LandGang
Mit folgenden Themen: Kurt seltener zu Haus? Nein! Ist Beck also geklont? – Die Mainzer Republik. Eine geschichtliche Erinnerung – Worauf wir verzichten können! Einheimische empfehlen Absturzzonen – Die geteilte Stadt. Berlin ist vereint, Mainz immer noch nicht – Offener Hosenstall kein Hinderungsgrund. Das Sozialgericht Koblenz hat entschieden
Er tröpfelte „bit by bit in den berliner AX-Speicher“: Kurt Beck, also der Beitrag über ihn. Der Verfasser desselben merkte nicht nur dies an, sondern äußerte auch seine Hoffnung, dass das „Werk konveniert“. Wenn nicht, so ließ er uns wissen, „ach, jottchen. wenn nicht“, dann mache er es halt noch mal. Braucht er aber nicht. Die Sache konveniert und Kurt, der Landesvater, ist momentan gerade in … Moment bitte … (Papier raschelt)
Kurt seltener zu Haus – Ein kurzweiliger Reisebericht
Von Christoph Gehring
Kurt, der Landesvater, kommt viel rum: Vom Jubiläumsfest der Freiwilligen Feuerwehr in Pluwig zur Sparkasseneröffnung in Landau trägt ihn der Dienstwagen; vom Schulbesuch in Annweiler zum Bürgermeisterwahlkampf in Trier; vom Weinfest in Neumagen-Dhron zu den Bibliothekstagen in Koblenz. Und so weiter. Immer weiter.
Doch in Kurts Körper wohnt seit einiger Zeit nicht nur die Seele eines Ministerpräsidenten, sondern auch die des Vorsitzenden einer stolzen, aber störrischen Partei. Der SPD nicht nur im Land, sondern auch im Bund vorzusitzen, braucht dies, aber vor allem das – Präsenz in Berlin. Darum ist der Kurt jetzt weniger im Land unterwegs und noch viel weniger daheim. Im Eigenheim. In Steinfeld. Gemeinde Bad Bergzabern. Kreis Südliche Weinstraße:
„Vor allem sind jetzt die Sonntage endgültig und ganz draufgegangen. Ich bin jetzt sonntags immer ab Mittags in Berlin, es geht halt nicht anders.“
Weil’s halt nicht anders geht, führt der Kurt seine Partei in Berlin am Sonntagnachmittag und sonntagabends. In Mainz muss da nicht regiert werden, denn der Rheinland-Pfälzer ist mehrheitlich katholisch und heiligt den Sonntag. Montags trifft sich in Berlin der Bundesvorstand der SPD, also ist der Kurt auch da. Aber nicht lange, denn die Heimat ruft schon, weil am Dienstagmorgen – wie in allen Bundesländern – das Kabinett tagt. Und dazu braucht’s den Ministerpräsidenten.
Wenn das Landeskabinett besprochen hat, was zu besprechen war, dann ist ab Dienstagnachmittag wieder Kurt der Parteivorsitzende im Dienst. Und der wird überall in Deutschland gebraucht.
Am Mittwoch muss Kurt, der Parteivorsitzende, in Berlin noch mal gründlich koalieren, damit sich ab Donnerstag Kurt, der Ministerpräsident, wieder um sein Land kümmern kann, ehe er am Sonntagnachmittag wieder nach Berlin und zurück und wieder hin und zurück.
Wie er das alles macht, der Kurt? Darüber reden sie hier in Rheinland-Pfalz nicht so gerne. Der Staatskanzlei wäre es vermutlich am liebsten, der Kurt bliebe im Lande und regierte es vollpräsent. Denn in Kirchheimbolanden, Kandel und Cochem könnte es nicht gut ankommen, wenn Kurt, der Parteivorsitzende, zu viel Zeit von Kurt, dem Ministerpräsidenten, klaut, die dann für die Landeskinder in Kirchheimbolanden, Kandel und Cochem fehlen könnte. Die aber brauchen besonders viel Hinwendung – von Kurt, dem Ministerpräsidenten.
