Landschaftsmalerei abseits des Mainstreams

Von Carsten Probst |
Eine Ausstellung im Collegium Hungaricum Berlin zeigt, wie sich junge ungarische Künstler mit der europäischen Landschaft auseinandersetzen.
„Das sind halt einfach Landschaften, die ich sehr gut kenne, die mit meinem persönlichen Leben was zu tun haben. Und mich interessierte dann bei den Landschaften das intensive visuelle Erlebnis, also jetzt unabhängig (...) von (...) zum Beispiel politischen Bedeutungen.“

Sagt Konstantin Déry, 1976 in Budapest geboren, als Maler und Kunstpädagoge ausgebildet in seiner Heimatstadt, aber auch bei Arno Rinck an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Unpolitisch, malerisch eher konservativ – Dérys Haltung erscheint durchaus typisch für viele Künstler dieser Ausstellung, nicht nur im Verhältnis zum Sujet der Landschaft, sondern generell als Haltung einer Generation.

„Ich glaube schon, dass ich schon zu dieser Generation gehöre, die dieses Gefühl nicht kennt, wo einem irgendwas so ein bisschen aufgezwungen wird, so wie vielen vorher schon dieser Realismus aufgezwungen wurde. Also das war einfach nur so ein relativ rein persönliches Interesse bei mir auch. (...) Ich hab mich immer schon für Malerei und auch für viele verschiedene Richtungen interessiert, und das war (...) eine relativ persönliche Intention, diese farbintensive und sehr sinnliche Malerei wieder zu betreiben. Das ist für mich wichtiger sogar, als (...) diese Traditionsbezogenheit.“
Obwohl Konstantin Déry auf den ersten Blick durchaus klassische Malereiformate schafft mit einer auf farbliche und gegenständliche Präzision ausgerichteten Pinselführung, sieht er sich doch nicht als Naturalisten oder Traditionalisten. Eines seiner Gemälde zeigt eine Figur an einem Tümpel im Wald, die Wasserfläche mit ihren Spiegelungen mit bestechender Brillanz gemalt, steht wie ein großer Blickfang im Zentrum des Bildes. Traditionell ist die täuschende Wiedergabe von Wasser der Erweis handwerklicher Meisterschaft eines Malers, aber Déry betont, dass es ihm jenseits des derzeitigen Markterfolges altmeisterlicher Techniken immer um persönliche Motive gehe.

„Also, ich habe auch einige Bilder mit Figuren, und auch da suchte ich immer eher nach solchen universellen und psychologischen Themen. Ich hab da versucht, so ziemlich zeitlose Themen zu inszenieren und die mit seltsamen, eher an Freskenmalerei erinnernde Lichter so ein bisschen aus dieser ganzen historischen (Malerei) hinauszuheben.“

Junge europäische Landschaftsmalerei – unter einem solchen Titel konnte man vor zehn Jahren noch eher Pixellandschaften, Ruinenszenarien oder die Nichtorte in Großstädten erwarten. Der junge Kurator Uwe Goldenstein sucht bei der Ausstellung im Collegium Hungaricum in Berlin heute einen anderen Querschnitt. In Ungarn wie in anderen ehemals sozialistischen Staaten dominiert mittlerweile eine Westausrichtigung des künstlerischen Mainstreams, weshalb Goldenstein bewusst nach Positionen wie derjenigen Dérys sucht, die sich nicht vorrangig über Zugehörigkeiten zu tagesaktuellen Märkten und Moden definieren mögen.

Goldenstein: „Es gibt natürlich Maler (...), die auch einfach durch die Technik brillieren und auch durch das akademische Können und auch ganz vorsichtig sehr modern sind, aber auch völlig unabhängig von irgendwelchen Stilen. Andererseits sind eben auch viele in Berlin (...), die sich überhaupt nicht anbiedern, sondern selber ganz klar und auch ganz vorsichtig und ganz leise Positionen setzen, woran ich mich als Kurator orientiere und auch eine Ausstellung fertigstelle.“

Goldensteins Strategie bekommt dem Thema und der Ausstellung gut. Sie trägt – gerade angesichts ihres offiziellen Charakters als künstlerische Repräsentation anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns – die Züge einer persönlichen These. Auch wenn man überrascht sein mag, wie konventionell realistisch, romantisch oder surrealistisch einerseits doch die Bildsprache vieler junger Künstler im Jahr 2011 daherkommt, sind sie alle in ihrem Interesse an Landschaft doch betont eigen.

Goldenstein: „Das Schwerelose ist durch das Zitieren, durch diese Stilmixe, (...) dass jedes Werk extrem komplex ist (...), aber das Resultat doch wieder so verallgemeinerbar zugänglich. (...) Das heißt, es ist für alle zugänglich, es ist jetzt nicht ein abgefahrenes Kunstdings sozusagen, wie viel kritisiert wird, sondern es ist einfach eben wie die Landschaft eben auch (...), dass es zugänglich ist, weil es ja auch zu jedem gehört. Weil jeder seine Landschaft hat, ob das jetzt eine äußere oder innere Landschaft ist.“

Ein Maler wie der junge Spanier Juan Béjar wagt mit seinen extrem verkünstelten Porträts zum einen den Rückbezug zu den klassischen höfischen Porträts des spanischen Barock, zum anderen erscheinen Mensch und Landschaft puppenhaft gebrochen in einer Mischung aus Henry Rousseau und George Condo. Bejár ist der Einzige, der hier spielerisch noch ganz auf die Zentralperspektive vertraut. Ansonsten verliert sich die gezeigte Landschaftsmalerei gern im freien Schwenk über den aus seinen Grenzen geworfenen Raum. Die Landschaft wird unspezifisch, sie ist keiner Kultur oder Nationalität zuzuordnen, leicht unscharf und mitunter fast eher eine Dreingabe zu einem gar nicht mehr ruhenden Blick, der im rasenden Vorbeiziehen Halt sucht.

Link:
Collegium Hungaricum Berlin (.CHB)