Landsberg: Ein Schritt in die falsche Richtung

Moderation: Hanns Ostermann |
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat die von der SPD-Spitze geplante Verlängerung des Arbeitslosengeldes I (ALG) für Ältere kritisiert. Es sei falsch, eine erfolgreiche Reform rückgängig zu machen, sagte Landsberg.
Hanns Ostermann: Es ist ein hoher Anspruch, den die SPD auf ihrem Parteitag in Hamburg umsetzen möchte. Der Begriff der sozialen Marktwirtschaft soll mit neuem Leben gefüllt werden. Ein Baustein ist dabei die umstrittene Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, bei der sich Parteichef Beck durchsetzen dürfte. Gleichwohl wies auch gestern noch einmal Vizekanzler und Arbeitsminister Müntefering darauf hin, noch müsse ermittelt werden, wie teuer das Ganze sei und ob man es sich leisten könne. Im Übrigen – so Müntefering – Parteitagsbeschlüsse seien noch kein Koalitions- und Regierungshandeln.
Zu denen, die die derzeitige Debatte für falsch halten, gehört der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Sein Hauptgeschäftsführer ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur: Gerd Landsberg. Guten Morgen Herr Landsberg!

Gerd Landsberg: Guten Morgen Herr Ostermann!

Ostermann: Sie sind wenigstens in dieser Frage ein Mann Münteferings. Warum?

Landsberg: Das bin ich ganz sicher. Ich glaube, dass es ein Schritt in die falsche Richtung ist. Die Agenda 2010 ist ein wichtiger Baustein gewesen. Er ist eben gerade jetzt erfolgreich und wenn eine Reform wirkt, halte ich es für falsch, sie rückgängig zu machen. Man muss auch sehen, dass alle führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland dieses genauso sehen, und ich habe das Gefühl, die Politik wird da von Umfragen getrieben. Natürlich sagt die Mehrheit der Bevölkerung, wenn die mehr kriegen können, sollen die mehr bekommen. Nur man müsste vielleicht die Frage anders stellen, ob der einzelne Bürger denn auch bereit wäre, dafür mehr Steuern zu bezahlen. Dann sieht die Umfrage möglicherweise ganz anders aus.

Ostermann: Herr Landsberg, Sie sagen jetzt zeigen sich die ersten Erfolge der Agenda 2010. Woran machen Sie das konkret fest?

Landsberg: Ein großes Problem – es geht ja auch um einen Riesen Personenkreis – sind Personen über 55 Jahre. Da hatten wir vor einem Jahr rund 530.000 Arbeitslose. Jetzt sind es unter 420.000, das heißt, ein Rückgang um etwa 110.000 Personen. Wenn Sie noch etwas mehr zurückschauen, dann wird das noch deutlicher. Im Jahre 2004 hatten wir eine Erwerbsquote von etwa 39,2. Das heißt von 100 über 55-Jährigen waren nur noch 39,2 Prozent beschäftigt. Jetzt liegt das bei 52 Prozent. Das ist doch ein bemerkenswerter Erfolg und ich glaube, dass man den möglicherweise damit aufs Spiel setzt, zumal eine Verlängerung – das war ja auch der Grund, warum man die Verlängerung ursprünglich rückgängig gemacht hatte – natürlich der Anreiz für den Unternehmer ist, die Leute in Frührente zu schicken nach dem Motto "jetzt bekommst du noch ein oder zwei Jahre" – übrigens warum nicht drei Jahre, warum nicht vier Jahre – "Arbeitslosengeld I weiter und dann gehst du in Rente". Das wollte man brechen. Das ist auch richtig, dass man das gebrochen hat. Wir können uns aus demographischen Gründen das gar nicht leisten. Wir werden demnächst qualifizierte Leute suchen. Die fehlen jetzt schon überall. Wir müssen dieses Erwerbspotenzial nutzen. Ich denke auch, wenn man den Einzelnen fragen würde was willst du, willst du vielleicht drei, vier Monate länger Arbeitslosengeld I, oder möchtest du eine konkrete Perspektive auf einen Arbeitsplatz oder eine konkrete Perspektive für eine Qualifizierungsmaßnahme, dann bin ich ganz sicher, wie die Antwort ausfallen würde.

Ostermann: Ich auch!

Landsberg: Das sollte die Politik vielleicht auch mehr im Auge haben.

