Lange Liste der Vorwürfe an eine Umweltorganisation

29.07.2012
Eingeschüchterte Buchhändler, erregte Interviews, ein Gerichtsurteil, die Streichung umstrittener Passagen, explodierende Verkaufszahlen und mittendrin ein dunkles Buch mit einem Pandabären auf dem Cover. Groß ist die Aufregung um das "Schwarzbuch WWF".
Nach seiner ARD-Filmdokumentation "Pakt mit dem Panda" fühlt Autor Wilfried Huismann der Umweltorganisation "World Wide Fund for Nature" nun auch schriftlich auf den Zahn – und trifft den Schmerzpunkt offensichtlich ziemlich gut.

Auf der Liste seiner Vorwürfe steht die Verletzung von Menschenrechten ganz oben. Im Geist der Kolonialzeit steckengeblieben, helfe die Organisation, indigene und angestammte Bevölkerungen aus Nationalparks zu vertreiben, da sie den Wildbeständen angeblich schadeten. In seinen Werbebroschüren verkaufe der WWF diese Politik als Armutsbekämpfung. Tatsächlich würden einst im Einklang mit der Natur lebende Völker schlicht aus dem Weg geschafft, um das Land der globalisierten Wirtschaft, zum Beispiel der Tourismusindustrie, einzuverleiben. Beklemmend schildert Wilfried Huismann, wie WWF-Reiseleiter Touristen in Indien den Anblick lebender Tiger garantieren und die letzten Lebensräume der Tiere mit Peilsendern, Motorfahrzeugen und Dutzenden überaktiver Mitarbeiter in eine Lärmhölle verwandeln.

Bedenklich eng habe sich der WWF zudem mit großen Sponsoren verbunden, klagt Wilfried Huismann. Die HSBC-Bank – weltweit größter Finanzier der Biosprit-Industrie – ließ der Umweltorganisation vor einiger Zeit eine freundliche Großspende von 100 Millionen Dollar zukommen. Das geschehe nicht ohne Gegenleistung, arbeitet der Autor heraus. Im Gegenzug trete der WWF als Umweltpartner der ökologisch und menschenrechtlich desatrösen Industrie auf und helle ihr angeschlagenes Image auf. Auch von dem Gentechnik-Riesen Monsanto lässt sich der WWF großzügig fördern – und verzichtet auf eine Kritik an der grünen Gentechnik, zum Beispiel an den riesigen Soja-Monokulturen, die sich in Lateinamerika wie ein Schreckgespenst für Land und Leute überallhin ausbreiten.

Leider lässt sich der Autor von seiner eigenen Emphase immer wieder in stilistische Defizite treiben. Vor lauter Eifer wirft er die Zeiten durcheinander und seine Anklage schwankt wie ein überladenes Boot unter all den Interview-Bruchstücken, Blicken durch Schlüssellöcher und dick aufgetragenen Empörungsformeln bedenklich hin und her. Zwingend wird das Buch immer dann, wenn die Fakten für sich sprechen dürfen. Und wenn Menschen vor Ort zu Wort kommen, wie der indische Tigerforscher, der von absurden Forschungsprojekten berichtet.

Wissenschaftler im Auftrag des WWF legten den Tigern Sende-Halsbänder um, obgleich über die Großkatzen eigentlich alles bekannt sei. Aus Angst verpassten sie den Tieren oft eine zu hohe Dosis. 15 Tiger seien bereits an Herzversagen verendet: "Sie wurden beim Tigerzensus trotzdem mitgezählt. Man hat die Sender einfach im Dschungel liegen lassen und sie senden weiter, als würden die Tiger noch leben."

Besprochen von Susanne Billig

Wilfried Huismann: Schwarzbuch WWF. Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda
Gütersloher Verlagshaus
256 Seiten, 19,99 Euro


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