LandGang

Der Autor dieser Zeilen (ein Flachländer) fand die Spielfilme aus und über Bayerns Bergwelt hochgradig kitschig. Aber eines Tages fuhr er mit dem Zug, er war dienstlich unterwegs, gen Süden. Er las und las, bereitete sich auf Interviews vor. Plötzlich schaute er auf. Und es entfuhr ihm der Satz: "Verdammt, das stimmt ja alles, sieht ja wirklich so aus!" Und fürderhin sah er Bayerns Bergwelt mit anderen Augen. Und so interessieren ihn in der Sendung das Berg-Echo, die Bilderwelt der Gipfel, die Sprache der Bergbewohner und natürlich auch der Watzmann nebst Königssee. Die Berge rufen …
Judullahullajuhu – Eine kleine Bergecho-Kunde
Stefan Frühbeis


"(Auf dem Königssee.) Schiffer: "No, was is’s, zahlt der Herr oder zahlt er nit?" – Tourist: "Ne, ne, hör’n Sie, schieß’n Sie man nur für die Andern."
So steht’s in einem "lustigen Handbuch" aus München, dem wir auch entnahmen, dass Echos Frauen dazu verführen könnten, eine Gardinenpredigt zu halten.
Wir verstehen den Fingerzeig und sind auf das Echo gespannt.

Das ist das Echo aus der Wolfsschlucht weit hinter Kreuth am Tegernsee. Ein gemütliches, bescheidenes Echo.

"Halloooo" - "OOOO!"

Und so echot es in der Partnachklamm oberhalb von Garmisch-Partenkirchen. Kalt, glitschig, wenig einladend. Das würdigste, beste & berühmteste Echo Bayerns wohnt in den Wänden über dem Königssee im Berchtesgadener Land.

"Königssee mit Trompete und dem Schiff – das ist auf jeden Fall das touristischste Echo."

Wissenschaftler, die sich mit Echos beschäftigen, heißen Seismologen. Unser Mann fürs Echo heißt Joachim Wassermann und forscht am Geophysikalischen Observatorium der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Sein Vorzeigeecho finden wir am Fuß des Watzmann, und um es zu hören, muss man in ein Elektroboot steigen, am Malerwinkel vorbei in Richtung St. Bartholomä gleiten und hoffen, dass der Franz mit seinem Flügelhorn an Bord ist.

"Das Flügelhornblasen ist alter Brauch, alte Tradition, wird schon über 80 Jahre lang gemacht."

Wenn’s so weit ist, stellt der Franz den Motor ab. Mucksmäuschenstill ist es auf Boot und See. Noch.

"Ein Echo ist die Reflexion einer Schallwelle an einer möglichst glatten Wand. Wenn Sie nix haben ... Das lauteste und klarste Echo kriegen Sie in so ner Gegend."

Seinen Namen hat das Echo von einer griechischen Nymphe, die im Auftrag von Göttervater Zeus mit lustigem Geplapper seine Gemahlin Hera ablenkte, weil Zeus lieber fremdging, als mit Hera zu plaudern. Wer es selber einmal ausprobieren will – das Echo, nicht das Fremdgehen …

"Immer dann, wenn Sie eine glatte Wand vor sich haben und Sie nicht zu nah und nicht zu weit entfernt sind, dann können Sie es probieren ..."

Sie brauchen dazu Sonne ...

"Beim schönen Wetter kriegen Sie das beste Echo zurück."

... und den richtigen Abstand.

"Minimal 17 Meter ... und zwar einfach deswegen ... 333 Meter pro Sekunde aus ..."

Stopp. Ab hier wird’s zu kompliziert. Wir probieren es einfach aus - nach bewährter Methode.

"Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?" - - - "Esel!"

Na bitte. Geht doch.


Bedrohlich, hell – Das Bild vom Berg
Ernst Vogt


Das wohl berühmteste Bild eines bayerischen Berges hängt … in Berlin und wurde in Dresden in einem Atelier gemalt. Der Maler hat den Berg nie gesehen, wohl aber getroffen: hoch aufragend, in hellem Licht aus einer dunklen Welt. Die Rede ist von Caspar David Friedrich und dem Gemälde "Der Watzmann". Und wir wissen nun, wie das schöne Bild vom Berg so entsteht.

