Landwirtschaft und Ernährung

Reis-Aktien und glückliche Kühe

Sie sehen eine Wiese und einen Trecker, der Gülle ausbringt.
Auf dem Bio-Hof: ein Bauer beim Jaucheausfahren © picture-alliance / dpa / Tobias Hase
Gäste: Oxfam-Agrarexperten Marita Wiggerthale und Alfons Balmann vom Agrarinstitut IAMO · 21.01.2017
Längst bestimmen Konzerne und Börsianer, welche Lebensmittel wir im Supermarkt finden. Marita Wiggerthale warnt: Die Marktkonzentration im Agrarsektor ist eine Gefahr für die Demokratie. Alfons Balmann meint, ohne Konzentration geht es nicht. Der Ökolandbau könne die Welt nicht ernähren.
Sie ist die weltgrößte Fachmesse für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau: die "Internationale Grüne Woche" in Berlin, die noch bis zum 29. Januar stattfindet. Sie wird begleitet von Protesten kritischer Bauern und Nichtregierungsorganisationen. Am heutigen Samstag rufen sie zu einer Demonstration auf. Ihr Motto: "Agrarkonzerne: Finger weg von unserem Essen!"

Agrarrohstoffe sind längst begehrte Spekulationsobjekte

"Immer weniger, dafür immer größere multinationale Konzerne kontrollieren die Märkte vom Acker bis zur Ladentheke", sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam Deutschland. Die Hilfsorganisation gehört zu den Herausgebern des "Konzernatlas 2017", er beschreibt die Folgen der Konzentration auf dem Lebensmittel- und Agrarmarkt. So fanden fünf der zwölf kapitalintensivsten Konzernübernahmen in den vergangenen zwei Jahren im Agrar- und Ernährungsbereich statt. Agrarrohstoffe sind längst zu begehrten Spekulationsobjekten geworden.
Wiggerthale: "Diese Marktkonzentration ist auch eine Gefahr für die Demokratie, denn diese Konzerne üben auch Einfluss auf die politische Macht aus."
Der Atlas beleuchtet auch die Machtverhältnisse auf dem Supermarktsektor: Bereits heute decken vier Ketten 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland ab. "Die Supermarktketten bestimmen wesentlich, wer wie Lebensmittel produziert und welche Lebensmittel Konsumenten im Regal vorfinden. Je höher der Marktanteil der Supermarktkette, desto größer ihre Macht, Lieferanten die Preise und die Konditionen zu diktieren."

"Ökolandbau ist keine tragfähige Alternative"

"Die Haltung, 'klein ist gut, groß ist böse', halte ich für problematisch", sagt Alfons Balmann, Direktor am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle. "Einzelne Akteure haben es geschafft, qualitativ hochwertige Produkte zu sehr günstigen Preisen anzubieten. Sie sind deshalb so mächtig geworden, weil sie nicht nur günstigere Lebensmittel, sondern auch sichere Lebensmittel bieten. Und es ist ihnen gelungen, Fragen wie den Tierschutz oder die Ausbeutung wesentlich von ihnen selbst fernzuhalten. Sie haben es geschafft, dass dafür eher die Bauern angegriffen werden."
Angesichts der steigenden Weltbevölkerung seien eine gewisse Konzentration und auch eine Technisierung der Landwirtschaft nötig. Der Ökolandbau, der seitens der NGOs propagiert werde, sei keine tragfähige Alternative.
"Ich würde ihn nicht als Instrument sehen, mit dem nachhaltig die Weltbevölkerung ernährt werden kann. Es sei denn, die Weltbevölkerung beschließt, sich in ihrem Konsum einzuschränken. Die EU und Deutschland sind nur ein kleiner Teil des Marktes. Nehmen Sie nur China - da gibt es ganz andere Dimensionen: Mit einem enormen Bevölkerungswachstum und gleichzeitig steigendem Wohlstand, der einhergeht mit einem höheren Konsum."
Wenn man über die Zukunft der Landwirtschaft und der Ernährung diskutieren wolle, müsse man sich von manchen romantisierenden Vorstellungen verabschieden. Zur Zukunft gehöre auch die im Konzernatlas kritisierte "Landwirtschaft 4.0": "Ich glaube, dass in diesem Bereich ein enormes Potenzial steckt, bis dahin, dass ein Teil der Landwirtschaft durch Roboter betrieben werden kann. Das geht von der Datennutzung über Satelliten, Drohnen – bis hin zur Künstlichen Intelligenz."

Wer bestimmt, was wir essen? Darüber diskutiert Matthias Hanselmann heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Marita Wiggerthale und Alfons Balmann. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

Informationen im Internet:
Über Marita WiggerthaleÜber Alfons Balmann
Literaturhinweis:
Der Konzernatlas 2017 zum Download
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