Land gegen Stadt, Kleine gegen Große

Von Michael Watzke |
In den Umfragen für die Landtagswahl in Bayern liegen die Freien Wähler von Hubert Aiwanger bei sieben Prozent. Sogar CSU-Chef Horst Seehofer zollt dem bauernschlauen Landwirt seinen Respekt. Doch Aiwanger nennt den Ministerpräsidenten einen „politischen Bruchpiloten“.
Wolfratshausen in Oberbayern. Horst Seehofer ist gerade seiner schwarzen Dienst-Limousine entstiegen, da tritt ihm schon ein Grüppchen von Bürgern mit Protest-Plakaten entgegen. Auf ihren Bannern sind riesige Windräder abgebildet.

„Herr Seehofer, Grüßgott!“ / „Ja grüßt Euch, Servus!“ / „Markus Pflitsch mein Name, Vorsitzender der Bürger-Initiative ‚Windradfreies Dietramszell‘. Wir wollen verhindern, dass das Oberland mit Windkrafträdern verschandelt wird.“ / „Schaut das so aus? Ist aber eine Fotomontage, oder?“ / „Ja, zum Glück!“ / „Zum Glück, ja!“

Kein Windrad im Oberland, fordern die Demonstranten. Dabei steht gerade eines vor ihnen. Zumindest wenn man Horst Seehofers Kritikern glaubt. Sie vergleichen den 1,93-Meter-Mann mit einem Rädchen, das sich stets danach ausrichtet, woher gerade der Wind pfeift. Beispiel Windkraft. Einerseits betont Seehofer:

„Ich bin ein Architekt der Energiewende.“

Andererseits hat der bayerische Ministerpräsident kurz vor der Landtagswahl das 10H-Prinzip erfunden. Es besagt, dass ein Windrad mindestens zehnmal so weit von einer Ortschaft entfernt sein muss, wie es hoch ist. Diese Initiative würde im bayerischen Voralpenland das Aus für fast alle Windkraft-Projekte bedeuten. Zur Freude von Windrad-Gegner Markus Flitsch:

„Wir hoffen, dass Sie uns nachhaltig unterstützen und auch die 10H-Initiative zur Realisierung bringen.“ / „Was sollen denn die leichten Zweifel, dass wir das nicht durchhalten? [Allgemeines Lachen.] Es gab mal einen Arsacius Seehofer in Ingolstadt. Der war auch ein Gegenreformator. Den haben sie aber, glaube ich, geköpft.“ [Allgemeines Gelächter.]“

Gegenreformator Seehofer – da biegen sich die Anwesenden vor Lachen. Horst Seehofer aber steht aufrecht wie die Säule eines Windrades. Nur sein Kopf dreht in alle Richtungen, als prüfe er, woher in Wolfratshausen der Wind kommt. Hier, im Heimatort seines Vorgängers:

„"Stoiber-City. Noch Fragen?“

Edmund Stoiber ist heute nicht gekommen zum Gesprächs-Abend „Seehofer Direkt“ in der Loisach-Halle in Wolfratshausen. Aber Stoibers Sohn Dominic sitzt in der ersten Reihe, und Muschi – wie sie in Wolfratshausen Edmunds Frau Karin nennen. „Kommt Stoiber, oder kommt Karin selbst?“ scherzt Seehofer vor der Halle – und erzählt dann von einem geheimen Pakt mit Edmund Stoiber aus dem Jahr 2006:

„Wir haben [uns] mehrfach über die Zukunft der Christlich-Sozialen Union unterhalten und waren uns einig, dass der richtige Zeitpunkt für einen prinzipiellen Personal- und Generationenwechsel nach der Bundestagswahl 2009 richtig wäre. Und wenn wir es so gemacht hätten, hätten wir uns manches erspart.“

Zum Beispiel die desaströsen Stimmenverluste bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren, als die CSU 17 Prozent verlor und die absolute Mehrheit einbüßte. Damals hatten Erwin Huber und Günther Beckstein mit einem Partei-Putsch Edmund Stoiber entmachtet – und damit auch dessen auserkorenen Nachfolger Horst Seehofer. Huber wusste nichts von dem Geheimplan, sagt Seehofer:

„Es hat jahrelang gehalten. Und jetzt kann man es ja – wie so oft in der Geschichte – mit zeitlichem Abstand veröffentlichen.“

Der CSU-Chef lächelt triumphierend und setzt sich in einer kleinen Kammer neben der Bühne vor einen Schmink-Spiegel. Mit einem dicken Pinsel pudert Seehofers Visagistin seine roten Wangen ab. Ist Seehofer leicht zu schminken?