„Irgendwann wird die politische Arbeit zu Ende sein. Und dann hoffe ich, dass ich in meiner Dorfgemeinschaft wieder daheim bin.“
Immer noch geteilt – Mainz, die geteilte Stadt
Von Claus Stephan Rehfeld
Hatte der frühere Mainzer Oberbürgermeister Jockel Fuchs mit Berlinern zu tun, dann verblüffte er diese gelegentlich mit dem Satz: „Auch Mainz ist eine geteilte Stadt.“ Berlin, so hören wir, sei nicht mehr gespalten, aber Mainz noch, nur: wie lange noch? Wann hört dort die Nachkriegszeit auf? Bald, vielleicht, könnte auch Mainz die Wiedervereinigung feiern. Oberbürgermeister Beutel will demnächst, so hörten wir, den Bundestag sensibilisieren und Ehrenbürger Karl Delorme vom Verein „Vereintes Mainz“ lässt nicht locker. Wir auch nicht!
„Das ist die geteilte Stadt, die amputierte Stadt, die können Sie nennen, wie Sie wollen.“
Geteilt. Nach dem 2. Weltkrieg.
„Durch den Machtspruch eines amerikanischen Offiziers. Der ist da rüber gegangen, nach Wiesbaden und hat gesagt, ich schenke dir Kastell und Costheim. So flapsig wie die Amis sind, gell.“
Die Mainzer Vororte Amöneburg, Kastel und Kostheim – den Wiesbadenern (!) zugeschlagen.
„Es sind insofern sind die in dieser Frage die reinen Kriegsgewinnler gewesen, die Hessen. Aber das wollen sie heute nicht wissen.“
Rücken die Werkbank der Domstadt nicht heraus.
„Das ist nach wie vor für mich ein schreiendes Unrecht.“
Ein Drittel der Bevölkerung, 52 Prozent der Stadtfläche, Wirtschaftskraft und Steuergelder – gekappt. Damals. Bis heute!
„Jedes Jahr, das ins Land geht, macht diese Sache unerträglicher.“
Der Schurke heißt Wiesbaden und will die drei Mainzer Urgemeinden nicht hergeben. Trotz Befragung und Heimweh.
„Das ist zutiefst undemokratisch.“
Mainzer Gebietsforderungen – für die da in Wiesbaden eine „folkloristische Privatangelegenheit“!
„Das sind dumme Sprüche, die wirklich zu Wiesbaden passen. Kennen Sie einen Grund, einen triftigen Grund dahinter? Was heißt ‚folkloristische Privatangelegenheit’? Da fehlen mir die Worte.“
Für Wiesbaden eine Lokalposse.
„Das ist doch, das ist doch absurd! Das sind doch dumme Sprüche! Natürlich kann man alles madig machen. Das entwertet unsere Argumente nicht, sondern ist ein bezeichnendes Licht gegenüber diesen Wiesbadener Amtsträgern, die mit Zähnen und Klauen unrecht erworbenes Gut behalten wollen.“
Karl Delorme, Lokalpatriot, Verein „Vereintes Mainz“.
„Und dieses Unrecht zu ändern, muss unsere Aufgabe der nächsten Zeit sein.“
Mit besten Empfehlungen – Ideale Absturzzonen
Von Hans Peter Betz
Vorsicht! Satire! Wenn die rheinland und pfälzischen Bürger es immer noch ertragen müssen, dass auch in Zeiten, in denen sie vom Frieden umzingelt sind, hochgerüstete Kampfjets über ihrem schönen Bundesland herumkreisen, und wenn man ihnen sogar mitteilt, dass für abstürzende Militärflieger extra Absturzgebiete eingerichtet worden sind, dann wollen sie zumindest gefragt werden, wo sie besagte Absturzzonen gerne hinhaben möchten, um so bestimmte Ärgernisse kostengünstig loswerden zu können.
Mit besten Empfehlungen – Geeignete Absturzzonen für unsere amerikanischen Freunde.
Frei nach dem Motto: Ein Flieger, der vom Himmel fällt, erspart bei uns die Abrissbirne.
Da wären als aller erstes diese hässlichen, alten Kasernen der Amerikaner, ihre verödeten Munitionslager in Eifel, Westerwald und Hunsrück, ihre verlassenen unterirdischen Raketenbasen, ihre vergammelten Militärdepots und ölverseuchten Truppenübungsplätze. Was könnte man alles dort drauffallen lassen.
Auch das stillgelegte Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich wäre eine wunderbare Absturzzone. Zum einen könnte man erproben, ob ein Atomkraftwerk einen Crash mit einem Flieger auch wirklich aushält. Und zum andern kämen die RWE nie mehr auf die Idee, diesen Kasten eventuell noch einmal ans Netz gehen zu lassen.
