Landleben

Bodenständiges Energiebündel

Von Hartwig Tegeler · 02.01.2014
Ob lakonischer Dorfpolizist in "Mörder auf Amrum" oder Knastinsasse nächsten Sonntagabend im Kölner "Tatort" - die Rollen, die Hinnerk Schönemann spielt, sind häufig Gratwanderungen. Wenn er nicht vor der Kamera steht, arbeitet der Schauspieler auf seinem Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern.
Na ja, auch der Pferdestall atmet bei Hinnerk Schönemann Filmgeschichte.
"Man muss dazu sagen, wir stehen gerade in der Garage, die bei 'Mörder auf Amrum' eine Szene hatte. Da war eine kleine Szene drin. Das war früher mal meine Werkstatt. Jetzt ist es der Pferdestall."
Zu "Mörder auf Amrum" kommen wir noch. Jetzt geht es erst einmal an den zwei Gänsen vorbei:
"Also, die Gänse habe ich auch mitgebracht aus einem Film."
Die garstigen Ex-Hauptdarsteller in "Nils Holgerssons wunderbare Reise".
"Die sagen, dass wir hier weggehen sollen. Wir gehen auf meine Werkstatt zu, auf den Männerbereich, dort, wo Männer sich wohlfühlen ..."
Gerade wollen wir reingehen, da macht Schönemann:
"So, und jetzt ..."
Noch einen kleinen Schlenker und weist auf den offenen Schuppen:
"Zeige ich Ihnen mal, was ich den ganzen Winter über mache."
Gestapeltes Holz, säuberlich gestapelt auf einer Strecke von 12, vielleicht 14 Metern.
"Weil, wir heizen nur mit Holz."
Heubauer im Nebenerwerb
Und das Holz hat der 39-jährige Schauspieler Schrägstrich Bauer selbst gesägt und gespalten:
"Ja, aber das geht noch viel weiter! Das ist ja hier nur der kleine Teil. Das macht so einen Spaß, in den Wald zu gehen. Bäume zu fällen, zu sägen, zu spalten."
Es pfeift ziemlich kalt …
"Jetzt kommt Wind."
… über Hinnerk Schönemann Grundstück. Geboren 1974 in Rostock zog seine Familie bald in dieses Dorf in der Nähe von Plau am See. Und wenn Schönemann nicht in Kino- oder Fernsehfilmen spielt, wenn er nicht Holz macht im Winter oder Heu im Sommer:
"Ich bin Heubauer. Im Nebenerwerb. So sagt man das."
Dann baut er den riesigen, ehemaligen Schweinestall am Eingang des Grundstücks für sich, Frau und Baby zum Wohnhaus um:
"Spätestens 2015 werden wir hier Weihnachten drin feiern. So ist der Plan."
Selbstverständlich braucht einer, der soviel Arbeit draußen in der Natur macht, nicht noch zusätzlich ins Fitnessstudio, denkt man. Falsch gedacht! Hinnerk Schönemann guckt zum Wald, aber vielleicht doch eher in sich hinein:
"Doch, das muss ich zusätzlich noch machen. Damit ich die Energie los werde."
Die "Energie los werden"?!
"Na ja, die Energie los werden. Mein Körper vibriert immer so doll, der muss immer arbeiten. Der hat immer Energie drin. Und die muss er irgendwie los werden. Das habe ich aber schon immer. Alles, was anstrengend ist, das braucht mein Körper, um matt zu werden, damit ich so meine Mitte habe, so."
Offensichtlich hat das mit der Energie auch der Schweizer Regisseur Markus Imboden bei diesem Schauspieler gesehen. Das erste Mal 2009 in "Mörder auf Amrum" und dann auch noch in Folgefilmen. Denn der nordfriesische Polizist auf Amrum, der es auf dieser der beschaulichen Insel mit der Russenmafia zu tun bekommt, ist ein unerwartet gefährliches, ja tödliches Energiebündel. Einer, der mit einer leicht vorgebeugten Haltung stur irgendwie über den Deich stapft:
"Okay?!"
Oder die Autotür zuknallt und los heizt. Immer:
"Ja?"
