Landtagswahl in Sachsen

Die blonde Geheimwaffe

Eine Frau fährt auf dem Fahrrad am 28.07.2014 an einem Wahlplakt der FDP zur kommenden Landtagswahl mit dem Spruch "Sachsen ist nicht Berlin!" in Leipzig (Sachsen) vorbei. Die FDP regiert derzeit noch im sächsischen Landtag gemeinsam mit der CDU.
Wahlplakat der FDP zur kommenden Landtagswahl in Sachsen am 31. August. © picture alliance / dpa / Foto: Sven HoppeJan Woitas
Von Nadine Lindner  · 04.08.2014
Die Talfahrt der FDP könnte weitergehen. Bei den Landtagswahlen am 31. August droht ihr auch der Rauswurf aus dem sächsischen Landtag. Drei bis vier Prozent werden den Freidemokraten vorhergesagt. Verhindern will sie das mit Blondinen- und Anti-Sozialismus-Plakaten.
"Hallo, ich komme vom Deutschlandradio, ich würde gern mit Ihnen über die FDP reden."
Im Blick des jungen Mannes spiegeln sich Mitleid und Unverständnis. Er macht hektische abwehrende Bewegungen mit den Händen und flüchtet sich in eine Ladentür auf der Dresdner Hauptstraße.
Ist das die Angst vor der Landtagswahl in knapp vier Wochen? Die Sachsen haben es in der Hand. Am 31. August könnten sie aus der FDP eine reine Oppositionspartei machen. Die letzte Koalition mit der CDU steht vor dem Aus. Sogar der Einzug in den Landtag ist fraglich bei Umfragewerten von drei bis vier Prozent. Höchste Zeit für innovative Konzepte.
Ein alter Slogan: "Nie wieder Sozialismus"
FDP-Generalsekretär Torsten Herbst stellt die neuen Wahlkampf-Plakate vor: Auf einem ist eine rote Hand abgebildet, die eine schwarze Hand greift, darunter der Slogan "Nie wieder Sozialismus". Gemeint sind SPD und Union im Bund - wegen der "Gleichmacherei" mit dem Mindestlohn. Das wäre mit der FDP nicht passiert, so der Generalsekretär.
Torsten Herbst:"Wir haben ein Stück weit eine Abkehr von den Erfolgsprinzipien in Deutschland, die uns reich machen, die unseren Wohlstand auch in Sachsen bilden. Wir wollen ganz klar sagen, wir sind der Unterschied."
Wenige Minuten nach der Veröffentlichung erntet das Plakat bereits verheerende Kommentare auf Facebook.
"Geht gar nicht" oder "schön, die nächste Prozenthürde, an der gescheitert wird."
Auch dieses Pärchen auf einer Parkbank kann sich nicht so recht begeistern für die FDP-Plakate:
"Ich bin mir nicht sicher, ob sie mit dieser Aussage wahnsinnigen Erfolg haben werden. Da wären andere Informationen bestimmt wichtiger."
Blondi kommt
Es könnte in Sachsen wieder Zeit werden für die Geheimwaffe aus dem Jahr 2009: Die Plakat-Blondine!
Vor einem blauen Hintergrund posiert eine vollbusige junge blonde Frau - im hautengen gelben Topp. Ihre rechte Hand streckt sie nach vorn und formt mit zwei Fingern das Victory-Zeichen. Darunter der schlichte Slogan: "Sachsen", Ausrufezeichen! In Berlin würde auf solchen Plakaten wohl innerhalb von fünf Minuten ein Sticker mit der Aufschrift "sexistische Kackscheiße" kleben. In Sachsen dagegen erhielten die Liberalen mit der Plakat-Blondine bei der letzten Landtagswahl stolze zehn Prozent.
Also eine Neuauflage? Generalsekretär Torsten Herbst.
"Ich sag mal so: Es gibt eine Überraschung in diesem Bereich. Man muss die Leute auch mal emotional ansprechen."
Eine Überraschungs-Plakat-Blondine in der Dresdner Fußgängerzone – zumindest beim Pärchen auf der Parkbank visualisiert sich noch keine Euphorie.
"Die FDP will wieder jünger und sexier werden. Aber das würde mich zum Wählen trotzdem nicht animieren."
"Wenn es ein Mann wäre, würde mich das animieren. (Lachen). Nein, eher nicht."
Der wichtigste Mann der sächsischen FDP ist Spitzenkandidat Holger Zastrow. Er hat großen Anteil am Ruf der FDP einen schrillen Wahlkampf zu führen. Zastrow betreibt neben dem politischen Geschäft in Dresden eine Werbeagentur.
Noch gibt er sich betont cool, redet die Möglichkeit des Scheiterns klein. Auf dem Bundesparteitag der FDP vor ein paar Wochen in Dresden konnte jeder einen eigenen Eindruck vom besonderen Humor des sächsischen Landesvorsitzenden gewinnen:
"Ansonsten geht es uns eigentlich ganz gut, wenn nicht ausgerechnet dummerweise in diesem Jahr gewählt werden müsste."
Da blieb einigen sächsischen Delegierten vermutlich das Lachen im Halse stecken.
Die bunte Truppe von der AfD
Der 45-Jährige gebürtige Dresdner gilt innerhalb seiner Partei als kritischer Geist, als Querkopf, der sich gerne und laut vom Kurs der Bundes-FDP abgrenzt. Seit 1999 führt Zastrow den Landesverband – doch wie lange noch?
Die politische Konkurrenz von der eurokritischen Alternative für Deutschland ist in Umfragen an der FDP vorbeigezogen.
Doch Holger Zastrow gibt sich betont cool, zum Beispiel bei der Frage, wie er denn im Wahlkampf mit der AfD umzugehen gedenkt.
"Gar nicht! Warum soll ich mit der AfD umgehen. Die gibt’s, die sind da. Die bestehen aus Protestlern und Gescheiterten. Das ist eine ganz bunte Truppe."
Zastrow hält die Eurokritiker für einen unsortierten Haufen, der seiner Partei mit ihrem ausgeprägten landespolitischen Profil nicht gefährlich werden kann. Die FDP habe eine Erfolgsbilanz: Sie hätten Schulschließungen und Windräder verhindert, den Sächsischen Haushalt konsolidiert und im Bundesrat gegen den Mindestlohn gestimmt.
Ob er sich da mal nicht täuscht. Bislang scheinen Anti-Sozialismus-Plakate und Ankündigungen für Überraschungs-Blondinen die Dresdner eher kalt zu lassen.
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