LandGang

Brandenburg ist übersichtlich, die Sendung ist es auch. Wir sind auf der Suche nach Brandenburger Leuchttürmen, stoßen auf einige Merkwürdigen im hiesigen Biographischen Lexikon, stimmen ein Loblied auf die Teltower Rübe an, erklären, warum ein Fontane-Bild in Kurt Tucholsky's Arbeitszimmer hing, und fragen schließlich nach brandenburgischen Weihnachtsbräuchen.
Erst war man das Land der Gießkannen, nun ist man Leuchtturm-Land. In wohl keinem anderen Bundesland ist so oft von Leuchttürmen die Rede. Das verwundert, ist doch Brandenburg mehr als binnenländische Sandbüchse bekannt. Egal, überall werden Leuchttürme gemeldet. Wir haben ihn gesucht, den echten Brandenburger Leuchtturm.

Das Leuchtturm-Land
Auf der Suche nach besagten Leuchttürmen
Von Silvia Plahl

Frau: "In Brandenburg nen Leuchtturm – nicht dass ich wüsste. Das is mir neu. Noch nie was von gehört. Ne. Das is ja nun auch nicht grade die Gegend fürn Leuchtturm … (lacht). "

Wir lassen uns nicht kirre machen. Alle reden von Leuchttürmen. Wir suchen ihn.

Wasser gibt’s schließlich in Brandenburg.

Mann: "Na, ick lebe hier in Brandenburg, ick kenn den. Ick bin Angler und deswegen wees ick det. – Wird wohl jeder Brandenburger kennen, oder. "

Na bitte! Suche im Internet: "Brandenburg und Leuchtturm". 133.000 Treffer! Also Leuchttürme.

"Ein Leuchtturm, der nach Brandenburg und Sachsen leuchtet
Angelverein zum Leuchtturm eV Brandenburg
Leuchtturm-Politik von SPD und CDU gescheitert ….
Leuchtturm im märkischen Sand
Leuchtturm für Brandenburg und darüber hinaus
Hessische Landtagsabgeordnete warnen: Keine Brandenburger Leuchtturmprojekte in Hessen…"

Nun, diverse brandenburgische Leuchttürme sind bereits untergegangen. Der Lausitz-Ring, die Chip-Fabrik, die Cargo-Lifter-Halle – sie sollten weit über die Landesgrenzen hin Signale setzen. Das tun sie auch, aber als Investitionsruinen. Der Brandenburger hat offenbar seinen eigenen Begriff vom Leuchtturm …

Stopp, da ist er, einer.

Antiquar: "Stimmt. Wir hatten mal eine Karte mit einem gemalten Leuchtturm. Ohne Jahresangabe. (blättert) "Brandenburg, Havelmündung in den Breitlingsee, Leuchtturm", stand da drauf. Wir haben sie letztes Jahr verkauft. An einen Brandenburger. "

Den Leuchtturm. Am Breitlingsee. Der liegt im Land Brandenburg bei der Stadt Brandenburg. 60 Kilometer westlich von Berlin. Eine Kleinstadt an der Havel.

Aber typisch, vor Ort keine Einigkeit ob Leuchtturm oder nicht Leuchtturm.

Männer: "Da ist die Einfahrt zur Havel hin, damit ist die Havel gekennzeichnet worden. Der ist aus Metall, also nur ein Metallgerüst eigentlich, ja. Und da oben ist eine Leuchte druff. Aber so kann man nicht raufklettern auf den Leuchtturm.
Also ist det ein Leuchtfeuer. Und kein Leuchtturm. Na, der ist nicht so groß. Is ja nur ein Signal für die Schiffe. "

Langsam lichtet sich das Dickicht. Links Breitlingsee, rechts die Havel. Bemooste Pflastersteine befestigen den Weg. Das Gras wächst aus den Ritzen. Ganz vorne, auf einer kleinen Mole, steht er – unser Leuchtturm. Ein Gittermast, grün-weiß, vielleicht sieben Meter hoch. Unten von einer kleinen Mauer umringt, oben mit einer Brüstung. Irgendwie waren Leuchttürme früher auch größer.

Lichtgestalt ja, Leuchtturm nein. Schade. Nicht hoch genug und nicht massiv genug, teilte uns gerade das Wasser- und Schifffahrtsamt mit. Von wegen Brandenburg, Land der Leuchttürme. Land der Leuchtfeuer allemal. Davon sahen wir viele.

Leben Sie noch oder sind Sie schon tot?
Ungewöhnlich: Lebende im Historischen Lexikon
Von Michael Frantzen

Das "bürgerliche Selbstbewusstsein der Märker", so lesen wir, soll gestärkt werden. Und zwar kräftig, darum ist das Buch auch umfänglich geraten. Die Rede ist vom "Brandenburgischen Biographischen Lexikon". Es weist einige Merkwürdigkeiten auf, was wenig verwundert, denn in Brandenburg gibt es viel merkwürdiges, also des Merkens würdiges. Aber manchmal … merkwürdig.

