Landgang Niedersachsen

Ach, drei mal ach! Schon der Niedersachse Knigge warnte vor dem Umgang mit landsmännischen "Trunkenbolden, groben Wüstlingen und allen aus dere Arten von lasterhaften Menschen". Mit "Abscheu" sollte man vor diesen fliehen, aber dies ist ja bekanntlich nicht ganz so möglich.
Einerseits stellen sich diese Typen einem allenthalben in den Weg. Und andererseits, tja, würden alle fliehen, dann wäre das Land Niedersachsen menschenleer, fast menschenleer, nur die "abscheulichen" Menschen würden es noch bevölkern. Und so rät uns der Freiherr, "erklärte Abscheu" gegen die "Verblender und Verführer" zu zeigen. Wir kommen dieser "heiligen Pflicht" gerne nach und verabreichen Vitamine gegen Dummheit …

Hat MP Wulff dem Auto den Rücken gekehrt? Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Ffm sichteten wir MP VW jedenfalls nicht. Uns ließ die Frage keine Ruhe, hatte doch, ja das hatte er, der MP VW kürzlich seine Liebe zum elektrischen Mofa zugegeben. In China! 1,3 Milliarden Menschlein und ein paar Deutschen teilte VW Wulff mit: Er wolle künftig seine Dienstfahrt zu seiner Staatskanzlei mit einem E-Mofa abtuckeln. Und dabei die Natur genießen. Die Chinesen hörtens gern und schauten mal nach. MP Mofa.

Wir lauschen – MP Wulff und sein China-Mofa
Von Hans-Peter Fischer

Ja, die Natur … wer möchte sie missen! Wir nicht. Und auch MP Wulff nicht. Sie daheim am Lautsprecher: Hören sie auch das Gras wachsen? Wir nicht!

Nun ja, räumt die Staatskanzlei ein, der Ministerpräsident habe da mal heftig geflirtet, mit einem Mofa, damals in China. Aber, es folgte ein weiteres nun ja: So ein E-Roller sei doch ziemlich exotisch und als Dienstfahrzeug irgendwie und allemal irgendwie ungeeignet. Und dann das dritte nun ja: Auf Auslandsreisen, da werde eben so manches geredet. Ja, ja.

So ist das mit der Freiheit und der Natur und Wulffs Christian.

Die Vögel und die sonstige Natur in den Straßenbäumen entlang der Dienststrecke vom MP – sie verbergen sich. Oder haben wir was übersehen, gar überhört? Kakophonie statt Naturklänge.

Es kann aber auch sein, dass der MP aus reiner Volksnähe denn doch lieber seinen Ausspruch vergaß: "Leise, umweltschonend, und man kann noch der Natur lauschen." Hat er gesagt. Nein, lieber teilt er das Schicksal seiner getreuen Untertanen.

Ob Rostlaube, Bonzenschlitten oder Staatskarosse: Kurz vor der Staatskanzlei, am Aegi, sind alle gleich im Warten. Endlich Zeit, Raum und Natur wirken zu lassen – auf wen auch immer. Ein Ampeldickicht bietet dem Aegidienwald paroli.

28 metallene Fahnenmasten, schwarz-weiß bemalt, sind das die neuen Landesfarben?, hüllen sich in Abgase ein. Pure Natur. Ideal für ein leises, umweltschonendes elektrisches Mofa aus China! Aber, leider, China ist fern und Mofas sind hier verbannt. Traurig lassen wir das Foto mit dem Mofa-fahrenden MP in der Hosentasche verschwinden.


Wir staunen – Lichtenberg und der Taschenspieler
Von Claus-Stephan Rehfeld

In Zeiten lebend, da immer mehr Zweibeiner an Hellseher und Wahrsager, Trickser und Täuscher glauben, da greifen wir gern in unsere Schublade, die mit dem Schild "Aufklärung". Und wir, die wir dem wachen Verstande huldigen, halten ein "Avertissement" in der Hand. Es ist also alt, steht für "Benachrichtigung", stammt aus dem Jahr 1777 und aus der Feder von Georg Christoph Lichtenberg. Eine ruchlose Satyre, also witzig verfasst, witzig bedeutete mal unterhaltsam und intelligent. Kurzum Vitamine gegen Dummheit in Niedersachsen. Wir verneigen uns vor dem Aufklärer und nehmen in der Loge Platz.

