Landflucht in Portugal

Keine Zukunft, keine Innovation

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Eine Gasse im Ort Cacela Velha, aufgenommen in Portugal. © picture-alliance/ ZB / Jens Kalaene
Von Daniel Sulzmann · 14.10.2014
In Portugal haben die jungen, gut Ausgebildeten auf dem Land kaum eine Chance einen Beruf zu finden. Sie verlassen ihre Dörfer Richtung Stadt oder Ausland: Das Dorf als Lebensform ist in Portugal bedroht.
Wenn die Glocke der Kirche am Marktplatz von Fratel läutet, hell und klar, dann hört ihr kaum noch jemand zu. Fratel, eine Gemeinde ziemlich genau in der Mitte von Portugal zwischen Leiria und Castelo Branco leidet seit Jahren - wie viele andere Dörfer auch - unter dem Verlust der Jungen. Die Alten bleiben. Aber auch die sind nicht mehr viele. Bürgermeister Jose Pereira Correia ist selbst schon 73 Jahre alt. Schon die Größenverhältnisse machen deutlich, dass nur noch ganz wenige Menschen die Gemeinde auf dem Land bevölkern.
"Diese Gemeinde hat rund 1000 Einwohner und das auf 100 Quadratkilometer."
Man stelle es sich vor: Ein Gebiet 10 Kilometer lang, und zehn Kilometer breit, darauf verstreut, 1000 Einwohner. Fratel bekommt wie viele portugiesische Gemeinden das Geld aus Lissabon zugeteilt, die Steuern, die die Gemeinde erheben kann, sind eher symbolisch. Da hilft es auch nichts, mit den berühmten Steuervergünstigungen Unternehmen anlocken zu wollen:
"In Vila velha de Rodao wird im Kreistag immer wieder diskutiert, welche Steuervergünstigungen wir Unternehmen geben können, denn die Bemühung hier jemanden anzusiedeln, ist wirklich groß."
Es kommt aber niemand. In der Nähe wird noch Zellulose produziert. Der Ausgangsstoff für die Papierproduktion. Das war es dann auch. Die Menschen, die noch in Fratel leben sind alt und sie können es sich wegen der schlechten Wirtschaftslage und ihren Mini-Renten nicht mal leisten, in einem Laden etwas zu kaufen, es könnte ja zu teuer sein, das Einkaufszentrum ein paar Kilometer weiter lockt mit Dumpingpreisen alle, die noch Geld haben. Die anderen sitzen alt und meist deprimiert in der Sonne. So wie José Pinto Ribeiro. Er ist 84 alt.
"Das war ein guter Landkreis: Es gab viel Arbeit für Schäfer und in der Landwirtschaft. Auch wenn es schwere und schlecht bezahlte Arbeit war. Aber wenigstens hatten die Leute Arbeit und ihren Lohn am Ende der Woche."
"Alles bleibt gleich"
Dass er selbst schon 36 Jahre in Lissabon gearbeitet hat und erst im Alter zurückgekommen ist, das zeigt, das schon früher in Fratel die Perspektiven nicht besonders erbaulich waren. Nur: jetzt geht es wirklich ans Eingemachte. Manuela Flores betreibt einen Laden in Fratel, der Einzige, neben dem Supermarkt und einigen kleinen Cafés, die Geschäft gehen furchtbar schlecht, klagt sie. Und das liegt wohl nicht nur an ihrem Sortiment: Sie verkauft von allem ein bisschen, Kleidung, Lampen, Bettbezüge, Nippes, Kitsch. Fast ein sogenannter Chinaladen, in einer klitzekleinen Version.
"Das Geschäft geht schlecht, sehr schlecht. Ich verkaufe nichts. Die Leute haben kein Geld. Die meisten hier sind alt, haben sehr niedrige Renten. Das Geld reicht kaum für Medikamente und Essen. Da bleibt nichts übrig."
Manuela Flores ist 54. Sie zählt damit noch zu den Jungen, aber auch ihre Kinder sind nicht mehr da:
"Eine meiner Töchter hat studiert und ist in Leiría verheiratet, arbeitet dort. Die andere ist gerade mit dem Studium fertig geworden und will weiter studieren. Mein Mann arbeitet in Castelo Branco, fährt dorthin jeden Tag zur Arbeit."
Fratel, das Dorf ohne die Jungen ist nur noch im Sommer halbwegs belebt, wenn so manche Familie hier ihren Urlaub verbringt. Und die Zukunft? Wie wird es sein in dieser Gemeinde mit gerade mal neun Kindern im Kindergarten und zwölf Kindern, die in die Kreisstadt zur Schule gehen? Jose Pinto Ribeiro, der 84-jährige, hat da seine ganz eigenen und nicht besonders optimistisch klingenden Prognosen:
"Die Zukunft ... die Zukunft, wie im ganzen Land wird es wohl immer schlechter werden. Es gibt keine Innovation, nicht verändert sich, alles bleibt gleich."
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