Könnten Manfred Stolpe, Matthias Platzeck und Jörg Schönbohm eigentlich im Chor singen. Sind ja große Brandenburger. Zumindest tauchen sie im "Brandenburgischen Biographischen Lexikon" auf.

Stolpe zum Beispiel …

" … wird in großen Teilen der Landes Brandenburg als Identifikationsfigur angesehen und geschätzt. "

Oder Platzeck, die neue Lichtgestalt der SPD, …

" … hat sich große Verdienste um den Umweltschutz erworben. "

Oder Schönbohm, der zackige Ex-General, …

" … ist eine charismatische Führungsgestalt bei der zuvor krisengeschüttelten CDU. "

Danke … für den historischen Wälzer. Gibt es auch in anderen Bundesländern, da heißen sie dann "Baden-württembergische Biographien" oder "Sächsische Lebensbilder." Und doch ist das Nachschlagwerk der "Brandenburgischen Historischen Kommission" etwas Besonderes. Wegen Stolpe, Platzeck und Schönbohm. In anderen Landes- und Nationalbiographien muss man nämlich erst unter der Erde sein, um drin aufzutauchen. In Brandenburg aber wird einem schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt.

So wie Quiz-Papst – der Günter – der Jauch. Wohnt ja mit Seeblick in Potsdam – ergo auch ein großer Brandenburger. Und nach dem Zeilen-Umfang seiner Eintragung zu urteilen, definitiv auch größer als Friedrich der Große. Von anderen großen Brandenburgern wie Erwin Strittmatter oder Peter Huchel ganz zu schweigen. Bisschen komisch. Wobei: Vielleicht ist Jauch – der Zugezogene - auch einfach nur der prototypische Brandenburger?!

Ob er aber immer glücklich ist? Die Präsidentin der Oberfinanzdirektion Cottbus, ebenfalls mit einem Eintrag bedacht, wird da wohl eine andere Melodie summen.

Von denen wir nur eine hier wirklich vermissen: Warum in alles in der Welt hat die historische Kommission Stolpe, Platzeck und Co schon zu Lebzeiten aufs historische Schild gehoben? Sind die alle etwa schon Geschichte? Oder stehen zu viele Sockel leer in der Gegend herum - sozusagen enthauptet?

Wüssten wir auch gerne. Tun wir aber nicht. Aber vielleicht Lothar Bisky. Oder Marianne Birthler. Oder Günter Nooke. Immerhin erreichen ihre Einträge fast die Größe von Platzeck, dem Chef.

Könnte eigentlich auch die Angela – die Merkel – singen. Ist ja schließlich in Brandenburg aufgewachsen und hat hier lange gelebt. Aber nichts da: Taucht einfach nicht auf im "Brandenburgischen Biographischen Lexikon." Dabei ist Angie doch nun wirklich drauf und dran, die größte lebende Brandenburgerin zu werden. Aber vielleicht gibt es ja bald eine Neuauflage. Dann als ganz große Koalition der ganz Großen.

Auferstanden aus dem Acker
Das Teltower Rübchen
Von Ulrike Timm

Das Teltower Rübchen – fest verwurzelt im kargen Sandboden der Mark und auf dem Weg in die Spitzengruppe der Gourmet-Beilagen. Eine unscheinbare Wurzelknolle mit pikantem Geschmack. Nach der Wende wieder auferstanden aus dem Acker, macht sie nun Karriere – auf dem Hof. Und da, wo Feinschmecker einkehren. Eine Region baut auf Rübe. Bringt sie die Rettung?

Brassa rapa forma teltowiensis oder auch: Teltower Rübchen

… also … schön ist es nicht.

"Eine Schönheit ist es nicht, aber wie so oft im Leben geht es um den Inhalt. Der Geschmack ist sehr überzeugend. "

Zehn Vitamine wurden ermittelt, sowie Spuren von Silizium und Eisen. Alles gut verborgen unter haariger Oberfläche. Sozusagen das Äffchen unter den Rübchen

"Also rein optisch nen hänger. "

Aber der Geschmack!

"Man muss es mal probieren! "

… sagt nicht nur Ökobauer Axel Szilleweit. Denn das Rübchen soll einer strukturschwachen Region wieder auf die Beine helfen. Die Rübe als Rettung? Immerhin hat sich schon Goethe Teltower Rübchen nach Weimar schicken lassen, gleich fässerweise, und auch Fontane hielt große Stücke auf den würzigen, an Rettich erinnernden Geschmack ...