"Allen Liebhabern der übernatürlichen Physick wird hierdurch bekannt gemacht, daß vor ein paar Tagen der Weltberühmte Zauberer Philadelphus Philadelphia (…) allhier auf der ordinären Post angelangt ist, ob es ihm gleich ein leichtes gewesen wäre durch die Lufft zu kommen."

Lichtenberg ist in Rage, Ironie fließt ihm aus der Feder.

" … ist nemlich derselbe, der im Jahr 1482 zu Venedig auf öffentlichem Marckt einen Knaul Bindfaden in die Wolcken schmiß und daran in die Lufft kletterte bis man ihn nicht mehr gesehen."

Nun, im Jenner 1777, nur 295 Jahre später, ist er wieder herab gestiegen, der Herr Meyer, so Jacob Philadelphia im schlichten Leben heißt, in Göttingen, wo Lichtenberg die Dummheit gehörig piesackt. Kein gutes Terrain für einen, der mit seinen Tricks den Leichtgläubigen das Geld aus der Tasche zaubert.

"… bis er endlich zu seinen 500 Louisd’or Stücken kommt, darunter sich einige befinden, die ohne Prahlerey zu reden, das wunderbare selbst übertreffen, ja so zu sagen schlechterdings unmöglich sind."

Meyer-Philadelphia, geschickter Trickser und gerissener Geschäftsmann, verklärt physikalisches Wissen zu wunderlichen Erscheinungen und macht viel Wind drum. Lichtenberg, geschickter Aufklärer und gerissener Entlarver, reagiert empfindlich, setzt das "Avertissement" auf, nimmt den geschmähten Verführer beim Wort.

"Läßt … sich eine Holz-Axt bringen und schlägt damit einem Chapeau vor den Kopf, dass er wie todt zur Erde fällt; Auf der Erde versetzt er ihm den zweyten Streich, da dann der Chapeau so gleich aufsteht und gemeiniglich fragt Was das für Musik sey? Uerigens so gesund wie vorher."

Lob kann denunzieren. Oder wie Lichtenberg sagt, man muss die Leute auf ihrer eigenen Stube sprechen.

"Nimmt er alle Uhren, Ringe und Juwelen der Anwesenden, auch baares Geld, wenn es verlangt wird, und stellt jedem einen Schein aus. Wirft hierauf alles in einen Coffer, und reißt damit nach Cassel. Nach 8 Tagen zerreißt jede Person ihren Schein, und so wie der Riß durch ist, so sind Uhren Ringe und Juwelen wieder da.
Mit diesem Stück hat er sich viel Geld verdient."

Dies bringt Lichtenberg gegen den Windmacher auf. Und das der Übersinnliches beschwört, der physikalische Kenntnisse hat. Und nicht zuletzt jedermann in seiner Universitätsstadt von den "Wundertaten" spricht.

"Diese Woche noch auf der obern Stube des Kaufhaußes, künftig aber hoch in freyer Lufft über dem Marcktbrunnen. Denn wer nichts bezahlt sieht nichts."

Auch Meyer-Philadelphia ward nicht mehr gesehen. Lichtenberg und sein Verleger Dieterich hatten in der Nacht heimlich das "Avertissement" plakatiert. Am Morgen schon war

"der schlaue Betrüger"

aus Göttingen entschwunden - auf sehr irdische Art. Dies wissen wir nun, und:

"Hierbey hat man doch gesehen, wie Satyre das Complement der Gesetze seyn kann. HE. Philadelphia hätte gewiß durch seine Possen die Stadt um 500 Thaler oder mehr ärmer gemacht, ohne dass diese um einen Pfennig klüger geworden wäre."


Wir ahnten – die außerfriesischen Ostfriesen
Von Peter Krause

Sie leben im Flachland, ihre Witze sind aber von ungleich höherem Niveau – die Ostfriesen. Bislang wurde das Stammesareal mit Pfählen zwischen Wilhelmshaven und Emden markiert. Dies jedenfalls ließen sie uns bislang glauben und grinsten sich eins ins Fäustchen. Lange schon haben sie anderer Stämme Territorien unterwandert. Ja, der Stamm der Ostfriesen hat sich weltweit niedergelassen. Wir blättern im Poesiealbum der Ossis.

