Landschaften der Seele
In den acht Erzählungen im Band „Nachts kommen die Füchse“ des niederländischen Schriftstellers Cees Noteboom reden hauptsächlich Abwesende und Tote. Die Zwiesprache mit ihnen entzündet sich zumeist anhand von Fotos. Sie fallen aus alten Zeitungen oder geraten dem Erzähler beim Aufräumen in die Hände.
Der 1933 in Den Haag geborene Cees Nooteboom gehört zu den wichtigsten Stimmen der niederländischen Literatur. Sein beachtliches, mehrfach ausgezeichnetes Werk umfasst Prosa und Lyrik, Theaterstücke und Essayistik, aber auch Reiseliteratur. Denn Nooteboom ist ein Weltenbummler und Kosmopolit. Ein Fernsüchtiger, der sich gern von der Architektur europäischer Metropolen, von fremden Sprachen und Landschaften inspirieren lässt, um der Erinnerung daran „leichte Geschichten“ wie in dem Band „Roter Regen“ (2007) zu entlocken. Das Schreiben wird zum genussvollen Wiederholungsvorgang, um die immer währende Sehnsucht des Fernwehs zu stillen.
Doch nun wird mit „Nachts kommen die Füchse“ eine überraschend andere Topographie entworfen, wo die Füchse das Sagen haben. Sie schnüffeln, beißen, hecheln in nächtlicher Unrast umher und in ihren geöffneten Mäulern blitzen scharfe Zähne.
In den acht Erzählungen geht es Cees Nooteboom um die geheimnisvolle Landschaft der Seele, um ein Schattenreich, in dem sowohl der Schlaf als auch der Tod die Regie führen. Kein Wunder, dass hauptsächlich Abwesende und Tote zu Wort kommen. Die Zwiesprache mit ihnen entzündet sich zumeist anhand von Fotos. Sie fallen aus alten Zeitungen oder geraten dem Erzähler beim Aufräumen in die Hände.
Da ist zum Beispiel Paula, um die es in den Erzählungen „Paula“ und „Paula II“ geht. Alles, was dem Erzähler in 40 Jahren von ihr geblieben ist, so meint er jedenfalls, ist das Cover der „Vogue“, von dem sie ihn blutjung und provozierend anschaut. Da er nicht an Geister glaubt, aber an die suggestive Macht der Fotografie, ist er entrüstet. „Du stehst da im Totenreich, und gleichzeitig willst du noch etwas mit deinem halb geöffneten Mund.“ Der Erzähler weiß nicht, was schlimmer ist, „alt zu werden oder tot zu sein“. Doch Paula war nie alt und er noch nie tot. Plötzlich beginnt Paula zu sprechen. Ist das Halluzination oder die Macht der Poesie? Zudem muss er feststellen, dass die Tote ihn besser kennt als alle noch Lebenden. Sie ist die Einzige, die von seiner schweißtreibenden, nächtlichen Angst vor den herumstreunenden Füchsen weiß.
Ein Foto bildet auch den Auftakt zu der Erzählung „Heinz“. Zu sehen sind darauf fünf Männer und zwei Frauen, unter ihnen diesmal auch der Erzähler. Er spürt den lustvollen Zwang zur Verstellung, um sich und die anderen nicht erkennen zu müssen. Doch das Bild sitzt fest und die Zeiten schieben sich ineinander. Als „Schreiberling“ fühlt er außerdem eine moralische Pflicht in sich aufsteigen. Denn in 50 Jahren wird sich niemand mehr an den Vizehonorarkonsul und melancholischen Trinker Heinz erinnern, der verdammt einsam gestorben ist.
Cees Nooteboom gelingt in dieser Erzählung eine grandiose Symbiose von Erinnerung und Reflexion. Behutsam zoomt er die notwendigen Bildpartikel heran, um die tragikomische Karriere des Freundes zu beleuchten. Dabei entsteht ein Zeitteppich, wo auch für den Erzähler ein Platz reserviert ist. Dort gilt es sich einzurichten und zu schreiben.
Besprochen von Carola Wiemers
Cees Nooteboom, Nachts kommen die Füchse, Erzählungen,
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen,
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009, 153 Seiten, 19,80 Euro.
Doch nun wird mit „Nachts kommen die Füchse“ eine überraschend andere Topographie entworfen, wo die Füchse das Sagen haben. Sie schnüffeln, beißen, hecheln in nächtlicher Unrast umher und in ihren geöffneten Mäulern blitzen scharfe Zähne.
In den acht Erzählungen geht es Cees Nooteboom um die geheimnisvolle Landschaft der Seele, um ein Schattenreich, in dem sowohl der Schlaf als auch der Tod die Regie führen. Kein Wunder, dass hauptsächlich Abwesende und Tote zu Wort kommen. Die Zwiesprache mit ihnen entzündet sich zumeist anhand von Fotos. Sie fallen aus alten Zeitungen oder geraten dem Erzähler beim Aufräumen in die Hände.
Da ist zum Beispiel Paula, um die es in den Erzählungen „Paula“ und „Paula II“ geht. Alles, was dem Erzähler in 40 Jahren von ihr geblieben ist, so meint er jedenfalls, ist das Cover der „Vogue“, von dem sie ihn blutjung und provozierend anschaut. Da er nicht an Geister glaubt, aber an die suggestive Macht der Fotografie, ist er entrüstet. „Du stehst da im Totenreich, und gleichzeitig willst du noch etwas mit deinem halb geöffneten Mund.“ Der Erzähler weiß nicht, was schlimmer ist, „alt zu werden oder tot zu sein“. Doch Paula war nie alt und er noch nie tot. Plötzlich beginnt Paula zu sprechen. Ist das Halluzination oder die Macht der Poesie? Zudem muss er feststellen, dass die Tote ihn besser kennt als alle noch Lebenden. Sie ist die Einzige, die von seiner schweißtreibenden, nächtlichen Angst vor den herumstreunenden Füchsen weiß.
Ein Foto bildet auch den Auftakt zu der Erzählung „Heinz“. Zu sehen sind darauf fünf Männer und zwei Frauen, unter ihnen diesmal auch der Erzähler. Er spürt den lustvollen Zwang zur Verstellung, um sich und die anderen nicht erkennen zu müssen. Doch das Bild sitzt fest und die Zeiten schieben sich ineinander. Als „Schreiberling“ fühlt er außerdem eine moralische Pflicht in sich aufsteigen. Denn in 50 Jahren wird sich niemand mehr an den Vizehonorarkonsul und melancholischen Trinker Heinz erinnern, der verdammt einsam gestorben ist.
Cees Nooteboom gelingt in dieser Erzählung eine grandiose Symbiose von Erinnerung und Reflexion. Behutsam zoomt er die notwendigen Bildpartikel heran, um die tragikomische Karriere des Freundes zu beleuchten. Dabei entsteht ein Zeitteppich, wo auch für den Erzähler ein Platz reserviert ist. Dort gilt es sich einzurichten und zu schreiben.
Besprochen von Carola Wiemers
Cees Nooteboom, Nachts kommen die Füchse, Erzählungen,
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen,
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009, 153 Seiten, 19,80 Euro.

Cees Nooteboom© AFP