Landgang

Matschige Küstenstreifen, plattes Land, und fast so viele Schweine wie Einwohner, jedenfalls sieben Millionen. Wir versenken diese Depesche der Schwarzweißmalerei, neigen wir doch der wohl abgewogenen Betrachtungsweise zu.
Also gibt es viele bekannte Niedersachsen: Wulff, von der Leyen, Lichtenberg. Lichtenberg? Den kennt kaum noch einer. Wir erinnern uns gerne seiner … Sprüche: "Dies geistliche Schlaraffen-Ländgen (…) Hier trieft der Honig der Erkenntnis …" Nun ja …

Eichhorst: "Der Hannoveraner spricht das sauberste Hochdeutsch? Tuam. Hoan. Baht."

Ja, ja, die Themen haben heute irgendwie alle was mit Irrtümern zu tun, mit sprachlichen, weiblichen, historisch-politischen und touristischen. Halt Niedersachsen. Bitte.

Die Schlachten heutzutage
Von Hans-Peter Fischer

Varus, Varus, gib mir meine Autos wieder. Der Spruch ist überliefert, gehört zum Rüstzeug eines jeden deutschen Autodidakten, und gibt doch viele Rätsel auf. Wo nun verlor Varus seine Legionen Autos? Der eine tippt mit dem Finger da auf die Landkarte, der andere tippt mit dem Finger erst an die Stirn und dann dort auf die Nebelkarte der Geschichte. DAMALS ist lange her, doch der Nebel hat sich nicht verzogen. Über DAMALS wissen wir wenig genaues, über HEUTE wissen wir nur noch ungenaues. Wo werden die entscheidenden Schlachten heute geschlagen? Wer führt sie an? Wo ging der Gegner in den Hinterhalt? Arme Historiker, die ihr noch geboren werdet.

Wenn, ja wenn die Außerirdischen eines fernen Tages auf die Niedersachsen des Jahres 2009 stoßen, haben sie eine harte Nuss zu knacken – in Form einer kryptischen immer und immer wieder bemühten Formel.

"Dieser Wagen läuft. Und läuft. Und läuft. Und läuft."

Was nur, werden sich die Extraterrestrischen fragen, was könnten die Niedersachsen damit gemeint haben? Eins scheint klar: Der Slogan hängt zusammen mit einem Symbol. Zwei archaische Schriftzeichen, umschlossen von einem Kreis. Dieses Emblem muss quasi-religiöse Bedeutung gehabt haben, schließlich findet es sich fast allenthalben: Auf Bauwerken, auf Dokumenten und auf einer Unzahl vierrädriger Metallkarren.

Bewegten sich die Blech-Kreaturen aus eigener Kraft? War ihr Herz ein Tank? Gehörten sie zu den gummifüßigen Metall-Korpoiden. Unterschieden sie sich in V und W? Stand V für vännlich und W für weiblich? Oder war VW eine politische Herrscherkaste?

Christian Wulff: "Die bisherige VW-Strategie ist aufgegangen, war erfolgreich. Für Niedersachsen, für mich als Ministerpräsident steht im Vordergrund die Sicherung der Arbeitsplätze, der Beschäftigung, der Standorte."

War ein "Ministerpräsident" der Sprecher von V-W? Nun, wer dem Erfolg Pate stand, wer genau die Strippen zog – darüber werden der Staub der Jahrhunderte und der Mantel des Schweigens liegen. Dabei prangten große Namen an der Himmelscheibe von Wolfsburg.

Bentley Werbung: "So what is a Bentley-concept? In the first place, Bentley equals Britisch grand touring in the grander sense.”"

Niedersachsen. Es war einmal ein Landstrich großer Entscheidungen. Die Varusschlacht bei Osnabrück im Jahre 9 nach Christus galt als Geburtsstunde der VW-Nation. Bünde kamen und gingen – C-D-U, S-P-D … Die EXPO 2000 trug das Niedersachsen-Loblied bis in die entlegenste Ecken des kleinen Landstriches. Doch die Helden auf heimatlicher Scholle blieben auch im größten Triumph oft mythischer Nebel. Wer war Birgit Breuel? Wer Christian Wulf? Unsichtbarkeit – das ist das Markenzeichen dieses Stammes, der seine Schlachten gerne im Geheimen austrug. In Korridoren, Hinterzimmern, Wortblasen. Sie waren die kleinen Sterne unter der VW-Sonne, kündeten von den Jagdtrophäen des mächtigen Kreis-Zeichens.