Bestimmte Weinbaugebiete wären ebenso absturzgeeignet. Vor allem Lagen, in denen diese Dornfelderrebe angebaut wird. Dornfelder, dieser Synthetikwein, dessen Aroma den Ausdünstungen einer durchnässten Kinderbettmatratze nicht unähnlich ist, und dessen Geschmack an seifiges Badewasser erinnert. Flächendeckend könnte man auf diese Lagen abgestürzt werden.
Auch ein bestimmtes Image würden wir gerne loswerden. Die Meinung nämlich, dass wir Rheinland-Pfälzer ein grässliches Hochdeutsch sprechen und uns jeden Tag mit Saumagen voll stopfen. Dieses Image, verursacht von einem übergewichtigen Oggersheimer, ist leider als Absturzzone nur schwer zu lokalisieren.
Das Deutsche Eck in Koblenz wäre allerdings ein zielgenauer Absturzpunkt. Hat man doch dort vor ein paar Jahren diesen unsäglichen Kaiser Wilhelm II. wieder auf den Denkmalsockel gehoben. Dieses Standbild deutschen Größenwahns. Da eine F-16 drauf! Um diesen preußischen Kommisskopf wäre es wirklich nicht schade.
Nervig sind auch diese Rheintouristen auf den weißen Ausflugsschiffen der Köln-Düsseldorfer, auf denen es von April bis Oktober aus den Lautsprechern plärrt, warum es am Rhein so schön ist, und wo ständig schnatternde Japaner mit ihren Minikameras irgendwann unsere arme Loreley kaputtfotografiert haben werden. Aus humanitären Gründen würden wir allerdings das Weltkulturerbe „Mittelrheintal“ als Absturzzone ausschließen.
Gut vorstellen könnten wir uns aber flexible Absturzzonen. Und zwar überall, wo sich in Rheinland-Pfalz rechtsradikale Gesinnungsgenossen breit machen wollen. Dort, wo Nazi-Kameradschaftstreffen oder NPD-Rockkonzerte stattfinden sollen, dort wird das betreffende Gebiet sofort offiziell zur Absturzzone erklärt.
Sie sehen Ideen und Vorschläge, was wir in unserem Bundesland gerne loswerden wollen, gibt es genug.
Allerdings würde ich die Pfälzer allein nicht darüber entscheiden lassen, wo solche Absturzsektoren eingerichtet werden sollten. Die Pfälzer würden nämlich das gesamte Saarland zur Absturzzone erklären, damit dieses völlig überflüssige Bundesland zumindestens eine minimale Existenzberechtigung hätte.
Die vergessene Republik – Die Mainzer Republik
Von Claus Stephan Rehfeld
Keine Fastnacht ist so politisch wie die Mainzer. Anders also als die Kölner, wo mehr rumgekalauert wird. Kurzum: die Mainzer Fastnacht ist Ausdruck einer subversiven Mentalität des dortigen Menschenschlages – ideologiefrei und pragmatisch. Und sie ist volkstümlicher Rest einer verlorenen Revolution, einer vergessenen Republik – der ersten deutschen Republik, der ersten gewählten Volksvertretung und nationaler Selbstbestimmung.
Die Chronologie im Schnelldurchlauf, aber nicht zum Vergessen.
„Die Repräsentanten des freien deutschen Volkes, durchdrungen vom Hochgefühl ihrer Würde, erhoben sich von den Sitzen und erklärten die Souveränität des deutschen Volkes.“
18. März 1793. Lang ist es her, war nur von kurzer Dauer und betraf einen winzigen Landstrich. Die Mainzer Republik.
„Unser Vaterland … drückt kein Despote mehr.“
Ein Dekret wurde erlassen, dessen erster Artikel verkündete, dass
„der ganze Landstrich von Landau bis Bingen … von jetzt an einen freyen, unabhängigen, unzertrennlichen Staat ausmachen“ soll, der „gemeinschaftlichen, auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Gesetzen gehorcht.“
Mainz, die ersten Gehversuche der Freiheit. Egal, mit einem Handstreich wurden
„alle bisherigen angemaßten willkürlichen Gewalten abgeschafft.“
Die Geburtsstunde bürgerlicher Demokratie auf deutschem Boden. Das erste Schriftstück, das sich zu Volkssouveränität, Rechtsgleichheit und politischer Freiheit bekennt. Dreißig Kanonenschüsse
„verkündeten auf der Stelle dem Volk diesen ersten Akt der deutschen Volkssouveränität.“
Beschlossen und verkündet vom rheinisch-deutschen Nationalkonvent, angestoßen vom Mainzer Jakobinerclub. Er hatte sich am 23. Oktober 1792 konstituiert als
„Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit".“
Ein paar Verwegene konstituieren die Demokratie.
