Landesverrat-Affäre

"Es trifft mit Harald Range einen der Richtigen"

Die Journalisten Markus Beckedahl (links) und André Meister stehen in der Redaktion des Blogs "netzpolitik.org" in Berlin.
Gegen Markus Beckedahl (links) und André Meister ermittelte der Generalbundesanwalt wegen Landesverrat. © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Markus Beckedahl im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur von "netzpolitik.org", hat die Amtsenthebung von Generalbundesanwalt Harald Range begrüßt.
"Es trifft mit Harald Range einen der Richtigen", sagte er am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. Allerdings ist Range Beckedahl zufolge nicht der einzige Verantwortliche. Vorwürfe erhob der Netzpolitik-Chef weiterhin gegen Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, da dieser die Landesverratsanzeigen durch ein "sehr fragwürdiges Gutachten" forciert habe "und in Range irgendwie, warum auch immer, ein willfähriges Opfer fand, der das Ganze dann exekutierte".
Beckedahl warf darüber hinaus die Frage auf, warum in der Politik in den zweieinhalb Monaten laufenden Ermittlungen gegen "netzpolitik.org" niemand etwas von dem Landesverrat gewusst haben wolle. "Entweder haben wir es hier mit geballter Inkompetenz auf allen Ebenen zu tun - daran möchte ich gar nicht glauben - oder hier ist noch irgendwas massiv faul."
Der Netzpolitik-Chef bekräftigte noch einmal, dass die veröffentlichten Dokumente nicht als geheim eingestuft gewesen seien. "In der Regel würden wir geheim eingestufte Dokumente nicht veröffentlichen."

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Bauernopfer - dieses Wort fällt schon den ganzen Abend und Morgen im politischen Berlin. Die Rede ist vom Generalbundesanwalt a.D. Harald Range, rausgeschmissen von seinem Dienstherrn Heiko Maas, wobei sich die Frage stellt, inwieweit Range diesen Rauswurf auch provoziert haben mag. Wir fragen jetzt den Mann, mit dem all das seinen Lauf nahm, Markus Beckedahl, Chefredakteur von Netzpolitik.org und einer der Journalisten, die Range im Verdacht hat, Landesverrat begangen zu haben. Guten Morgen, Herr Beckedahl!
Markus Beckedahl: Guten Morgen!
Frenzel: Trifft es mit Harald Range den Richtigen?
Beckedahl: Es trifft mit Harald Range einen der Richtigen, die dafür verantwortlich sind, dass Ermittlungen wegen Landesverrats gegen meinen Redakteur André Meister, mich, aber auch unsere Quellen eingeleitet wurden und wir damit einen Angriff auf die Pressefreiheit in Deutschland erleben.
Frenzel: Das heißt, Sie sagen, es trifft einen richtigen. Daraus höre ich, es sollten auch noch weitere zurücktreten?
Beckedahl: Das wäre natürlich schön, wenn es Verantwortliche geben würde, die auch dazu stehen, dass sie verantwortlich sind, und die von der Gesellschaft, von der Politik, von unserer Demokratie dafür auch zur Verantwortung gezogen werden würden. Hier fällt mir vor allen Dingen erst mal Herr Maaßen ein, der Verfassungsschutzpräsident, der diese Landesverratsanzeigen unter anderem durch ein sehr fragwürdiges Gutachten, das jetzt heute Morgen in der "Süddeutschen Zeitung" paraphrasierend erschienen ist, forciert hat und in Range irgendwie, warum auch immer, ein willfähriges Opfer fand, der das Ganze dann exekutierte.
Aber wir fragen uns auch, warum in der Politik in den zweieinhalb Monate laufenden Ermittlungen gegen uns niemand etwas von dem Landesverrat gewusst haben möchte. Ich saß Montagmorgen in der Bundespressekonferenz, und bis hin zum Kanzleramt über das Innenministerium, keiner will irgendwas erfahren haben. Entweder haben wir es hier mit geballter Inkompetenz auf allen Ebenen zu tun, oder hier ist noch irgendwas massiv faul.
Frenzel: Die Unabhängigkeit der Justiz, dafür hat Range seinen Rausschmiss in Kauf genommen. Wenn es nicht der eigene Fall wäre, Herr Beckedahl, hätte nicht genau eine solche Haltung den Applaus von "netzpolitik.org" bekommen?
Beckedahl: Wir sind große Fans der Unabhängigkeit der Justiz. Aber dann müsste man den Generalbundesanwalt erst mal anders strukturieren, sodass er tatsächlich unabhängig ist. Im Moment ist der Generalbundesanwalt ein politischer Beamter, und sein oberster Dienstherr ist der Justizminister. Das kann man sicherlich ändern, und da gibt es ja auch eine ganze Menge Reformvorschläge.
"Wir haben ja in Deutschland eine Luxusposition"
Frenzel: Was man auf jeden Fall positiv vermerken kann: Ihr Fall hat eine ungeheure Aufmerksamkeit bekommen. Der große Skandal der Abhörpraxis durch die NSA aber auf der anderen Seite und wohl auch durch andere Geheimdienste lässt das Land dagegen erstaunlich ruhig. Warum? Wie kommt das? Wie erklären Sie sich das?
Beckedahl: Wir haben ja in Deutschland eine Luxusposition. Wir hätten natürlich auch viel lieber riesige Debatten über die Massenüberwachung, aber wenn wir ins Ausland gehen, mit anderen darüber reden - das tun wir häufig - stellen wir fest, in Deutschland führen wir wenigstens eine Debatte, wenn auch nicht so, wie sie notwendig wäre, um dieses große Übel der Massenüberwachung bekämpfen zu können.
Wir freuen uns natürlich, dass anhand dieses Beispiels der gegen uns laufenden Ermittlungen zumindest wieder in den Fokus kommt, dass diese Ermittlungen deswegen laufen, weil wir aufgedeckt haben, dass der Verfassungsschutz im Geheimen bei der Massenüberwachung massiv aufrüstet und das viele verfassungsrechtliche Fragestellungen aufwirft, die erst durch unsere investigativen Recherchen möglich geworden sind, gesellschaftlich zu diskutieren.
Frenzel: Würden Sie denn sagen, der Staat hat grundsätzlich ein Recht auf Geheimnisse?
Beckedahl: Ja, natürlich, der Staat hat ein Recht auf Geheimnisse. Man muss aber auch dazu sagen, die von uns veröffentlichten Dokumente haben wir zur ja quasi Einordnung unserer Berichterstattung, unserer investigative Recherchen noch dazu gestellt, um Leserinnen und Lesern zu ermöglichen, aus Originalquellen sich zu informieren, unsere Arbeit als Journalisten auch kritisch hinterfragen zu können. Und diese waren nicht als geheim eingestuft. Der Staat hat sicherlich die Möglichkeit als geheim einzustufen und nicht nur als vertraulich, und dann handelt es sich sicherlich auch um Staatsgeheimnisse.
Frenzel: Und dann hätten Sie sie auch nicht veröffentlicht?
Beckedahl: Das würde ich jetzt nicht kategorisch so sagen. Ich kann mir Einzelfälle vorstellen, wo wir eventuell mal davon eine Ausnahme machen würden, aber in der Regel würden wir als geheim eingestufte Dokumente nicht veröffentlichen.
Frenzel: Markus Beckedahl, der Chefredakteur des Portals "netzpolitik.org". Ich danke Ihnen für das Interview!
Beckedahl: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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