Tyblevski: "Warum werden in Wochotz unter den Hochspannungmasten Netze ausgebreitet? Damit die Spannung nicht fällt! Es gibt keine Erklärung, glaube ich, dafür, warum gerade Wochotz die Rolle der Stadt der polnischen Ostfriesen spielen muss. Das ist ein kleines Städtchen in Ostpolen an der Grenze zwischen Chielze und Warschau, auf dem halben Wege etwa. Die Menschen dort sprechen weder einen besonderen Dialekt, noch sind sie durch besonders absurde Erfindungen aufgefallen. Da wohnen auch nicht nur blöde Leute. Und die Wochotzer Stadtväter dieses Städtchens gehören auch nicht zu den einfältigsten, aber sie gelten als solche in der polnischen Humorwelt."

Castro: ""Ein Gajego schießt in die Luft und trifft daneben! Das ist typisch. Jeder Argentinier weiß, dass ein Gallego dumm war. Uund da gibt es unglaublich viele Witze über Los Gajegos in Argentinien, die Leute aus Gallizien. Die Leute, die nach Argentinien ausgewandert sind, waren Leute, die wirklich noch nie in einer Stadt waren, Leute, die nur auf den Feldern gearbeitet haben. Die gelten als sehr dickköpfig. Wenn sie eine Meinung haben, das ist unglaublich schwer, die zu überzeugen, dass es etwas anderes sein kann. Die glauben, die haben immer recht, und die Wahrheit liegt vor deren Augen und die sehen das nicht."

Mayo: ""Bei uns im Kongo leben ganz viele Stamm, das ist sehr kosmopolit. Und da gibt es Witze über die Bangala. Bangala sind die Leute, die in Equateur leben. Und über die hat man immer gesagt, die trinken gerne. Und wenn sie eine Wahl treffen sollen zwischen einer Schule und einer Brauerei, die werden alle einstimmig für Brauerei entscheiden, (lacht) weil sie so gern trinken. Die Baluba zum Beispiel die sprechen sehr gerne französisch, sie sagen anstatt di - die sagen dschi. Und jetzt wenn die Leute sagen zum Beispiel: un, deux, trois, quatre, cinq, six, sept, huit, neuf, dschis dann weiß man schon. Man findet die nicht direkt unangenehm, aber man versucht einen Makel ein bisschen groß zu malen, dass die Leute ein bisschen darüber lacht."


Wir grüßen – Lügenbaron Münchhausen
Von Claus-Stephan Rehfeld

Er bewies Tapferkeit im russisch-türkischen Krieg und Munterkeit beim Erzählen. Nach den Abenteuerjahren in der Ferne, zog er sich auf sein bescheidenes Landgut zurück. Er hatte es nicht faustdick hinter den Ohren, aber faustdick auf der Zunge. Doch bei ihm wusste man dazumal, woran man war, bei der Politik heutzutage nicht. Obwohl … vielleicht doch. Nun, zu seinen Gästen gehörten der geistreiche Philosoph Georg Christoph Lichtenberg und der Dichter Gottfried August Bürger. Und sein liebster Zeitvertreib war die Jagd nach Zuhörern. Wir schließen uns der Jagdgesellschaft an.

"Was ein richtiger Jägersmann ist, der erlebt die merkwürdigsten Dinge."

Im Gartenhaus, da oben am Waldhang, da lief der Geschichtenerzähler zu besonderer Form auf. In der Jagdgesellschaft machte er das Jägerlatein literaturfähig. So mit der Geschichte vom Kirschbaum-Hirsch. Haarsträubend die Geschichten, er überragte alle Aufschneider um Zopfeslänge.

Das ist ein Sprachrohr. Gehör in der Gesellschaft fand er auch ohne dieses, es diente der Order des Nachschubs. Also des Weins, der die Anekdoten besser fließen lies. Ging der Wein zu Neige, dann wurde mit dem Sprachrohr Nachschub vom talwärts liegenden Gutshaus bestellt. Vorbei die Zeiten.

Ach, Hieronymus Carolus Fridericus, was war er doch für ein geistreicher und humorvoller Rittmeister. Kinder hat er nicht hinterlassen, aber Geschichten in die Welt gesetzt. Und das alles in einem kleinen Ort mit dem schlichten Namen Bodenwerder.

" … stellte ich mich neben eine der größten Kanonen, die soeben nach der Festung abgefeuert ward, und sprang im Hui auf die Kugel, in der Absicht, mich in die Festung hineintragen zu lassen."

Erst 1985 fanden die Hiesigen eine Kugel, auf der Münchhausen geritten war. Natürlich wurde sie für echt befunden und nahe der Weserpromenade aufgestellt.

