Landesbischof: Atom-Ethikkommission ist "kein Missbrauch"

Moderation: Nana Brink |
Die erstmals tagende Ethik-Kommission zur Atomenergie habe einen klaren Auftrag, so der evangelische Landesbischof in Baden Ulrich Fischer. Es gehe um ethische Diskurse aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie könne eine Gesetzgebung nicht ersetzen. Aus seiner Sicht gehe es darum, "achtsam mit der Schöpfung umzugehen (...) und sie nicht als unseren Besitz zu betrachten".
Nana Brink: Einen Gesetzesentwurf zum Atomausstieg hat die Bundesregierung noch nicht geliefert, aber Bundeskanzlerin Merkel hat eine Ethikkommission einberufen, die heute unter Führung des früheren Umweltministers Klaus Töpfer zum ersten Mal zusammenkommt. Bis Mitte Juni will die Bundesregierung die Zukunft der Atomkraftwerke in Deutschland geklärt haben, auch mithilfe eben dieser Ethikkommission. In diesem Gremium werden so unterschiedliche Leute sitzen wie der Chef von BASF, ein Philosoph, der katholische Erzbischof von München und auch Ulrich Fischer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden. Und mit ihm bin ich jetzt verbunden, einen schönen guten Morgen, Bischof Fischer!

Ulrich Fischer: Guten Morgen, guten Morgen!

Brink: Schönen guten Morgen! Die Ethikkommission zum Atomausstieg ist so etwas wie der Rat der Weisen. Was denn genau ist ihr Auftrag?

Fischer: Den präzisen Auftrag werden wir selber heute Nachmittag erst festlegen, aber ich sage mal, was ich so als mein Mandat verstanden habe, als ich dafür benannt wurde: Ich denke, wir haben wohl die Aufgabe, aus den verschiedenen Dimensionen Beiträge zum ethischen Diskurs zu liefern. Da, denke ich, wird die Aufgabe der katholischen und der evangelischen Kirche sehr nahe beieinander liegen. Wir haben ja in der evangelischen Kirche seit Langem solenne Beschlüsse von Landessynoden und von der EKD-Synode hinsichtlich des Ausstiegs aus der Kernenergie, wir engagieren uns ja auch schon seit Langem hinsichtlich der Bewahrung der Schöpfung auch in Fragen der Intensivierung der Nutzung regenerativer Energien. Und so ist mein Auftrag ziemlich klar, diese ethische Position, die die evangelische Kirche doch seit Langem einnimmt, hier zu vertreten im Diskurs mit jenen anderen ethischen Positionen, auf die ich gespannt bin, mit dem Ziel, hoffentlich einen ethischen Konsens herzustellen.

Brink: Wie begründen Sie denn Ihre Meinung für den endgültigen Ausstieg, den ich ja jetzt aus Ihrer Äußerung herausgehört habe?

Fischer: Ja, das hatte ich, bevor ich berufen wurden, ja auch schon öffentlich gesagt und das habe ich natürlich auch in meinem Dienst als Bischof schon immer wieder en passant gesagt. Ich denke, wir haben eine Verantwortung für die Schöpfung in der Art, dass wir auch immer schauen müssen, dass wir unseren Kindern und Kindeskindern eine Schöpfung hinterlassen, auf der zu leben es lebenswert ist und auf der zu leben die Risiken des Lebens soweit minimiert werden, wie sie minimiert werden können. Dass Leben riskant ist, wissen wir alle, vom privaten Umfeld bis hin zum gesellschaftlichen, aber man kann Risikominimierung betreiben. Und da sage ich schon lange und da sagt die evangelische Kirche schon lange: Es ist nicht gut, wenn wir unseren Kindern eine Schöpfung hinterlassen, bei der die Risiken unverantwortlich hoch sind, insbesondere die Risiken, dass wir nicht wissen, was mit all dem Atommüll einfach einmal geschieht. Wir haben noch immer keine Lösung für die Endlagerproblematik und wir haben Halbwertzeiten bei diesem Material von vielen Tausend Jahren, und damit sind Risiken gegeben für das Leben, die wir so nicht für verantwortlich halten.

Brink: Habe ich Sie richtig verstanden, dass die beiden Kirchen an einem Strang ziehen werden in dieser Frage?