Kleine Wappenkunde. Niedersachsen
Von Claus Stephan Rehfeld

Als es noch gar nicht existierte, da war es mal schwarz, dann wieder weiß und sprang. Dann, als es benutzt wurde, kam es schreitend daher, hob nur den rechten Vorderhuf vom Boden ab. Irgendwann setzte es dann wieder zum Sprung an. Erst trug es den Schweif immer nach oben gerichtet, später hing er etwas herab. Am Anfang wurde es als Sachsenross bezeichnet, dann war es das Welfenross, schließlich wurde es zum Niedersachsenross. Es gibt einiges zu erzählen.
Die Kleine Wappenkunde. Niedersachsen.


Jahrzehntelang ging es in Niedersachsen vorläufig zu. Erst 1993 wurde alles endgültig. Das war am 1. Juni 1993. Bis zu diesem Tag galt die "Vorläufige Niedersächsische Verfassung" vom 13. April 1951. Sie hatte in ihrem letzten Artikel festgelegt: "Die Verfassung tritt ein Jahr nach Ablauf des Tages außer Kraft, an dem das Deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung beschließt." Nun bekamen die Deutschen nach der Wende zwar keine Verfassung, es blieb beim Grundgesetz, aber dennoch beschloss Niedersachsen eine "Neue Verfassung" für das Bundesland. Bestätigt wurde das Wappen von 1951. Ein springendes weißes Pferd im roten Feld. Doch das Wappen beruht auf einem Irrtum.

Das Sachsenross. Lange hielt sich im Volk der Glaube, das Ross sei das Wappen des alten Stammesherzogtums Sachsen gewesen. Auch nach dem Sturz Heinrichs des Löwen 1180 ging die Erinnerung an das alte Sachsen nicht unter. Es hatte ganz Norddeutschland und Teile von Mitteldeutschland umfasst. Aber ein Wappen hatten die alten Sachsen nicht - es gab noch kein Wappenwesen.

Der Machtinstinkt der Welfen machte aus dem Volksglauben ein Symboltier. Das war 1361. Im Streit mit den askanischen Herzögen von Sachsen-Wittenberg um Lüneburg nahm Herzog Albrecht II. das Sachsenross in sein Siegel auf. Ein geschickter Schachzug – der Welfe demonstrierte mit dem Sachsenross einen Machtanspruch auf altsächsisches Stammesgebiet. Zur Absicherung berief er sich auf sagenumwobene Geschichten. So habe schon Sachsenherzog Widukind im achten Jahrhundert einen geteilten Schild mit dem Sachsenross geführt. Doch die Legende war späteren Datums.

Lange hielten die Welfen an ihrem Wappentier, dem Löwen, fest. Doch das Sachsenross war beim Volk beliebt. Es sollte es bekommen, wurde auf Münzen, Medaillen, Siegeln, Amts- und Postschildern verwendet. Das Sachsenross wurde zum Wappen des kleinen Mannes. Und es schaffte schließlich den Sprung von der Helmzier auf den Wappenschild mit 12 Feldern. Das Sachsenross wurde zum "kleinen" Wappen. Nach dem Untergang der welfischen Herzogtümer wurde es vom Königreich Hannover und vom Herzogtum Braunschweig übernommen. Nach dem Untergang der Monarchie 1918 wurde es zum einzigen offiziellen Wappen der preußischen Provinz Hannover und des Freistaates Braunschweig.

1946. Die britische Militärregierung hat aus vier Ländern das neue Land Niedersachsen gebildet. Sollen nun auch alle vier Länder im neuen Wappen vertreten sein? Das Niedersachsenross überspringt alle Hürden in der Diskussion. Lange schon gilt es als das Symbol für Niedersachsen. Es ist einfach und einprägsam, und es repräsentiert vier Fünftel der Bevölkerung des neuen Landes. So wird das Niedersachsenross erst zum inoffiziellen, dann 1951 zum vorläufigen und erst 1993 zum endgültigen Wappentier.

Hannover, weiblich
Von Knut Benzner

Hannover macht sich heraus, also schöner. Was früher Niedersachsenstadion hieß, das ist jetzt die AWD-Arena. Und wo dunnemals die poplige Stadionsporthalle stand, begrüßt uns nun die AWD-Hall. AWD kennen wir zwar nicht, aber Arena und Hall hört sich echt hannoversch an. Irgendwie weiblicher. Wie die Straßen, da am hannöverschen Sportparkgelände. Horst Podlasly haben sie vom Schild genommen, den legendären Torwart der "Roten" von Hannover 96. Wahrscheinlich wegen der "Roten". Statt dessen Frauennamen da in Hannover.