„"Die Freiheit, das heißt alles tun zu dürfen, was Gesetze, wozu Ihr selbst mitwürket, nicht verbieten …“
Es blieb ein Versuch, aber er wurde wenigstens gewagt. Am 31. März 1793, an einem Sonntagvormittag, tagt die Volksvertretung zum letzten Mal.
„Die Mitglieder des Konvents wurden vom Präsidenten auf den folgenden Tag eingeladen, Holz zum Bedürfnisse der Stadt in den Alleen um dieselbe zu fällen, und die Sitzung ward hieraus geschlossen.“
Letzte Worte des letzten Protokolls der Wagemutigen, der Demokraten.
Eine Woche darauf geht die Republik unter im Feuer der kaiserlichen Truppen. Sie hatten die Stadt umzingelt.
Nach neun Monaten wird die Mainzer Republik ebenso abrupt beendet wie sie begonnen hatte.
„Mainz ist wirklich den Feinden in die Hände gefallen …“
Der Reiszverschluss – Ein juristischer Bescheid zur offenen Hosentür
Von Anja Wickmann
Wir nähern uns einem delikaten, ja heiklen Thema, also Gegenstand: der Hose. Oben und unten sollte sie offen sein, vorne aber nicht. Der Reißverschluss da vorne da ist gemeint, er kann schnell zum Reizthema werden. Privat … und öffentlich. Ist er offen, dann kann es gar zu einer öffentlichen Verhandlung kommen. Jedenfalls in Koblenz. Das Urteil kann Folgen haben, denn eine offene Hosentür ist nunmehr und fürderhin kein Verstoß mehr die guten Sitten.
Wir schweigen bedeutungsvoll.
Nichts ist so überflüssig, wie ein offener Hosenladen! Wirklich nichts?
Es gibt offenbar Fälle, mit denen diese Meinung entschieden widerlegt werden könnte. Jedenfalls ist ein offener Hosenladen nicht unbedeutend genug, dass er nicht die Kammer eines Gerichts intensiv beschäftigen könnte – und manchmal lockt ein offener Hosenschlitz sogar damit, bares Geld wert zu sein.
Zum Beispiel dann, wenn er seinen Hosenträger dazu bringt, vor Gericht zu ziehen, deutsche Behörden zu verklagen. Dann verspricht so ein offener Reißverschluss schon mal eine gute Rendite.
Aber auch dann hält der Schlitz nicht immer, was er verspricht! In Koblenz diente ein Verschluss mit defektem Verzahnungsmechanismus als Grundlage für eine Klageschrift. Der Kläger war praktisch ans Haus gefesselt, weil der Reißverschluss an seiner einzigen Hose nicht mehr funktionierte. Offensichtlich lag das Sozialleben des Arbeitslosen deshalb komplett brach – vor allem litt sein Engagement um eine neue Arbeitsstelle heftig unter den ungehörigen Plastikhaken. Der Rheinland-Pfälzer verpasste eine Infoveranstaltung der Arbeitsagentur und sogar einen Pflichttermin bei seinem Vermittler. Alles, weil er sich mit offenem Hosenstall nicht vor die Tür traute.
Nach den beiden verpassten Terminen griff die Behörde zu rabiaten Mitteln und kürzte das sowieso schon schmale Budget des Arbeitslosen um weitere 34 Euro.
Und plötzlich hat ein lästiges Problem seinen großen Auftritt – der nicht funktionierende Hosenreißverschluss wird zur Ausrede und damit zum Politikum:
Ist es zumutbar, dass ein Empfänger von Arbeitslosengeld II mehr als eine Hose bereithält, um sich in der Öffentlichkeit passabel zu präsentieren, Infoveranstaltungen mitzumachen und sowohl Arbeitsvermittler, als auch potenzielle Arbeitgeber mit einem gepflegten Äußeren zu beglücken? Das Sozialgericht Koblenz sagt JA – der doppelte Kleidungsvorrat ist die Pflicht eines jeden guten Bürgers und es gibt dem Mann seine 34 Euro nicht zurück. Aber das ist nicht alles, was der Arbeitslose bei dem Prozess verloren hat. Auch seine Würde ist wegen der intimen Ausrede zurzeit genauso angeknackst, wie die Plastikzähnchen an der Vorderseite seiner Hose.