Ostermann: Vielleicht, wenn man das parteitaktische Kalkül einmal außen vor lässt. Lassen Sie uns da bei der Sache bleiben und nicht eventuell auf das emotionale Geflecht in der SPD eingehen. – Noch mal zurück zu den Kosten. Ihre Organisation, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, könnte sich doch eigentlich auf die Schenkel schlagen, denn sie würden bei einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes I Geld sparen. Ein überzeugendes Argument ist das nicht?

Landsberg: Das ist natürlich ein Argument, aber wir würden letztlich nichts sparen. Das, was die Kommune am ersten will und was für sie wichtig, ist, dass die Menschen Arbeit haben. Und ob die jetzt ein halbes Jahr eher oder später sozusagen in unsere Kosten fallen, ist nicht das Entscheidende. Wir haben ein hohes Interesse an einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Sie können schauen nach Deutschland wohin Sie wollen. Wo wenig Arbeitslose sind, geht es den Kommunen gut. Deswegen haben wir ein hohes Interesse und das kann man nicht daran festmachen, ob das drei, vier Monate eher oder später ist. Das ist nicht der entscheidende Aspekt.

Man muss natürlich auch sehen, dass wir ständig natürlich mit dem Bund auch im Streit liegen um Kosten. Bisher sind ja die Kosten unklar: Was würde das tatsächlich an notwendigen Mitteln erfordern. Herr Beck hat ja mal die 800 Millionen gesagt. Sie werden wissen, dass die Bundesagentur von bis zu 2,9 Milliarden pro Jahr gesprochen hat. Wenn Sie sich diese Summen mal anschauen, was kann man damit machen. Was kann man damit qualifizieren, was kann man damit auch voranbringen auf dem Arbeitsmarkt. Ich denke das ist alles wichtiger als Transferleistungen weiter zu verlängern.

Ostermann: Dann gibt es Karl-Josef Laumann von der CDU, den nordrhein-westfälischen Arbeitsminister. Der hat eine Untersuchung im Schreibtisch, in der Schublade, sagt er, dass die Umschichtung beim Arbeitslosengeld I ohne Zusatzkosten möglich sei. Er wartet nur auf weitere empirische Untersuchungen. Hier kann man sagen, dass je nach Parteibuch und je nach Position unterschiedliche Zahlen in den Raum geworfen werden.

Landsberg: Das ist richtig. Ich halte mich da am ehesten an die Bundesagentur, weil die ja kein eigenes politisches Interesse verfolgt. Der Vorschlag der CDU oder aus Teilen der CDU muss man ja sagen, der sagt, wir kürzen dann bei den jüngeren, den halte ich natürlich auch für hoch gefährlich. Gerade ein jüngerer Erwerbsloser, der Familie hat, der ist möglicherweise – das hat Herr Müntefering ja auch richtig gesagt – vielleicht sogar noch viel mehr darauf angewiesen als ein 55-Jähriger oder 60-Jähriger, der die Kinder aus dem Haus hat und natürlich auch für sich sorgen muss. Alt gegen jung auszuspielen, halte ich für sehr problematisch, zumal sich der Arbeitsmarkt ja sehr gut entwickelt. Gerade die jüngeren kommen sehr schnell wieder in Beschäftigung. Das heißt, wahrscheinlich kann man da gar nicht sehr viel sparen, es sei denn man sagt, es gibt einen Karenzmonat oder Karenztage. Nur das ist aus meiner Sicht politisch gar nicht durchsetzbar. Ich bin sicher: Wenn es zu einem politischen Kompromiss in diese Richtung kommt – und die SPD wird das versuchen -, wird das einmal mehr wieder den Haushalt entweder der Bundesagentur oder des Bundes belasten. Da würde ich doch noch gerne eine Zahl loswerden. Der Bundeshaushalt gibt 124,4 Milliarden Euro für Arbeit und Soziales aus. Das ist von dem Haushalt 48 Prozent. Ob ein Staat in dieser Situation nun immer noch im Sozialen aufsatteln sollte, während er zum Beispiel für Bildung und Forschung nur 8,5 Milliarden ausgibt, das kann man sehr wohl hinterfragen und das ist denke ich eine entscheidende Zukunftsfrage. Ich kann Politiker nur davor warnen, Reformerfolge aufs Spiel zu setzen, Wohltaten zu verteilen, die am Ende doch wieder nur über Schulden finanziert werden.

Ostermann: Vielen Dank Herr Landsberg!