Stattdessen: Frauennamen. Von Sportlerinnen, um dem umliegenden Gelände angemessen zu bleiben. Luise Finke, Orientierungsläuferin ...

" "Wo laufen sie denn ..."

Grete Rosenberg, Schwimmerin, Hermine Stindt, ebenfalls Schwimmerin ... und Inge Machts, Hochspringerin.

Aber wer ist, oder: Wer waren Inge Machts? Grete Rosenberg, besser: Grete Rosenberg-Wildhagen, Hermine Stindt und Luise Finke ... Und vor allem: Wann?

"Sag´ mir quando, sag´ mir wann ..."

Rosenberg und Stindt 1912. Olympische Spiele in Stockholm, Silber in der 100-Meter-Freistilstaffel. Und aus Hannover natürlich.
Horst Podlasly kam, der Name lässt´s erahnen, aus dem Ruhrgebiet. Zugereister. Na ja.
War´n die Damen aber auch. Luise Finke immerhin Ostpreußen. Studentenweltmeisterin im Hoch- und Weitsprung, 1938, die Orientierungsläuferin.
Die Orientierung hat man in Hannover quasi seit Schröder...

Schröder: "Das ist vernünftig, wenn man sich in Deutschland darauf einstellt …"

... verloren.
Der hatte übrigens abgelehnt als Straßenname.
Ist sowieso ein Mann.
Wie wär´s mit Doris Schröder-Köpf?
Geht nicht. Zu große Ähnlichkeit mit Hinrich Wilhelm Kopf.
Jutta Heine! Nicht mal verwandt mit Heinrich Heine.
Die Hobbys der Grünen Gleichstellungspolitischen Sprecherin Maaret Westphely sind mit ihren Kindern im Garten graben ...

... und Altes finden und wieder brauchbar machen.
O meus Hannovera. Oh, mein Hannover!
Spricht Frau von der Leyen Latein?

Von wegen Hochdeutsch
Von Sabine Eichhorst

Der Schwabe, der zwar hier nicht hingehört, denn dies ist ein Landgang quer durch Niedersachsen, aber trotzdem: Der Schwabe, heißt es, sei sparsam. Also protzt gern. Warum sonst verkündet er von höchster Stelle über die Landesgrenzen hinaus: Wir können alles. Außer Hochdeutsch.? (Natürlich auf schwäbisch.) Vielleicht ist es die logische Folge: dass jemand, der immer sparsam sein muss, irgendwann gern mal auf die Kacke haut. Allerdings macht der Schwabe sich keine Illusionen über sein Deutsch und das unterscheidet ihn wiederum vom Niedersachsen, respektive vom Hannoveraner. Einer der beliebtesten Irrtümer im Land lautet: Der Hannoveraner spricht das sauberste Hochdeutsch. Wir nun erfahren da etwas anderes, sind also überrascht und gespannt.

Gehen Sie mal in Hannover durch die Straßen und fragen Sie einen Eingeborenen, was das für ein Ding ist da neben der Kirche, das mit der Glocke drin und dem Kreuz drauf. Er wird sagen: Das ist ein Tuam. Der Köachtuam.

Ich muss das wissen, ich wurde in Hannover geboren und sprachlich sozialisiert. Und dachte lange Zeit ebenfalls, ich spräche sauberstes Hochdeutsch. (Nicht, dass ich das als Verdienst begriffen hätte, als Auszeichnung. Es war einfach so. ) Aber dann kam ich zum Radio. Und musste eines Morgens sehr früh den Text für einen aktuellen Beitrag über irgendetwas in einer Kirche aufnehmen. Als ich den Beitrag später im Programm hörte, fiel mir auf: Die Frau da in der Box, die sagte immer Tuam. Und Köache.

Der Hannoveraner spricht nicht sauberstes Hochdeutsch. Er spricht weitgehend so, wie er schreibt, also ziemlich Hochdeutsch bzw. Standarddeutsch, wie es sprachwissenschaftlich heißt. Mit eben dieser kleinen Schwäche für unsaubere Vokale. Tuam. Hoan. Baht.