Am Gipfel treibt der Zuggeist sein Unwesen. Dachten die Menschen im 18. Jahrhundert. Und blieben lieber unten im Tal. Die Gipfelregionen der bayerischen Berge wurden für eine den Menschen verschlossene Welt gehalten. Dort oben vermuteten sie das Reich von Dämonen, Drachen und Riesen. So hielt Jakob Grimm Riesen für "belebte Steinmassen", die in den Bergen hausten. Das älteste Zeugnis von der Zugspitze im Alpinen Museum in München ist eine Landkarte, handgezeichnet mit Tusche und farbig aquarelliert.

Friederike Kaiser: "Im Mittelpunkt stehen nicht die Berge, sondern das Tal steht im Mittelpunkt, und zwar das Tal es ist schön grün gemalt, man sieht verschiedene Hütten, von denen die Schafe und Ziegen betreut wurden."

Um 1730 entstand diese Karte. Die Zugspitze - eine Randerscheinung, rechts unten, mit Nummer 34 bezeichnet. Von wegen Reputation für die "höchste Spitz" in Deutschland, aber künstlerisch ein großer Fortschritt. Die Maulwurfshügel früherer Zeiten sind passé; dem Zeichner ist ein Bergrelief gelungen.

Aus dem Jahr 1835 stammt eine Skizze des höchsten Berges in Deutschland, dramatisch und bedrohlich zugleich. Friederike Kaiser, Leiterin im Alpinen Museum München:

"Man sieht die Zugspitze so als, als Silhouette und auf den einzelnen Graten sind ganz winzige Figuren – das sind die Bergsteiger. Es ist eine hohe spitze Wand, die sehr menschenabweisend wirkt, dass da Menschen hinaufkommen, kann man sich kaum vorstellen."

Um 1900 suchte der Bergsteiger die Herausforderung, zum Beispiel auf dem neu eingerichteten Klettersteig durch das Höllental. Drahtseile und Eisenstifte erleichterten das Steigen im schwierigen Gelände. Der Maler Ernst Platz hielt eine dramatische Bergszene in Grautönen fest: eine Seilschaft aus Mann und Frau, begleitet von einem kernigen Einheimischen.

"Ein Bergführer: Das sieht man daran, dass er eine Bergführerplakette trägt und das Seil in Luis-Trenker-Manier um die Schultern geschlungen hat. Und damit die Frau sichert, nicht den Mann."

Die Frau in Knickerbockerhosen mit taillierter Jacke und Hütchen, der Bergführer in kurzer Lederhose. Zwanzig Jahre später, um 1920, haben die Expressionisten die Zugspitze als stimmungsvolle Einheit gemalt – ein Spiel bewegter Farbflächen.

Früher bedrohliche Landschaft, heute verheißungsvolles Werbebild. Die Bergwelt in der Malerei spiegelt die Einstellung der Menschen zu den Bergen wider.


Katholisch – Die Sprache der Berge
Von Georg Bayerle


"Wenn sich des Winters raue Macht
Dem Lenz ergeben muß,
Sein Panzer berstet und zerkracht
Beim ersten Frühlingskuß –
Dann träumt wohl auch der Alpinist
Ob jung, ob alt an Jahr’n
Von Sennerinnen, die er küsst,
Und von an’ Teller Schmarrn!"
Ja, ja, die Sprache der Berge.

Mit seiner knappen Kommandosprache hangelt sich der Kletterer durch die Wand und orientiert sich an geologischen Merkmalen wie Platten, Verschneidungen, Rissen.

"Jetzt geht’s gerade rauf. Die erste Seillänge führt am schwierigen Riss hoch, durch den nassen Riss."

Mit seiner Fachsprache ähnelt der Kletterer dem Seemann – mit dem er ja auch die Knotentechnik teilt. Der Wanderer kriegt von alledem höchstens das Echo der Rufe aus den Wänden mit, wenn er sich auf den Wegen bewegt. Jedoch: auch er sollte des Bergsprachlichen mächtig sein, wenn ihm einer wie Hüttenwirt Hans-Jörg Barth klare Ratschläge gibt:

"Des is einer der schönsten Grate, sehr luftig und ausgsetzt, da muss mer auf jeden Fall trittsicher sein und schwindelfrei."

Nur für Geübte, die etwas kraxeln können und keine Angst vorm Abgrund haben, heißt das auf Deutsch. Abgründe tun sich auf.

Die mit gekonntem Ruf kilometerweit überwunden werden können. Die normale Sprache versagt ab 200 Metern – der Jodler dringt noch weit zur Alm empor. Es ist eine Geheimsprache für Eingeweihte.

Im Angesicht der rauen Gipfel hat sich aber auch die normale Sprache der bayerischen Alpenbewohner entwickelt.