Und an dieser Stelle verliert die Geschichte auch den letzten Rest an Sinn!
Nichts ist so überflüssig, wie ein offener Hosenladen!
Kurt seltener zu Haus – Ein kurzweiliger Reisebericht
Von Christoph Gehring
Kurt, der Landesvater, kommt viel rum: Vom Jubiläumsfest der Freiwilligen Feuerwehr in Pluwig zur Sparkasseneröffnung in Landau trägt ihn der Dienstwagen; vom Schulbesuch in Annweiler zum Bürgermeisterwahlkampf in Trier; vom Weinfest in Neumagen-Dhron zu den Bibliothekstagen in Koblenz. Und so weiter. Immer weiter.
Doch in Kurts Körper wohnt seit einiger Zeit nicht nur die Seele eines Ministerpräsidenten, sondern auch die des Vorsitzenden einer stolzen, aber störrischen Partei. Der SPD nicht nur im Land, sondern auch im Bund vorzusitzen, braucht dies, aber vor allem das – Präsenz in Berlin. Darum ist der Kurt jetzt weniger im Land unterwegs und noch viel weniger daheim. Im Eigenheim. In Steinfeld. Gemeinde Bad Bergzabern. Kreis Südliche Weinstraße:
„Vor allem sind jetzt die Sonntage endgültig und ganz draufgegangen. Ich bin jetzt sonntags immer ab Mittags in Berlin, es geht halt nicht anders.“
Weil’s halt nicht anders geht, führt der Kurt seine Partei in Berlin am Sonntagnachmittag und sonntagabends. In Mainz muss da nicht regiert werden, denn der Rheinland-Pfälzer ist mehrheitlich katholisch und heiligt den Sonntag. Montags trifft sich in Berlin der Bundesvorstand der SPD, also ist der Kurt auch da. Aber nicht lange, denn die Heimat ruft schon, weil am Dienstagmorgen – wie in allen Bundesländern – das Kabinett tagt. Und dazu braucht’s den Ministerpräsidenten.
Wenn das Landeskabinett besprochen hat, was zu besprechen war, dann ist ab Dienstagnachmittag wieder Kurt der Parteivorsitzende im Dienst. Und der wird überall in Deutschland gebraucht.
Am Mittwoch muss Kurt, der Parteivorsitzende, in Berlin noch mal gründlich koalieren, damit sich ab Donnerstag Kurt, der Ministerpräsident, wieder um sein Land kümmern kann, ehe er am Sonntagnachmittag wieder nach Berlin und zurück und wieder hin und zurück.
Wie er das alles macht, der Kurt? Darüber reden sie hier in Rheinland-Pfalz nicht so gerne. Der Staatskanzlei wäre es vermutlich am liebsten, der Kurt bliebe im Lande und regierte es vollpräsent. Denn in Kirchheimbolanden, Kandel und Cochem könnte es nicht gut ankommen, wenn Kurt, der Parteivorsitzende, zu viel Zeit von Kurt, dem Ministerpräsidenten, klaut, die dann für die Landeskinder in Kirchheimbolanden, Kandel und Cochem fehlen könnte. Die aber brauchen besonders viel Hinwendung – von Kurt, dem Ministerpräsidenten.
„Irgendwann wird die politische Arbeit zu Ende sein. Und dann hoffe ich, dass ich in meiner Dorfgemeinschaft wieder daheim bin.“
Immer noch geteilt – Mainz, die geteilte Stadt
Von Claus Stephan Rehfeld
Hatte der frühere Mainzer Oberbürgermeister Jockel Fuchs mit Berlinern zu tun, dann verblüffte er diese gelegentlich mit dem Satz: „Auch Mainz ist eine geteilte Stadt.“ Berlin, so hören wir, sei nicht mehr gespalten, aber Mainz noch, nur: wie lange noch? Wann hört dort die Nachkriegszeit auf? Bald, vielleicht, könnte auch Mainz die Wiedervereinigung feiern. Oberbürgermeister Beutel will demnächst, so hörten wir, den Bundestag sensibilisieren und Ehrenbürger Karl Delorme vom Verein „Vereintes Mainz“ lässt nicht locker. Wir auch nicht!
