Landesgruppenchef: SPD hält sich alle Optionen offen

Axel Schäfer im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 10.05.2010
Die nordrhein-westfälische SPD werde zunächst mit den Grünen sprechen, und dann werde es auch Gespräche mit anderen Parteien geben, sagt der NRW-Landesgruppenchef der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, über mögliche Koalitionsmodelle nach dem offenen Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.
Jan-Christoph Kitzler: Die SPD fühlt sich als Siegerin der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, dabei hat die Spitzenkandidatin Hannelore Kraft eigentlich Verluste eingefahren im Vergleich zur letzten Landtagswahl. Aber ein Wahlziel haben die Sozialdemokraten immerhin erreicht, Schwarz-Gelb ist im Land abgewählt und außerdem hat man die Krise überwunden, das schlechte Wahlergebnis der Bundestagswahl. Dennoch – die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen wird keine einfache Sache, denn die erklärten Wunschbündnisse fallen aus, das hat sich spät in der Nacht herausgestellt. Über die Wahl aus der Sicht der Sozialdemokraten spreche ich jetzt mit Axel Schäfer, er ist Vorsitzender der Landesgruppe NRW in der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

Axel Schäfer: Einen schönen guten Morgen nach Berlin!

Kitzler: Gestern haben Sie bestimmt kräftig gefeiert. Kommt heute das böse Erwachen, weil es für Rot-Grün doch nicht reicht?

Schäfer: Ja, wir haben gestern natürlich kräftig gefeiert seit sechs Uhr, wir haben dann lange gewartet auf die Ergebnisse, es kommt heute kein böses Erwachen, es war ja nur eine sehr kurze Nacht, sondern es kommt jetzt ein ernsthaftes Analysieren und dann auch genau so ernsthafte Gespräche mit den demokratischen Parteien.

Kitzler: Sind Sie enttäuscht, dass es für Rot-Grün nicht reicht?

Schäfer: Ja natürlich, ein bisschen schon, wenn man das erste Wahlziel erreicht hat – Schwarz-Gelb muss weg –, dann ist man erst mal erfreut. Aber das zweite Wahlziel dann, dass wir Rot-Grün wollen, das hat nicht ganz gereicht, und deshalb sind wir ein ganz kleines bisschen traurig.

Kitzler: Die SPD hat gestern vom großen Wahlerfolg gesprochen, aber mal Hand aufs Herz – wie sehr haben Sie das aus eigener Kraft geschafft und wie viel haben Sie den Problemen bei CDU und FDP zu verdanken?

Schäfer: Es kommt natürlich immer vieles zusammen. Aus eigener Kraft, weil wir in einem hohen Maße geschlossen und mobilisiert waren, Kraft zu Kraft, mit dem Namen Hannelore Kraft kann man da auch noch ein bisschen spielen und hat auch sicherlich was miteinander zu tun, weil sie die SPD zusammengehalten hat und auch wirklich sehr gut nach vorne gegangen ist. Das andere: Natürlich profitiert man auch immer ein Stückchen von Schwächen der Konkurrenten und bei der CDU und bei der FDP war das ja deutlich sichtbar, nicht nur, was in Berlin war, sondern auch in Düsseldorf, und wir sind eben in einer Situation, die wir bisher noch nicht hatten, und darauf müssen wir uns einstellen.

Kitzler: Aber noch mal: Wie aussagekräftig ist so eine Wahl denn überhaupt, wenn vor allem die Stimmung im Bund so wichtig ist und nicht die Situation im Land?

Schäfer: Das ist seit genau 1970 so, dass man bei allen wichtigen Landtagswahlen auch gesagt hat, wir schauen mal, was das für den Bund bedeutet und umgekehrt der Bund, die Bundespolitik hat Auswirkung auf Landtagswahlen. Das darf man nicht vergessen, also die letzten 40 Jahre ist das so in unterschiedlicher Wirkungsmächtigkeit. Aber die Bürgerinnen und Bürger beurteilen eben die Politik insgesamt. Und sie wägen natürlich auch ab und sagen, ist mir jetzt bei dieser Wahl das Land entscheidend oder habe ich mich über den Bund oder über andere Dinge, kommunal zum Beispiel, geärgert oder auch sehr gefreut? Und das ist eine Mischung, das kann man nicht so wie in der Chemie ganz rein voneinander trennen, ob das Bundes- oder das Landesmäßige im Vordergrund steht.

Kitzler: Ihr Hauptgegner, die CDU, hat deutlich verloren, aber die SPD hat davon nicht profitiert, im Gegenteil, die SPD hat das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit über 50 Jahren eingefahren. Wie kommt es?

Schäfer: Ja, es gibt zwei Gründe, glaube ich. Zum einen, wir haben seit fünf Jahren ein sich verfestigendes Fünf-Parteien-System, wir hatten vorher 25 Jahre lang ein Vier-Parteien-System und davor ja nur ein Drei-Parteien-System, das heißt, es geht ein Stückchen auseinander bei den Wählerinnen und Wählern, es wird sich nicht nur auf drei, sondern jetzt mittlerweile auf vier beziehungsweise fünf Parteien konzentriert. Und zum anderen, die SPD ist natürlich 2009 in einer außergewöhnlich, auch geschichtlich außergewöhnlichen Krise gewesen. Und aus so einer Krise, die sich ja auch langsam entwickelt hat, das heißt durch eine Reihe von Wahlniederlagen, kommt man nicht mit einem Schritt nach vorne wieder raus. Man muss eben eine Reihe von Schritten tun und der erste Schritt ist immer der wichtigste, und das war die NRW-Wahl.

Kitzler: Wie geht es denn jetzt weiter im Land? Meinen Sie, dass es zu einer Landesregierung kommt, an der die SPD beteiligt ist, und wie soll die aussehen?

Schäfer: Ja auf jeden Fall wird es dazu kommen. Wir haben ja klar gesagt, was wir wollen: Rot-Grün. Wir haben gesagt, wir wollen mit keiner anderen Partei koalieren ...

Kitzler: Gut, das fällt aber jetzt aus.

Schäfer: Aber wir haben gesagt, wir machen aber auch – das ist ein schönes Wort von Hannelore Kraft – keine "Ausschließeritis", das heißt, wir sagen nicht, mit denen nie! Und deshalb werden wir jetzt erst einmal mit unseren grünen Kolleginnen und Kollegen diskutieren und dann wird es auch Gespräche mit anderen Parteien geben, die dazu bereit sind. – Wir hatten ja schon auf Bundesebene mal eine Situation, 2005, da hat die FDP gesagt, nachdem es auch keine klaren Mehrheiten gab, wir reden mit der SPD gar nicht, und ich hoffe, so eine Situation werden wir in Düsseldorf nicht bekommen.

Kitzler: Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen aus Sicht der SPD, das war Axel Schäfer, der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Tag!

Schäfer: Vielen Dank, Ihnen auch!
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