Landwirtschaft

"Bauer Willi" und die Billig-Lebensmittel

Eine Milchkuh steht auf einer Weide.
Es gibt viel zu wenige Kunden für hochwertige Lebensmittel. © picture-alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Udo Pollmer · 15.05.2015
Immer wieder wird in Deutschland über viel zu billige Lebensmittel geklagt. Schuld daran seien die knauserigen Verbraucher, heißt es dann oft. Doch auch die Erzeuger sollten sich an die eigene Nase fassen, meint Udo Pollmer.
Endlich hat die Landwirtschaft eine Stimme, die auch gehört wird. Unter dem Pseudonym "Bauer Willi" hat ein Landwirt vom Niederrhein einen Brandbrief an die Verbraucher gerichtet. Aus seiner Sicht sind die ziemlich schizophren. Einerseits forderten sie eine Ponyhof-Landwirtschaft mit Schmetterlingen und Blümelein, andererseits würden sie immer nur das Billigste aus der Monokultur kaufen. Erst stellen sie jede Menge Ansprüche an die Erzeuger und dann werfen sie ihre Nahrungsmittel achtlos in die Tonne. Für Bauer Willi ein deutliches Zeichen, dass unsere Lebensmittel zu billig sind, eine Aussage, für die er im Internet viel Zustimmung erntete.
Einer seiner Kollegen bekam für seine Kartoffeln gerade mal einen Cent pro Kilo – und im Laden kosten TK-Pommes dann mehr als das Zweihundertfache. Hier mache sich jemand "gewaltig die Taschen voll", urteilt der Landmann. Sein Frust ist verständlich, aber glaubt er ernsthaft, dass das Geld in seinen Taschen landet, wenn die Kunden das Doppelte bezahlen?
Teuer bedeutet nicht gleich gut
Kein Verbraucher feilscht im Supermarkt mit der Kassiererin um die Preise. Er bezahlt einfach. Anders der Landwirt. Er ist in Erzeugergemeinschaften organisiert und diese handeln die Preise mit ihren Lieferanten und Abnehmern aus. Wenn das Ergebnis für die Erzeuger unbefriedigend ist, mag man sich an die eigene Nase fassen.
Natürlich verweisen die Handelsketten auf ihre Kunden. Diese würden immer das Billigste kaufen. Und danach richte man sich eben. Zu dieser Situation hat der Handel selbst beigetragen. Denn der Verbraucher zahlt auf Dauer nur dann mehr, wenn die Qualitätsversprechen auch objektivierbar sind. Denn er weiß, dass teuer nicht gleich gut bedeutet. Wer Information auf Werbemärchen und cooles Verpackungsdesign reduziert, untergräbt das Urteilsvermögen seiner Kunden und sät Skepsis.
Preise sind auch vom Vertrauen abhängig. Fehlt das Vertrauen, sinkt die Bereitschaft, tiefer in die Tasche zu greifen. Für Zweifel und Misstrauen gibt es seit Jahren jede Menge Anlässe, Stichwort Etikettenschwindel. Dazu kommen die Skandale der Landwirtschaft. Es mag ja sein, dass vieles davon medial inszeniert wurde, aber wenn die Agrarwirtschaft mit Schweigen auf Anwürfe reagiert, darf sie nicht erwarten, dass sie dafür auch noch belohnt wird. All das nagt an den Margen.
Die Landwirte könnten mit gutem Beispiel vorangehen
Es ist nicht klar, wem es mehr an Wertschätzung für unser Essen mangelt – dem Verbraucher oder dem Erzeuger. Haben nicht Milchproduzenten aus Protest gegen niedrige Preise ihre Milch auf die Straße geschüttet? Wohl nicht zufällig endeten Protestdemos gegen "zu niedrige Preise" in der Nähe von Billigläden. Offenbar glauben manche der Landwirte, nur ihnen stehe das Privileg zu, bei Aldi und Lidl billig einkaufen zu dürfen, für alle anderen Kunden ist das Angebot aus ihrer Sicht wohl "zu billig".
Dabei könnten gerade hier unsere Landwirte mit gutem Beispiel vorangehen. Es gibt viel zu wenige Kunden für hochwertige Lebensmittel. Und als Erzeuger sollten sie mit ihrem Fachwissen nicht so hilflos vor den Regalen stehen wie gewöhnliche Kunden – oder etwa doch?
Die "zu-billig"-Diskussion kann böse ins Auge gehen. Sie wird inzwischen von der Politik aufgegriffen und gipfelt in der Forderung nach Steuererhöhungen. Denn damit, so die Theorie, ließe sich das Ernährungsverhalten "verbessern". Tritt eine Zucker-, Fett- oder Fleischsteuer in Kraft, dann wird der Handel von den Erzeugern verlangen, dass sie durch Einsparungen die Steuerlast kompensieren. Dann haben die Landwirte allerdings Grund zum Jammern.
Die Diskussion, die "Bauer Willi" angestoßen hat, ist wichtig – aber gegenseitige Schuldzuweisungen helfen nicht weiter, doch das wird er längst selbst wissen. Es stimmt auch, dass viele Verbraucher geradezu abenteuerliche Vorstellungen von der Landwirtschaft haben, und es ist nur logisch, dass Landwirten bei den oft unqualifizierten Angriffen der Geduldsfaden reißt. Allerdings gilt das auch umgekehrt. Vielen Bauern fehlt jede Vorstellung davon, wie Verbraucher ticken. Dank Bauer Willi beginnt sich das zu ändern. Mahlzeit!
Quellen
Bauer Willi: Lieber Verbraucher. Blog vom 19. 1. 2015
Jauch G: Die Wut der Bauern – sind unsere Lebensmittel zu billig? ARD, Sendung vom 10.05.2015
Mehr zum Thema