Landestheater Linz

"Die Stadt sagt: Wir brauchen euch nicht"

Hermann Schneider ist seit 2016 Intendant des Landestheaters Linz.
Hermann Schneider ist seit 2016 Intendant des Landestheaters Linz, doch Ende 2019 droht seinem Haus der Kahlschlag. © dpa / picture alliance / RUBRA
Von Bernhard Doppler · 01.12.2018
Wie bei vielen Theatern sind in Linz die Subventionen zwischen Land und Stadt aufgeteilt − doch die Stadt will aus dem Vertrag aussteigen. Die Petition "Linz liebt sein Theater" setzt sich das Ziel, den Gemeinderatsbeschluss rückgängig zu machen.
Wenn man nach Linz kommt, scheint die Theaterwelt noch in Ordnung, findet auch Landestheater-Intendant Hermann Schneider:
"Wir haben eine Situation, die sehr glücklich ist, dass dieses Haus auch angenommen wurde, und das was viele ja befürchtet, geunkt und sogar heimlich herbeigeredet haben, dass das ein Strohfeuer ist, dass das Haus am Anfang Aufmerksamkeit schafft, dass es eben der Neubau ist und auf den lange hingearbeitet wurde, aber dann würde das verpuffen, wie gesagt, dass das ein Strohfeuer ist, ist nicht eingetreten. Der Erfolg hat sich verstetigt … und jetzt ist das ganze Politische hinterfragt."

Schon 14.000 Unterstützer der Petition

Denn die Stadt Linz will den Vertrag mit dem Landestheater aufkündigen. Bisher werden wie bei vielen Theatern die Subventionen in Linz zwischen Bundesland und Stadt aufgeteilt, aber ausgerechnet die SPÖ-regierte Stadt will das nun ändern. Noch dazu mitten in der Spielzeit 2019/20120, zum frühestmöglichen Termin, nämlich zum Jahresende 2019. Intendant Hermann Schneider:
"Die Stadt sagt: Wir brauchen euch nicht, wir können uns euch nicht leisten. Das ist der ökonomische Hintergrund, aber letztlich merkt man auch eine Ablehnung der Institution als solcher."
Dagegen hat Hermann Schneider nun unter dem Motto Linz liebt sein Theater eine Petition eingerichtet, die bereits mehr als 14.000 Unterzeichner gefunden hat – darunter auch zahlreiche prominente Theaterschaffende aus aller Welt, wie etwa der frühere Burgtheater-Direktor Claus Peymann. Hermann Schneider:
"Unsere Petition richtet sich zunächst vor allem dahin, nicht ohne Alternative auszusteigen. Was uns alle schockiert, ist erstens, dass man mit uns nicht redet, zweitens, dass wir reduziert werden auf einen budgetären Posten und eine Verhandlungsmasse, wobei man das auch auf dem Rücken von Kollegen und Kolleginnen und dem Risiko von Arbeitsplatzverlusten macht. Das Dritte, was mich am meisten erschüttert, ist, dass eine Stadt, die vor neun Jahren Kulturhauptstadt Europas war, sich vom größten und bedeutendsten Kulturunternehmen, das sich in ihren Mauern befindet, schlicht lossagt."

Wahlkampf auf dem Rücken der Kultur

Ressentiments gegen die etablierte Kultur sind also auch in Linz durchaus Teil der Politik. Man erinnert sich vielleicht: "Lieben Sie Jelinek, Peymann, Scholten und Häupl oder lieben Sie Kunst und Kultur?", plakatierte einst im Wahlkampf die FPÖ Jörg Haiders. Und in Linz verhinderte 2000 die FPÖ durch eine Volksbefragung den schon fertigen Plan, das "Theater unter dem Berg" zu bauen. "Kleiner Mann zahlt große Oper" stand damals auf den FPÖ-Plakaten.
Jetzt ist es ausgerechnet ein sozialdemokratischer Bürgermeister, der den Ausstieg aus der Finanzierung betreibt. Er muss freilich mit der FPÖ eine Koalition eingehen. Hat sich deshalb die Kulturpolitik der Sozialdemokraten so geändert?
Auch das renommierte Bruckner-Orchester wäre von dem Ausstieg der Stadt aus dem Subventionsvertrag betroffen. Sein Leiter Markus Poschner:
"Welche Stadt in der Größe von Linz hat schon so ein Weltklasse-Ensemble wie das Bruckner-Orchester und wie das neue Theater, das modernste in Europa. Es geht um Identität einer Stadt, wenn man sich überhaupt anschaut, was in den letzten 15 Jahren hier passiert ist, der Bau der Bruckner-Universität, das Lentos, das große Museum wurde gebaut, das AEC wurde gebaut, das Ars Electronica Zentrum, das ist eine unglaubliche Kulturleistung − und das kippt man jetzt alles über Bord und will davon nichts wissen. Und da stehen wir natürlich Kopf und brauchen große Unterstützung und die bekommen wir auch."

Moralische Werte brechen weg

Heute hat am Linzer Schauspielhaus Lars von Triers "Dogville" in der Inszenierung von Schauspieldirektor Stehpan Schuske Premiere. Auch der Ort Dogville scheint zunächst ganz in Ordnung. Doch fast unmerklich und mehr und mehr brechen mit der Kultur auch alle moralischen Werte und schließlich die Zivilisation selbst weg.
Sollte dieses "Dogville" etwa zum Menetekel für Linz werden – eine Stadt ohne Kultur?
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