Am Rübchen hängt nicht alles, aber viel. Die Restaurants im Brandenburg haben die Spezialität wieder für ihre Speisekarten entdeckt und verzeichnen einen bemerkenswerten Aufschwung, seit sie sich wieder verstärkt auf die kulinarischen Werte der Region besinnen. Und nur ein Teltower Rübchen schmeckt nach Teltower Rübchen, weiß man in Hammers Landhotel.

"Es gibt manche Leute, die kommen nur fürs Rübchen hierher. "

Und dann gibt es Rübchensuppe, Rübchengemüsebeilage … und Rübchenparfait. Ja, auch das ...

Vor allem aber gibt es den …
Förderverein für das Teltower Rübchen, so nennt sich dieser Verein.

Der sich um das Wohlergehen und die Weiterverbreitung des runzligen Rübchens kümmert. Schließlich wird das unscheinbare, aber höchst aromatische Gemüse seit 300 Jahren im Landkreis Teltow Fläming angebaut. Zu DDR-Zeiten allerdings blieb die Rübe unbeachtet, denn ihre Ernte macht viel Arbeit. Jedes Rübchen wird einzeln per Hand gerupft, viel Aufwand für bescheidenen Ertrag …

So ein Rübchen setzt einem schon Widerstand entgegen. Und dann auch das noch:

Koch: "Die ist ja nicht so doll. Mit ihrer Rübe bin ich nicht hundertprozentig zufrieden ... "

Wolfgang Stöve, Koch in Hammers Landhotel, hat sie am liebsten kaum daumengroß. Dann ist sie am dekorativsten….

"Geschabt, nicht geschält, blanchieren in Salzwasser ... "

Manchmal wird es sogar exportiert, obwohl das eigentlich natürlich überhaupt nicht geht.

… und die will Ehepaar Müller aus Teltow dann nach England schicken. Nach Ringwood.

Frau: "Ringwooder Rübchen. "
Mann: "Ringwooder Rübchen. "

Nee. das geht nun wirklich nicht.

"Man muss es probieren! "

Ja. Aber bitte das das Original.

Tucholsky über Fontane
Ein nicht nur literarisches Verhältnis
Von CS Rehfeld

Als "märkischer Goethe" wirkt er zeitlebens auf ihn. Er – Theodor Fontane, auf ihn – Kurt Tucholsky. Gerade achte Jahre alt ist Tucholsky, als Fontane 1898 auf dem Gipfel seines Ruhms stirbt. Tucholsky wächst mit dem Werk Fontanes auf, orientiert sich immer wieder an ihm, spielt mit Anspielungen auf dessen Werke, greift auf ihn im schwedischen Exil zurück. Fontanes Portrait schmückt Tucholskys Arbeitszimmer.
"Warum sein Bild in meinem Zimmer hängt" - Kurt Tucholsky über Fontane.

Dieter Mann: "Daß Du die Wanderungen Fontanes liest, finde ich beinahe rührend. Übrigens geht es mit ihm – cim grano salis – wie mit Joethen: in seinen Werken ist er nie ganz zu finden. "

1911 reist der Jura-Student Kurt Tucholsky mit seiner Freundin Else Weil nach Rheinsberg. Die Erinnerung an das Wochenende schreibt er sich 1912 in seinem Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte vom Herzen. Die erste Szene im Bahn-Coupé – Anspielung auf das Rheinsberg-Kapitel in Fontanes Wanderungen durch die Grafschaft Ruppin. Und Tucholsky spielt verschiedentlich auf Fontanes Roman Irrungen, Wirrungen an. Wie dort eine Landpartie, wie dort eine kleine Streitigkeit über Blumen – aber wie anders ausgetragen! Fontanes Lene wird traurig, heiter-verliebt bei Tucholsky. Der Streit "erstickt in Küssen".

" Damals, so in den Achtziger Jahren, / ist man noch nicht mit dem Auto gefahren; / alles ging seinen ruhigen Schritt, / und der alte Fontane ging ihn mit. "

Beide verfügen über die Fertigkeit, die sie Fontane zufolge bewahrt "vor jenem ebenso ridicülen wie anstößigen Lokalpatriotismus, der den Sieg der Müggelseeberge über das Finsteraarhorn proklamiert." Lässt Fontane 1890 sein Gedicht Veränderungen in der Mark ironisch enden", so setzt Tucholsky 1918 in seinem Gedicht Der alte Fontane ein Ausrufezeichen hinter das Fontane-Zitat "Gott, ist die Gegend runtergekommen!". 30 Jahre seitdem haben die Mark stark verändert.