Immer nach vorne. Ohne viel Worte:
"Ja. Vielleicht. Ja."
Und immer haben wir das Gefühl, als würde dieser Typ gleich explodieren. Der Schauspieler guckt ein bisschen irritiert über diese Deutung, dass er so etwas ausstrahlen soll:
"Ja, das kann schon sein, das hat eher was mit der Rolle zu tun, weniger mit der Energie an sich. Also, vielleicht auch. Also, ich sag mal so, ich kann morgens kommen zum Set und bin abends noch genauso fit. Das ist irgendwie eine Gabe, die mir die Natur mitgegeben hat. Einfach immer, fast grenzenlos Energie."
Und dann - 2011 - rief Spielberg an:
"Nee, die Casting-Frau."
Natürlich kommt das jetzt, das mit Steven Spielberg und Hinnerk Schönemanns Rolle im Film "Gefährten". Weltkino und Dörfchen in Plau am See. Sich allein vorzustellen, von hier losfahren und dann mit Spielberg drehen:
"Ist halt natürlich schon wirklich irre, wenn man losfliegt und denkt, wo kommt man jetzt eigentlich her. Gerade ist man zwei Stunden bis zum Flughafen gefahren, ja, man fliegt rüber nach London zum Beispiel und ist dann da. Und das ist natürlich eine ganz andere Welt auf einmal, wo man in einem Hollywoodfilm mal mitspielt. Und dann fährt man wieder zurück in das kleine Dorf und so. Das ist schon, also, man geht da schon sehr, sehr dankbar mit um. Also, das ist schon, man merkt schon selber, wie absurd das ist. Aber man freut sich natürlich."
Lieber Dorfleben statt Galas
Offensichtlich ist es eine falsche Vorstellung - wenn man sich dem Schauspieler Hinnerk Schönemann annähern will -, zu glauben, so einer muss in der Metropole wohnen. Nein, der hier gehört aufs Land.
"Ich habe hier alles gefunden. Verloren habe ich hier gar nichts. Außer meiner Liebe zum Land. Aber ich habe hier alles gefunden."
Stadt, für die Karriere? Nein, das ist nicht das Lebensmodell des Bauern und Grimme-Preisträgers:
"Nicht mehr. Ich hatte das auch lange probiert. Also bis 2007 hatte ich sogar noch eine Wohnung, bis 2006, in Berlin und dachte, es müsse auch so sein. Man braucht einen Kontakt zur Stadt. Aber ich habe mich nicht wohlgefühlt. Und habe dann ganz, ganz vehement beschlossen, raus auf das Land, genau, was mir mein Geist, mein Körper mir vorgibt. Und das habe ich dann gemacht. Bin einfach ganz brutal hier hergezogen."
Er hat, meint Hinnerk Schönemann …
"Ich könnte dort nicht mehr leben."
… Hamburg oder Berlin nie vermisst:
"Ganz im Gegenteil, ich habe nie was vermisst. Es war zum Teil sogar Horror. Ich kann zum Beispiel nicht so auf Galas gehen. Oder so was. Oder ... ich weiß es nicht. Es fällt mir schwer, auf Galas zu gehen. Ich kann da nicht so frei hingehen. Ich bin sehr froh, wenn ich auch wieder gehen kann. Hat aber nichts mit den Leuten dort zu tun, sondern, es hat eher was mit mir selber zu tun. Ich kann das nicht. Es sind so viele Menschen, so viele Autos in der Stadt. Ich vermisse es überhaupt nicht."
Noch einmal ein Blick über die Weite des Geländes, Richtung Wald, jetzt aus einem Fenster des kleinen Holzhauses, in dem Familie Schönemann zurzeit noch wohnt. Ist er hier angekommen?
"Doch, doch, ganz klar gesagt, das ist meine Heimat. Noch weiter aus dem Fenster gelehnt sage ich, hier möchte ich sterben. Hier bin ich angekommen."
Man muss vielleicht nicht betonen, dass Hinnerk Schönemann zufrieden aussieht:
"Ich lebe wirklich den Traum. Klingt ganz komisch. Ich lebe ihn genauso. Absolut, ja!"
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