„Das ist die geteilte Stadt, die amputierte Stadt, die können Sie nennen, wie Sie wollen.“
Geteilt. Nach dem 2. Weltkrieg.
„Durch den Machtspruch eines amerikanischen Offiziers. Der ist da rüber gegangen, nach Wiesbaden und hat gesagt, ich schenke dir Kastell und Costheim. So flapsig wie die Amis sind, gell.“
Die Mainzer Vororte Amöneburg, Kastel und Kostheim – den Wiesbadenern (!) zugeschlagen.
„Es sind insofern sind die in dieser Frage die reinen Kriegsgewinnler gewesen, die Hessen. Aber das wollen sie heute nicht wissen.“
Rücken die Werkbank der Domstadt nicht heraus.
„Das ist nach wie vor für mich ein schreiendes Unrecht.“
Ein Drittel der Bevölkerung, 52 Prozent der Stadtfläche, Wirtschaftskraft und Steuergelder – gekappt. Damals. Bis heute!
„Jedes Jahr, das ins Land geht, macht diese Sache unerträglicher.“
Der Schurke heißt Wiesbaden und will die drei Mainzer Urgemeinden nicht hergeben. Trotz Befragung und Heimweh.
„Das ist zutiefst undemokratisch.“
Mainzer Gebietsforderungen – für die da in Wiesbaden eine „folkloristische Privatangelegenheit“!
„Das sind dumme Sprüche, die wirklich zu Wiesbaden passen. Kennen Sie einen Grund, einen triftigen Grund dahinter? Was heißt ‚folkloristische Privatangelegenheit’? Da fehlen mir die Worte.“
Für Wiesbaden eine Lokalposse.
„Das ist doch, das ist doch absurd! Das sind doch dumme Sprüche! Natürlich kann man alles madig machen. Das entwertet unsere Argumente nicht, sondern ist ein bezeichnendes Licht gegenüber diesen Wiesbadener Amtsträgern, die mit Zähnen und Klauen unrecht erworbenes Gut behalten wollen.“
Karl Delorme, Lokalpatriot, Verein „Vereintes Mainz“.
„Und dieses Unrecht zu ändern, muss unsere Aufgabe der nächsten Zeit sein.“
Mit besten Empfehlungen – Ideale Absturzzonen
Von Hans Peter Betz
Vorsicht! Satire! Wenn die rheinland und pfälzischen Bürger es immer noch ertragen müssen, dass auch in Zeiten, in denen sie vom Frieden umzingelt sind, hochgerüstete Kampfjets über ihrem schönen Bundesland herumkreisen, und wenn man ihnen sogar mitteilt, dass für abstürzende Militärflieger extra Absturzgebiete eingerichtet worden sind, dann wollen sie zumindest gefragt werden, wo sie besagte Absturzzonen gerne hinhaben möchten, um so bestimmte Ärgernisse kostengünstig loswerden zu können.
Mit besten Empfehlungen – Geeignete Absturzzonen für unsere amerikanischen Freunde.
Frei nach dem Motto: Ein Flieger, der vom Himmel fällt, erspart bei uns die Abrissbirne.
Da wären als aller erstes diese hässlichen, alten Kasernen der Amerikaner, ihre verödeten Munitionslager in Eifel, Westerwald und Hunsrück, ihre verlassenen unterirdischen Raketenbasen, ihre vergammelten Militärdepots und ölverseuchten Truppenübungsplätze. Was könnte man alles dort drauffallen lassen.
Auch das stillgelegte Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich wäre eine wunderbare Absturzzone. Zum einen könnte man erproben, ob ein Atomkraftwerk einen Crash mit einem Flieger auch wirklich aushält. Und zum andern kämen die RWE nie mehr auf die Idee, diesen Kasten eventuell noch einmal ans Netz gehen zu lassen.
Bestimmte Weinbaugebiete wären ebenso absturzgeeignet. Vor allem Lagen, in denen diese Dornfelderrebe angebaut wird. Dornfelder, dieser Synthetikwein, dessen Aroma den Ausdünstungen einer durchnässten Kinderbettmatratze nicht unähnlich ist, und dessen Geschmack an seifiges Badewasser erinnert. Flächendeckend könnte man auf diese Lagen abgestürzt werden.