"Chhh – mir sind Allgäuer; ja mir machen chhh, wie in der Schweiz, ist ja auch nicht weit weg – chhh, chhh."

Rau, kernig und direkt – am Berg ist für Umschweife keine Zeit.

"Mir Bolsterlanger wollen an Enzianer."

Mit einem Enzianschnaps nisten sich die Eingeborenen auf ihren Hütten ein und?

Und lauschen – besser, bayerisch gesagt losen, denn auch die Berge haben ihre Sprache:

"Hastes no ni ghert die Berge streiten, grad in der Fruh musst die Loser aufsperrn. Da gibt’s schöne Sachn zu hören."

Wo die Natur spricht, tut der Mensch besser schweigen. Wer einmal auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, das Wetterszenario in den Herbstzeit erlebt hat, der weiß, wovon Hansjörg Barth, der Hüttenwirt oben auf dem Münchner Haus, spricht:

"Im Herbst is am schönsten, des Nebelmeer, die Gipfel, aber so wie heut, hab i’s au kaum erlebt; da wersch katholisch, mein lieber Scholli."

So wäre also auch die Konfessionszugehörigkeit der Bayern erklärt.


Heimatfilm – Ein paar Berggeschichten
Von Ernst Vogt und Stefan Frühbeis


Als es mit der Gründung einer bayerischen Kolonie in Guyana nicht geklappt hatte, das war 1664, eroberte der Stamm der Breitschädel kurzerhand die Berge. Auf dem Gipfel entdeckten sie, dass da unten "die Tiefe der Schlucht ihren Höhepunkt!" erreicht. Auf dem Weg zum Höhepunkt der Tiefe disputierten sie dann darüber, warum Albtraum mit b, nicht aber mit p geschrieben wird. Schnell war man sich einig. Weil aber noch etwas Zeit blieb, dachten sie sich die eine oder andere Berggeschichte für die von hinter die Berge da aus.

Einst war er Deutschlands kühnster Kaiser, und heut ist seine Burg ein Berg. In den Höhlen des Untersbergs zwischen Berchtesgaden und Salzburg lebt Kaiser Karl der Große, umsorgt von den "Untersberger Mandln", seinen treu ergebenen Zwergen.

Alle hundert Jahre wacht er auf, der Monarch, und wenn er sieht, dass immer noch die Raben um seinen Berg fliegen, dann schläft er ein weiteres Jahrhundert.

Wenn der Große Kaiser aber seinen Berg dereinst verlässt, dann zieht er zur letzten Schlacht der Menschheit auf das Walserfeld. Das sagt die Prophezeihung ...

In der Nachbarschaft des Kaisers Karl herrschte einst ein rauer und wilder König, der hieß Wazemann.

Ein grausamer Mensch ohne Erbarmen, der mit seiner Frau und seinen sieben Kindern Furcht und Schrecken verbreitete. Als er eine Bauernfamilie aus gottloser Blutlust von seinen Jagdhunden zerfleischen ließ, da verfluchte ihn die junge Frau, bevor sie starb.

Und es erhob sich ein Brausen und Donnern in den Höhen, die Hunde stürzten sich auf die Kehlen der Königsfamilie, dass ihr Blut zu Tale strömte. Ihre Leiber aber wuchsen versteinert zu Bergen.

So stehen sie noch heute: der marmorkalte Bergriese Watzmann, neben ihm sein Weib und sieben kleine Zinken, tief unten die beiden Seen, in die das Blut der Grausamen sich ergoss.

So mancher Bergsteiger hat am Watzmann schon mit seinem Schicksal gehadert, weil ihm der Anstieg zu lang und der Grat zu schwindelerregend war. Da hätte er einen Träger brauchen können, allein schon für den vierstündigen Aufstieg zum Watzmann-Haus.

In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es Bergvagabunden, die sich mit Hilfsbereitschaft das Wenige verdienten, das sie zum Leben brauchten. Wie der Münchner Anderl Heckmair, der spätere Eiger-Nordwand-Erstbegeher:

"Da sind wir unten gestanden, ohne Gepäck, ham die Touristen gesehen, wie sie mit ihren Riesenrucksäcken aus der Bahn ausgestiegen sind, und ham uns denen angeboten: ‚Wenn Ihr uns das Essen zahlt, dann tragen wir Eure Rucksäcke rauf.’ Das ham die natürlich gern gemacht. Mir ist es noch nie passiert, dass jemand dagestanden ist und meinen Rucksack hinaufgetragen hat."

