Land im Wandel
Leidenschaftlich und zugleich ironisch erzählt der Schriftsteller Radek Knapp über das Leben in Polen. Dabei räumt er mit Vorurteilen über unser Nachbarland auf und berichtet von der schwindenden Übermacht von Wodka und katholischer Kirche.
Beginnen wir mit Lech Wałęsa. Von dem früheren Arbeiterführer und späteren Staatspräsidenten hat sich das Bild vom brummigen Schnurrbartträger mit Madonnenbild anstelle eines Parteiabzeichens am Revers tief eingeprägt. Er gilt vielerorts als polnische Ikone unserer Zeit.
Nur Eingeweihten ist indes bekannt, dass Wałęsa eher zufällig und fast schon widerwillig in jene Rolle schlüpfte, die ihn dann vor ziemlich genau einem Vierteljahrhundert weltberühmt machte. Der Elektriker auf der Danziger Lenin-Werft bezeichnete sich im Rückblick gern als faulen Hund, der sich vor der Zeit von "Solidarność" lieber mit Freunden traf oder angeln ging und damit seinem eigenen Namen Ehre machte. Denn Wałęsa kommt von dem Verb "wałęsać", was soviel heißt wie "sich herumtreiben" oder "herumschlawinern". Doch die polnische Opposition brauchte diesen Mann. Sie brauchte einen Elektriker, der mit Leibeskräften daran arbeitete, das kommunistische System kurzzuschließen. Schließlich, pflegte er selbst später zu sagen, hätten gerade die Faulen das Fahrrad erfunden, weil sie keine Lust hatten zu gehen.
In seiner "Gebrauchsanweisung für Polen", die im Piper Verlag erschienen ist, erzählt der Schriftsteller Radek Knapp diese und neunzehn weitere Geschichten aus dem Nachbarland. Die Geschichten sind offenkundig für das deutsche Publikum bestimmt. Denn immer wieder werden Vorurteile aufgegriffen und behandelt, die man gegenüber Polen wohl vorzugsweise an Rhein und Elbe hegt. Das Bild von der Eintönigkeit polnischer Städte konterkariert Knapp mit Impressionen aus den Kaffeehäusern von Krakau, einer Stadt voller Backsteingotik, Jugendstil und habsburgischer Atmosphäre, bewahrt aus jener Zeit, als Krakau und Umgebung zu einem österreichischen Kronland namens Galizien gehörten.
Dem Stereotyp von der polnischen Wirtschaft rückt der Autor mit Bildern aus der weltweit vernetzten Hightech-Ökonomie Warschaus zur Leibe. Die polnische Hauptstadt nennt er das Hongkong Europas. Und selbst das unter deutschen Kleinbürgern so sorgsam gepflegte Klischee vom polnischen Autodieb weiß er zu entkräften.
Solcherlei Aufklärungsbemühungen zum Trotz ist Knapps Polenbuch alles andere als eine Glorifizierung seiner alten Heimat. Das Publikum trifft hier vielmehr auf die Sicht eines Eingeweihten, der sein unverkennbares Talent für Aufklärung mit humorvoller Distanz zum Gegenstand verbindet.
Kein Wunder: Radek Knapp, 1964 in Warschau geboren, ließ sich in den siebziger Jahren in Wien nieder und lebt dort heute als freier Schriftsteller deutscher Sprache.
Seine "Gebrauchsanweisung für Polen" enthält leidenschaftliche und zugleich ironische Betrachtungen: nicht nur zum Wesen polnischer Frauen und polnischer Literatur, sondern auch zur schwindenden Übermacht von Wodka und katholischer Kirche. Den Kern einer besonderen polnischen Mentalität gewahrt Knapp allerdings im Politischen. Es geht ihm um das Epochen übergreifende Misstrauen gegenüber Autoritäten und die magische Fähigkeit bei Bedarf Chaos zu erzeugen, wo kurz zuvor noch Ordnung herrschte. In einigen polnischen Gesichtern sieht der Autor sogar schon jetzt, mitten in der Blütephase der neuen polnischen Marktwirtschaft, deutlich geschrieben. "Langsam wird es Zeit, den Kapitalismus kurzzuschließen."