"Ich ritt vor einiger Zeit durch ein Stadttor, und plötzlich fiel das schwere Eisentor herab und verfehlte mich knapp. Mein Pferd wurde allerdings leicht lädiert, um genauer zu werden, das Hinterteil meines Pferdes wurde abgetrennt. Dass das Hinterteil fehlte, merkte ich erst, als ich mein Pferd an die Tränke brachte."

Ja, während die der wissenschaftlichen Wahrheit verschriebene Lügenbaron-Forschung diese Absonderlichkeit noch disputiert, stellten die Bodenwerderer das geteilte Pferd gleich 2 x auf. Waren ja auch zwei Hälften.

"Als ich aber halbwegs durch die Luft geritten war, stiegen mir allerlei nicht unerhebliche Bedenklichkeiten zu Kopfe. Hum, dachte ich, hinein kommst du nun wohl …"

Er kam, wie wir alle, auch zu Tode, also ins Grab. 1797 war das. Seine Geschichten lebten weiter, er auch – um 1860 soll das gewesen sein. Als das Grab des Lügenbarons geöffnet wurde.

" … im Sarg lag nicht ein Skelett, sondern ein schlafender Mensch mit Haar, Haut und Gesicht: Hieronymus Münchhausen. (…) Ein plötzlicher Zugwind fuhr durch die Kirche. Der Tote zerfiel im Augenblick zu Staub."

Er schaffte es … bis ins Rathaus. Das Geburtshaus des "Lügenbarons", den Titel mochte er übrigens nicht, zu recht, dient heutzutage als Rathaus. Das finden wir schön, wollen es aber lieber doch nicht kommentieren.


Wir schluchzen – Ein Trauermarsch auf Niedersachsen
Von Hans-Peter Fischer

Das Leben in Niedersachsen, so man von einem Leben dort sprechen kann, wir hörten da schon allerlei verwunderliches, es ist schon ein Elend. Oder ist es die weitverbreitete Meinung im Rest der Republik? Kühe, Schweine und ein Stamm, der als wortkarg und muffelig gilt … wir brechen die Aufzählung ab, versagen uns an dieser Stelle auch einen Ostfriesenwitz, nicht aber die Frage: Wie müsste sich da ein Trauermarsch auf Niedersachen anhören? Bitte.

So klingt Niedersachsen. Ein paar Noten genügen, schon ist das ganze niedersächsische Elend in Ton gebannt.

Ein arg traurig Klangbild des und von Niedersachsen. Es kommt uns irgendwie spanisch vor.

Donaire: "Das ist ein sehr kurzes Motiv, sehr einfach, das ist genau, wie ich Niedersachsen sehe. Mit spanischen Augen."

Dieser Landstrich zwischen einem Hügel und einer Pfütze erfüllt nicht einmal einfachste spanische Erwartungen an … ja, woran eigentlich, Senora Donaire.

"Zum Beispiel. mein Bruder, das erste Mal als er hier war, er wollte nur Schweinshaxe mit Sauerkraut essen und Franziskaner trinken. Und er sagte mir: Das kann nicht sein! Das ist Deutschland, oder?"

Nix Deutschland, Niedersachsen! Matschige Küstenstreifen, plattes Land, und fast so viele Schweine wie Einwohner, jedenfalls sieben Millionen.

Donaire: "Niedersachsen sind so geschlossen geradeaus, die sehen die Sachen entweder schwarz oder weiß, gibt es kein Mittelpunkt, genau wie das Lan - entweder Wald oder Meer."

Schwarz–weiß-Malerei, schwarz–rot-Malerei, wenn wir uns hier auch ein politisches Einsprängsel erlauben dürfen. Nun: Der echte Niedersachse – es gibt derer nicht mehr viele – gilt als muffelig, gar maulfaul. Zumal der Land-Mann gerne schweigt, am liebsten im angestammten Idiom, also im reinsten Plattdeutsch.

Es ist ein Trauermarsch mit dem Niedersachsen – wir ahnten es.

Donaire: "Ich hab mehrmals gehört: Ja, Niedersachsen, das ist langweilig und das ist dumm und alles flach - und ich finde das total schön."

Nun ja … Senora Donaire strandete vor Jahren in hiesigem Flachland, also in Hannover. Erst hatte sie es mit der Musik, dann mit einem Stammesangehörigen. Nun ist sie mit beiden – oder heißt es beidem? – verheiratet.

Traurig, traurig, meint die spanische Senora, traurig sei aber vor allem: Zu wenige Menschen wüssten um die Qualitäten von Landstrich und Stamm. Sagts und trauert musikalisch weiter.