Ein paar Kilometer weiter, am kältesten Ort Deutschlands, am Funtensee, lebt in seiner geschindelten Enzian-Brennhütte der Schnapsbrenner Hubert Illsanker. Dort haust er nicht allein, sondern mit seinen Freunden: Dutzenden von Murmeltieren, die unter seiner Hütte wohnen.

"Du weasd auf oamoi wiara Mankei. Mankei stead auf u’d pfeift, und wennd Mankei pfeifan, stehsd DU auf. DMankei werns aa gspanna, dass i scho middua mite eahna, ne. Wei’, eh klar, Du oawasd, gehsd ums Hoiz ausse oda gehsd vo da Hackbank umma oda sitzd amoi draußn – wenn a Mankei pfeifd, stehsd du aa auf und schausd, ne… was is denn wieda, nä …"


Schnee von gestern – Die Gletscherschmelze
Von Claus Stephan Rehfeld


In der Schneekugel ist Bayerns Bergwelt eine heile. Kurz geschüttelt, legt sich ein prächtiger Schneefall über alle Probleme. Hat sich der Sturm im Wasserglas gelegt, dann zeigen sich Bayerns Alpengletscher wieder von Schnee und Eis bedeckt. "Traumkugeln" werden die Schüttelkugeln in Bayern genannt, und wir glauben wieder an die heile, heile Welt. Schneeweiß und bruchsicher.

Der Klimawandel hat die Alpen eiskalt erwischt. Seit der letzten "Kleinen Eiszeit" um 1850 und dem Beginn der Industrialisierung verloren die weißen Riesen bis etwa 1975 rund ein Drittel der Gletscherfläche und rund die Hälfte ihres Volumens.

In den letzten 20 Jahren hat der Verlust an Eismasse nochmals rapide zugenommen. Die Gletscher schrumpfen immer schneller, haben weitere 20 bis 30 Prozent des Eisvolumens verloren. Teilweise kann die Gletscherschmelze mit bloßem Auge verfolgt werden.

Die alten Gletscherkarten stimmen nicht mehr, weiße Flecken werden zu grauen Massen. Der "Klimaatlas von Bayern" verändert sich fort laufend.

"Und da können sie das in Ruhe anschauen."

Dr. Ludwig Braun, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Gletscherforscher.

"Ja, ja, und vor allem sie waren vor allem viel größer. Das Zugspitzplatt war einmal als zusammenhängende Eismasse da und jetzt haben wir drei Teilgletscher da oben."

Südlicher und nördlicher Schneeferner sowie Höllentalferner.

"Und jetzt müssten Sie mit dieser Brille anschauen, müssten sie aufsetzen."

3-D-Darstellung der bayerischen Gletscher im Computer.

"Das sind wirklich nur noch kleine Reste."

Gletscher im Treibhaus.

"Auf dem Zugspitzplatt hatten wir eine maximale Ausdehnung in der letzten so genannten Kleinen Eiszeit von 300 Hektar. Und das ist dann runter gefallen auf knapp 50 Hektar, also diese Fläche ist sehr, sehr stark ... auf ein Sechstel zurück."

Der östliche Schneeferner braucht nicht mehr vermessen werden. Der Gletscher ist bereits aus der Zugspitzregion ganz verschwunden.

"Ja, ja, das ist schon ein sehr eindrückliches Beispiel, das Zugspitzplatt. Weil das ist auch eine sehr sensitive Höhenzone, so 2500 bis 3000 Meter."

Die bayerischen Gletscher haben eine Fläche von zirka einem Quadratkilometer, noch.

"Also die letzten 20 Jahre waren die massivsten eigentlich, wo man die Massenverluste hat."

Nächste Grafik: Eisvolumen

E 08 (Braun) "Wenn wir da ganz genau hinschauen, haben wir in den 80er Jahren beim nördlichen Schneeferner ein Minus 40 Zentimeter Schnee pro Jahr ist es zurückgegangen. In 10 Jahren sind das 4 Meter."

Nächste Grafik. Südlicher Schneeferner.

"88 Zentimeter im Jahr ... im Schnitt!"

Hochgerechnet über 60 Jahre.

"Das sind 54 Meter im Schnitt, das ist das runter."

Magersucht der Gletscher. Immer mehr Gesteinsgrau statt Eisweiß.

"Wenn das eben mal eingesetzt hat, dieser starke Schmelzprozess, dann beschleunigt er sich selber noch, in dem diese grauen Flächen eben sehr große Dimensionen annehmen."