Nun mag man sich fragen: Warum insistiert der Hannoveraner so darauf, dass er das sauberste Hochdeutsch spricht?
Böse Zungen werden sagen: Weil es das Einzige ist, worauf er sich überhaupt etwas einbilden kann. Motto: Wir können nichts. Nur Hochdeutsch.
Aber sehen Sie es mir nach: Ich fand Hannover nie so schrecklich.

Doch gebricht es dem Hannoveraner nicht allein an der sauberen Aussprache einzelner Vokale, sondern zuweilen auch an der korrekten Verwendung der Grammatik.

Ausgerechnet in der Innenstadt vor dem Hauptbahnhof, aus dem täglich Besucher in die Hochdeutsch-Metropole strömen, steht ein in Stein geschlagener Grammatikfehler. In den Sockel des Reiterdenkmals, das Ernst August I., König von Hannover, zeigt, meißelte ein Steinmetz: "Dem Landesvater sein treues Volk." Mit einem Gedankenstrich hinter Landesvater läse sich die Inschrift so, wie sie wahrscheinlich auch gemeint ist: Dem Landesvater gewidmet – Unterschrift: sein treues Volk. Pferd von Volk an König. Ohne Gedankenstrich handelt es sich um einen Fall landesväterlicher Genitiv-Schwäche. Und man fragt sich: Wer widmet wem was? Pferd von Volk an König – oder Pferd von König an Volk?

Der Hannoveraner spricht das sauberste Hochdeutsch? Tuam. Hoan. Baht.

Kann weg
Von Knut Benzner

Wir nähern uns nun der etwas rustikaleren Abteilung. Die sensiblen Herrschaften in Niedersachsen halten sich bitte zwei Minuten die Ohren zu. Ein gebürtiger Hannoveraner, er spielte in seiner hannöverschen Kindheit auf dem Festland gerne Schiffe versenken, ein gebürtiger Hannoveraner also bedrängte uns so lange mit seiner Auskunftsfreude, bis wir schließlich nachgaben und ihm gestatteten, er könne uns mitteilen, was da in Niedersachsen irgendwie sehr entbehrlich sein. Also überflüssig. Was also weg kann. Ersatzlos. Bitte, der Herr.

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Es bildet die Signifikante in den nächsten zwei Minuten und wird Ihnen aus Ihrem täglichen Leben bekannt vorkommen.

Klospülung

Auch wenn Sie nicht aus Niedersachsen sind.
Die Koordinaten wie z.B. G 10,

"Daneben."

Daneben? Mist.
Egal.
Die Koordinaten also, sonst beim Schiffe versenken üblich, lassen wir weg, sie führen nur unwiederbringlich ins Nirwana, dem Niedersachsen sowieso schon nahe ist – und das eigentliche "Schiffe-versenken-Geräusch" ...

Bombe

... zu rudimentär.

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Wolfsburg. Meister. Mit Magath. Franke übrigens.
Wolfsburg ist Niedersachsen – hat Christian Wulff vergangenen Samstag ausdrücklich betont, im Norddeutschen Rundfunk, ebenfalls Niedersachsen, irgendwie. Dachte man bisher, Wolfsburg liege im Niemandsland, sozusagen im Nichts zwischen Mittellandkanal und angrenzendem Mühlenteich ... Nein!
Welch Stadt. Autostadt. Rathaus ohne Balkon, da wahrscheinlich 70er-Jahre-Bau, Wolfsburg selbst ist ja sowieso erst seit 1945 ... anderes Thema.
Neben Wolfsburg und um Wolfsburg herum? Gifhorn, Helmstedt, Wolfenbüttel, Braunschweig ... hhmm.

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Oh, andere Spülung.
Zwischen Wolfsburg und Osnab ...

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Hannover. H A N N O V E R !
Die Welfen. Deren königliche Hoheit? Abjehauen aus der Marienburg nach Monte Carlo.
Misburg – Stadtteil von Hannover ...

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... hatte mal zwei Freundinnen da, nicht parallel natürlich, haben mich trotzdem beide verlassen.

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Die List mit ihren Lehrern, Linden, Ledeburg, Leinhausen ...
nur eine Straße, die Stöckener, bleibt unberührt, da wohnt meine Mutter.

Und dann das Lied! Als sei es von Wilfried Hasselmann persönlich. Wir sind die Niedersachsen ...

... sturmfest und erdverwachsen ...

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Das war´s.
Und Sie wollen auch nächste Saison den heißen Reifen fahren?
Continental erledigt sich von alleine.