Stephan Enter: Spiel,
Roman, Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby
Berlin Verlag, 252 Seiten, 19,90 Euro