Radek Knapp: Gebrauchsanweisung für Polen
Piper Verlag 2005
155 Seiten, 12,80 Euro
Nur Eingeweihten ist indes bekannt, dass Wałęsa eher zufällig und fast schon widerwillig in jene Rolle schlüpfte, die ihn dann vor ziemlich genau einem Vierteljahrhundert weltberühmt machte. Der Elektriker auf der Danziger Lenin-Werft bezeichnete sich im Rückblick gern als faulen Hund, der sich vor der Zeit von "Solidarność" lieber mit Freunden traf oder angeln ging und damit seinem eigenen Namen Ehre machte. Denn Wałęsa kommt von dem Verb "wałęsać", was soviel heißt wie "sich herumtreiben" oder "herumschlawinern". Doch die polnische Opposition brauchte diesen Mann. Sie brauchte einen Elektriker, der mit Leibeskräften daran arbeitete, das kommunistische System kurzzuschließen. Schließlich, pflegte er selbst später zu sagen, hätten gerade die Faulen das Fahrrad erfunden, weil sie keine Lust hatten zu gehen.
In seiner "Gebrauchsanweisung für Polen", die im Piper Verlag erschienen ist, erzählt der Schriftsteller Radek Knapp diese und neunzehn weitere Geschichten aus dem Nachbarland. Die Geschichten sind offenkundig für das deutsche Publikum bestimmt. Denn immer wieder werden Vorurteile aufgegriffen und behandelt, die man gegenüber Polen wohl vorzugsweise an Rhein und Elbe hegt. Das Bild von der Eintönigkeit polnischer Städte konterkariert Knapp mit Impressionen aus den Kaffeehäusern von Krakau, einer Stadt voller Backsteingotik, Jugendstil und habsburgischer Atmosphäre, bewahrt aus jener Zeit, als Krakau und Umgebung zu einem österreichischen Kronland namens Galizien gehörten.
Dem Stereotyp von der polnischen Wirtschaft rückt der Autor mit Bildern aus der weltweit vernetzten Hightech-Ökonomie Warschaus zur Leibe. Die polnische Hauptstadt nennt er das Hongkong Europas. Und selbst das unter deutschen Kleinbürgern so sorgsam gepflegte Klischee vom polnischen Autodieb weiß er zu entkräften.
Solcherlei Aufklärungsbemühungen zum Trotz ist Knapps Polenbuch alles andere als eine Glorifizierung seiner alten Heimat. Das Publikum trifft hier vielmehr auf die Sicht eines Eingeweihten, der sein unverkennbares Talent für Aufklärung mit humorvoller Distanz zum Gegenstand verbindet.
Kein Wunder: Radek Knapp, 1964 in Warschau geboren, ließ sich in den siebziger Jahren in Wien nieder und lebt dort heute als freier Schriftsteller deutscher Sprache.
Seine "Gebrauchsanweisung für Polen" enthält leidenschaftliche und zugleich ironische Betrachtungen: nicht nur zum Wesen polnischer Frauen und polnischer Literatur, sondern auch zur schwindenden Übermacht von Wodka und katholischer Kirche. Den Kern einer besonderen polnischen Mentalität gewahrt Knapp allerdings im Politischen. Es geht ihm um das Epochen übergreifende Misstrauen gegenüber Autoritäten und die magische Fähigkeit bei Bedarf Chaos zu erzeugen, wo kurz zuvor noch Ordnung herrschte. In einigen polnischen Gesichtern sieht der Autor sogar schon jetzt, mitten in der Blütephase der neuen polnischen Marktwirtschaft, deutlich geschrieben. "Langsam wird es Zeit, den Kapitalismus kurzzuschließen."
Radek Knapp: Gebrauchsanweisung für Polen
Piper Verlag 2005
155 Seiten, 12,80 Euro