" Er ist unerschöpflich im Vergleichen. Er holt, um einen Eindruck den Sinnen des Lesers nahezubringen, der ihn doch nicht mit wahrgenommen hatte, die unmöglichsten Dinge heran, die scheinbar ganz fern liegen – und wupp! ist der Eindruck da. "

Fontane hat Tucholsky Zeit seines Lebens berührt. Fontane beschreibt die Welt der Vorkriegszeit, Tucholsky formuliert ihren Abgesang. Beide drückt die neue Zeit "viel schwerer als leibliche Not". Im schwedischen Exil wendet sich Tucholsky wieder stärker dem alten Fontane zu. Doch der Ton ist ein anderer – die Schwärmerei weicht der Melancholie.

Wenige Tage vor seinem Tod zitiert er in einem Brief an seinen Bruder Fritz nochmals den alten Fontane, lobt das wissende Schweigen.

" Im Patriotismus lassen wir uns von jedem übertreffen … In der Heimatliebe von niemand – nicht einmal von jenen, auf deren Namen das Land grundbuchlich eingetragen ist. "


Es ist wieder so weit. Die allseits glücklichen Gesichter der Erwachsenen signalisieren es uns, die ersten Schneeflocken decken mögliche Zweifel zu, das Lichterketten-und-Weihnachtsmann-auf-dem-Dach-Brauchtum setzen Ausrufezeichen und der Blick in den Kalender schafft letzte Gewissheit. Natürlich haben Sie daheim am Lautsprecher schon längst entschlüsselt: Es weihnachtelt. Aber bräuchelt es auch im Brandenburger Land?

Es gibt nichts. Keine alten Weihnachtsbräuche, die eigens für dies Land hier draußen ausgewiesen wären - ganz anders also als in Thüringen, Sachsen, Mecklenburg... Das allerdings ist der ignorante Fehler der Menschen aus der großen Stadt Berlin. Die nämlich wurde erst 1920 als eigene Provinz aus dem Lande Brandenburg gewissermaßen ausgegliedert: weshalb die Weihnachtsbräuche des Landes Brandenburg dieselben waren wie die der großen Zentrumsstadt Berlin: Mit Abstrichen, denn während zur Berliner Weihnacht unabdingbar der Gänsemarkt gehörte, so gehörte zur märkischen Weihnacht, dass die Bauern mit den Gänsen nach Berlin zogen und sie dort verkauften! Dutzendweise hingen die Gänse an den großen Planwagen, daneben saßen die brandenburgischen Marktfrauen und wärmten sich an Kohleöfen ...

Im Brandenburgischen Land hingegen hielt sich damals noch der Brauch, zu Weihnachten - wenn man arm war, zu den Reichen des Dorfes zu pilgern - und wenn man reich war, den Armen zu geben: Da kamen am Abend die Kinder aus dem Dorf, die sangen - und wenn sie keine Weihnachtslieder konnten, dann sangen sie halt Kirchenlieder: Und hinter ihnen reihten sich die anderen Weihnachts-Almosenempfänger auf: die Handwerkslehrlinge, danach die Witwen und die Krüppel: Und sie alle wurden mit Essen, mit Socken und die Kinder mit Nüssen und Äpfeln bedacht, bevor dann die Herrschaft das zelebrierte, was in der Stadt seit je her als Weihnachten gilt: nämlich das Prassen unterm Weihnachtsbaum - den in der großen Stadt Berlin auch erst die Verkehrsmittel des späten 19. Jahrhunderts herbeigeschafft hatten...

Die Quellenlage über die Weihnachtsbräuche im Brandenburgischen ist irgendwie also in den Nostalgien der großen, wild zelebrierenden Stadt Berlin verschwunden, während sie drumrum ganz brav und protestantisch ignoriert wurden. Jetzt allerdings gehen wir wirklich mal nachgucken, - und was finden wir? Eine höchst seltsame Weihnachtsmannparade der Stadt Brandenburg, ansonsten Kitsch, Rummel und Zeitvertreib auf unzähligen Weihnachtsmärkten, und das Erzgebirge erschlägt einen hier mit ausgeliehener hölzerner Sinnlichkeit in Form von Weihnachtspyramiden und Pfeifenmännchen...

Aber sie haben was Tolles erfunden, da in Brandenburg: Jedenfalls haben sie da, wo der Städter todesmutig mit einer mitgebrachten Axt seinen eigenen Tannenbaum schlagen kann, immer mehr ambulante Weihnachtsmärkte im Wald aufgezogen...: Das hat was, was sich der Städter so kaum vorstellen kann: Vorweihnacht im Wald - zwar ohne Schnee , klimabedingt -, aber auch ohne Lichterketten, stattdessen mit vielen, vielen noch lebendigen "Tannenbäumen" mit Wurzeln in der Erde drumrum, und mit Menschen, aus deren eingemummelten Mündern wirklich Dampf kommt beim Sprechen.
Leider nennen sie es - den "Erlebnis-Weihnachtsbaum" für die ganze Familie...