Auch ein bestimmtes Image würden wir gerne loswerden. Die Meinung nämlich, dass wir Rheinland-Pfälzer ein grässliches Hochdeutsch sprechen und uns jeden Tag mit Saumagen voll stopfen. Dieses Image, verursacht von einem übergewichtigen Oggersheimer, ist leider als Absturzzone nur schwer zu lokalisieren.
Das Deutsche Eck in Koblenz wäre allerdings ein zielgenauer Absturzpunkt. Hat man doch dort vor ein paar Jahren diesen unsäglichen Kaiser Wilhelm II. wieder auf den Denkmalsockel gehoben. Dieses Standbild deutschen Größenwahns. Da eine F-16 drauf! Um diesen preußischen Kommisskopf wäre es wirklich nicht schade.
Nervig sind auch diese Rheintouristen auf den weißen Ausflugsschiffen der Köln-Düsseldorfer, auf denen es von April bis Oktober aus den Lautsprechern plärrt, warum es am Rhein so schön ist, und wo ständig schnatternde Japaner mit ihren Minikameras irgendwann unsere arme Loreley kaputtfotografiert haben werden. Aus humanitären Gründen würden wir allerdings das Weltkulturerbe „Mittelrheintal“ als Absturzzone ausschließen.
Gut vorstellen könnten wir uns aber flexible Absturzzonen. Und zwar überall, wo sich in Rheinland-Pfalz rechtsradikale Gesinnungsgenossen breit machen wollen. Dort, wo Nazi-Kameradschaftstreffen oder NPD-Rockkonzerte stattfinden sollen, dort wird das betreffende Gebiet sofort offiziell zur Absturzzone erklärt.
Sie sehen Ideen und Vorschläge, was wir in unserem Bundesland gerne loswerden wollen, gibt es genug.
Allerdings würde ich die Pfälzer allein nicht darüber entscheiden lassen, wo solche Absturzsektoren eingerichtet werden sollten. Die Pfälzer würden nämlich das gesamte Saarland zur Absturzzone erklären, damit dieses völlig überflüssige Bundesland zumindestens eine minimale Existenzberechtigung hätte.
Die vergessene Republik – Die Mainzer Republik
Von Claus Stephan Rehfeld
Keine Fastnacht ist so politisch wie die Mainzer. Anders also als die Kölner, wo mehr rumgekalauert wird. Kurzum: die Mainzer Fastnacht ist Ausdruck einer subversiven Mentalität des dortigen Menschenschlages – ideologiefrei und pragmatisch. Und sie ist volkstümlicher Rest einer verlorenen Revolution, einer vergessenen Republik – der ersten deutschen Republik, der ersten gewählten Volksvertretung und nationaler Selbstbestimmung.
Die Chronologie im Schnelldurchlauf, aber nicht zum Vergessen.
„Die Repräsentanten des freien deutschen Volkes, durchdrungen vom Hochgefühl ihrer Würde, erhoben sich von den Sitzen und erklärten die Souveränität des deutschen Volkes.“
18. März 1793. Lang ist es her, war nur von kurzer Dauer und betraf einen winzigen Landstrich. Die Mainzer Republik.
„Unser Vaterland … drückt kein Despote mehr.“
Ein Dekret wurde erlassen, dessen erster Artikel verkündete, dass
„der ganze Landstrich von Landau bis Bingen … von jetzt an einen freyen, unabhängigen, unzertrennlichen Staat ausmachen“ soll, der „gemeinschaftlichen, auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Gesetzen gehorcht.“
Mainz, die ersten Gehversuche der Freiheit. Egal, mit einem Handstreich wurden
„alle bisherigen angemaßten willkürlichen Gewalten abgeschafft.“
Die Geburtsstunde bürgerlicher Demokratie auf deutschem Boden. Das erste Schriftstück, das sich zu Volkssouveränität, Rechtsgleichheit und politischer Freiheit bekennt. Dreißig Kanonenschüsse
„verkündeten auf der Stelle dem Volk diesen ersten Akt der deutschen Volkssouveränität.“
Beschlossen und verkündet vom rheinisch-deutschen Nationalkonvent, angestoßen vom Mainzer Jakobinerclub. Er hatte sich am 23. Oktober 1792 konstituiert als
„Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit".“
Ein paar Verwegene konstituieren die Demokratie.