Fischer: Also ich fand es ja interessant, dass unabhängig voneinander – wir hatten gar keinen Kontakt – Kardinal Marx und ich in einer selben Pressemeldung beim evangelischen Pressedienst fast wortgleich zitiert wurden nach der Katastrophe von Fukushima, also vor unserer Berufung und bevor wir irgendeinen Kontakt haben konnten, sodass ich denke, dass wir hier in dieser Frage sehr, sehr nahe beieinander liegen. Wir haben, und das kann ja auch kein Zufall sein, wir gründen ja unser ethisches Urteil auch sehr stark eben auf unseren Schöpfungsglauben, darauf, dass uns die Erde eben von Gott anvertraut ist als Leihgabe und wir die Verantwortung haben, so wie es der Schöpfungsbericht sagt, achtsam mit der Schöpfung umzugehen, sie zu bebauen, zu bewahren und sie nicht als unseren Besitz zu betrachten. Und das hat ja dann Konsequenzen hinsichtlich auch des Umgangs mit Energien.

Brink: Sie haben es erwähnt, in dieser Ethikkommission sitzen ganz unterschiedliche Leute - Unternehmensvertreter, Wissenschaftler, Bischöfe, auch Atomkraft-Befürworter, ob jetzt immer noch überzeugte oder schon bekehrte - kann man da überhaupt auf einen Nenner kommen?

Fischer: Also ich glaube, es wird wichtig sein, die Parameter zu benennen, die bei einer ethischen Urteilsbildung eine Rolle spielen, also wie die Nachhaltigkeit, wie das Risiko für uns und die nachfolgende Generation. Aber eben auch, wie kann es gelingen, dass unsere Gesellschaft als hoch industrialisierte Gesellschaft weiter funktionieren kann. Das ist ja auch eine Kategorie, die nicht ausgeschlossen werden darf, wenn man verhaltensethisch denkt. Und wie können wir auch ein Szenario entwickeln, bei dem nicht von einem Tag zum nächsten Lichter ausgehen, sondern das überführt wird. Weiter, wie können wir die Frage des verantwortlichen Energieverbrauchs der Menschen auch ins Spiel bringen und sagen, da muss auch eine Reduzierung von Energieverbrauch beziehungsweise Optimierung von Energieeffizienz erreicht werden. Das sind verschiedene Parameter und die muss man sich hintereinander anschauen. Und die alle zusammen werden dann in dieser Mehrdimensionalität ein ethisches Urteil bilden. Ethische Urteile werden ja nicht einfach von der Bibel vorgegeben, so einfach ist es ja nicht. Ich wurde mehrfach gefragt, was hat Jesus zu Atomenergie gesagt? – Natürlich gar nichts, aber er hat was zur Verantwortung des Menschen auf dieser Erde gesagt, oder die Bibel, noch mehr dann das Alte Testament. So, und diese verschiedenen Dimensionen müssen wir zusammenbringen, und da können die Argumentationsmuster sehr verschieden sein. Das macht auch gar nichts, wenn am Ende dann ein verhaltensethisch verantwortliches Ergebnis rauskommt, hoffentlich im Konsens, was dann auch befähigt die Regierung, auf einem großen Konsens aufbauend dann ein Ausstiegsszenario zu entwickeln, und hoffentlich mit der Unterstützung des ganzen Bundestages. Dann würde sich die Arbeit ja lohnen.

Brink: Weil Sie den Bundestag angesprochen haben: Das Parlament wurde ja nicht beteiligt an der Entscheidung des Moratoriums, nun aber gibt es diese Ethikkommission, die – so könnte man ja auch interpretieren – nun nachträgliche Argumente für einen Atomausstieg liefern soll. Fühlen Sie sich da nicht auch missbraucht?

Fischer: Ich nehme an, dass das die Kommission soll, und ich sage, wenn Sie das als Missbrauch bezeichnen würden, dann würde ich mich gerne an der Stelle missbrauchen lassen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Also es kann natürlich eine Gesetzgebung des Parlaments nicht ersetzen, eine solche Kommission, aber ich glaube in der Tat, dass es der Kanzlerin, der Regierung schon darauf ankommt, durch einen ethischen Konsens, der von einer solchen Kommission formuliert wird, eine solide Basis zu haben, um dann ein Ausstiegsszenario auch mit Überzeugung durchsetzen zu können. Ich würde es nicht Missbrauch nennen, ich würde es für einen rechten Gebrauch von Institutionen, von Menschen mit ethischem Sachverstand halten, dass eine solche Kommission dafür genutzt wird. Aber um des guten Zieles willen lasse ich mich dann gerne gebrauchen. Und wenn Sie meinen, es ist Missbrauch, dann auch missbrauchen, aber ich würde das Wort nicht verwenden.

Brink: Ulrich Fischer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden, schönen Dank für das Gespräch!

Fischer: Bitte schön!


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