„"Die Freiheit, das heißt alles tun zu dürfen, was Gesetze, wozu Ihr selbst mitwürket, nicht verbieten …“
Es blieb ein Versuch, aber er wurde wenigstens gewagt. Am 31. März 1793, an einem Sonntagvormittag, tagt die Volksvertretung zum letzten Mal.
„Die Mitglieder des Konvents wurden vom Präsidenten auf den folgenden Tag eingeladen, Holz zum Bedürfnisse der Stadt in den Alleen um dieselbe zu fällen, und die Sitzung ward hieraus geschlossen.“
Letzte Worte des letzten Protokolls der Wagemutigen, der Demokraten.
Eine Woche darauf geht die Republik unter im Feuer der kaiserlichen Truppen. Sie hatten die Stadt umzingelt.
Nach neun Monaten wird die Mainzer Republik ebenso abrupt beendet wie sie begonnen hatte.
„Mainz ist wirklich den Feinden in die Hände gefallen …“
Der Reiszverschluss – Ein juristischer Bescheid zur offenen Hosentür
Von Anja Wickmann
Wir nähern uns einem delikaten, ja heiklen Thema, also Gegenstand: der Hose. Oben und unten sollte sie offen sein, vorne aber nicht. Der Reißverschluss da vorne da ist gemeint, er kann schnell zum Reizthema werden. Privat … und öffentlich. Ist er offen, dann kann es gar zu einer öffentlichen Verhandlung kommen. Jedenfalls in Koblenz. Das Urteil kann Folgen haben, denn eine offene Hosentür ist nunmehr und fürderhin kein Verstoß mehr die guten Sitten.
Wir schweigen bedeutungsvoll.
Nichts ist so überflüssig, wie ein offener Hosenladen! Wirklich nichts?
Es gibt offenbar Fälle, mit denen diese Meinung entschieden widerlegt werden könnte. Jedenfalls ist ein offener Hosenladen nicht unbedeutend genug, dass er nicht die Kammer eines Gerichts intensiv beschäftigen könnte – und manchmal lockt ein offener Hosenschlitz sogar damit, bares Geld wert zu sein.
Zum Beispiel dann, wenn er seinen Hosenträger dazu bringt, vor Gericht zu ziehen, deutsche Behörden zu verklagen. Dann verspricht so ein offener Reißverschluss schon mal eine gute Rendite.
Aber auch dann hält der Schlitz nicht immer, was er verspricht! In Koblenz diente ein Verschluss mit defektem Verzahnungsmechanismus als Grundlage für eine Klageschrift. Der Kläger war praktisch ans Haus gefesselt, weil der Reißverschluss an seiner einzigen Hose nicht mehr funktionierte. Offensichtlich lag das Sozialleben des Arbeitslosen deshalb komplett brach – vor allem litt sein Engagement um eine neue Arbeitsstelle heftig unter den ungehörigen Plastikhaken. Der Rheinland-Pfälzer verpasste eine Infoveranstaltung der Arbeitsagentur und sogar einen Pflichttermin bei seinem Vermittler. Alles, weil er sich mit offenem Hosenstall nicht vor die Tür traute.
Nach den beiden verpassten Terminen griff die Behörde zu rabiaten Mitteln und kürzte das sowieso schon schmale Budget des Arbeitslosen um weitere 34 Euro.
Und plötzlich hat ein lästiges Problem seinen großen Auftritt – der nicht funktionierende Hosenreißverschluss wird zur Ausrede und damit zum Politikum:
Ist es zumutbar, dass ein Empfänger von Arbeitslosengeld II mehr als eine Hose bereithält, um sich in der Öffentlichkeit passabel zu präsentieren, Infoveranstaltungen mitzumachen und sowohl Arbeitsvermittler, als auch potenzielle Arbeitgeber mit einem gepflegten Äußeren zu beglücken? Das Sozialgericht Koblenz sagt JA – der doppelte Kleidungsvorrat ist die Pflicht eines jeden guten Bürgers und es gibt dem Mann seine 34 Euro nicht zurück. Aber das ist nicht alles, was der Arbeitslose bei dem Prozess verloren hat. Auch seine Würde ist wegen der intimen Ausrede zurzeit genauso angeknackst, wie die Plastikzähnchen an der Vorderseite seiner Hose.
Und an dieser Stelle verliert die Geschichte auch den letzten Rest an Sinn!
Nichts ist so überflüssig, wie ein offener Hosenladen!