Visagistin: „Na klar!“ Seehofer: „Ich hab’ ihr noch nie widersprochen.“ / „Genau!“ / „Auch noch nie was vorgeschrieben. Wir sind vertraut, wir zwei. Sie versteht auch manchen Humor und erträgt alles. Ich möchte mit mir selber nicht zusammenarbeiten.“

Da lächelt die junge Dame mit wissendem Blick und trägt noch ein bisschen mehr Puder auf. Horst Seehofer kann ein Mann der zwei Gesichter sein, sagt der Reporter Constantin Magnis, der Seehofer für das Magazin „Cicero“ begleitet.

Magnis: „Ich möchte ungern sein Mitarbeiter sein. Ich habe schon das Gefühl, dass er großen Spaß am Streichespielen hat. Aber das ist ja bekannt von ihm.“

Andererseits, sagt Magnis, gebe es kaum einen charmanteren Politiker in Deutschland als den 64-jährigen Oberbayern.

Magnis: „Ich finde, dass er spontan die Gabe hat, unfassbar gewinnend und sympathisch rüberzukommen. Er spricht, und man grinst automatisch. Das ist ein Effekt, den habe ich so bei Politikern nicht oft erlebt.“

Horst Seehofer ist inzwischen fertig geschminkt und zieht mit großem Gefolge in die Loisachhalle ein – zur Partei-Veranstaltung „Seehofer direkt“.

Seehofer: „Ein schöner Saal. Da waren wir schon öfters, gell? [Applaus.] Grüßgott, Pfüagott und Vergelt’s Gott. Herzlich Willkommen!“

Im aufbrandenden Applaus der 500 Gäste wirkt Horst Seehofer wie ein altbaierischer Regent aus dem Barock, der sich heute gütig seinem Wahlvolk zeigt, damit es ihm Fragen stellen und huldigen kann. Wie Markus Pflitsch, der Windrad-Gegner.

Pflitsch: „Zuallererst ist es uns ein großes Anliegen, Ihnen zu danken. Deshalb sind wir auch hier. Dass Sie es persönlich waren, der diese 10H-Initiative in Angriff genommen hat. Sie sprechen uns aus dem Herzen. Dafür vielen Dank.“

Ortswechsel. Von der Stadt aufs Land. Von Ober- nach Niederbayern. Von Horst Seehofer zu Hubert Aiwanger, der das historische Traktortreffen in Türkenfeld bei Landshut eröffnet.

Auf einem regendurchweichten Acker steht der Vorsitzende der Freien Wähler und dreht am Zündschlüssel eines historischen Eicher-Treckers:

Aiwanger: „Das sind ja Liebhaber, die richten diese Teile her. Respekt vor diesen Leuten, muss man sagen! Die stecken da sehr viel Freizeit und Geld rein, um diese historischen Ackergeräte zu erhalten. Das ist wirklich eine Schau, was die hier vorführen.“

Reporter: „Haben Sie auf Ihrem Hof eigentlich auch einen Traktor?“

Aiwanger: „Wir haben einen Steyr und einen John Deere, ja. Aber die san noch nicht ganz historisch. In zehn Jahren sind sie vielleicht historisch.“

Hubert Aiwanger ist gelernter Schweinezüchter und besitzt nicht weit entfernt von Türkenfeld einen Mastbetrieb. Seit fünf Jahren jedoch ist Aiwanger Landtags-Abgeordneter und hauptberuflich Vollblut-Politiker. Kein bayerischer Partei-Chef fühlt sich so wohl auf dem Land, zwischen Kühen und Traktoren, wie der 42-jährige Niederbayer. Nur Aiwanger kann mit ehrlicher Begeisterung Traktor-Bingo spielen:

„Sieben! Jetzt kommt noch die Vier! Das ist ja fast wie Kuhfladen-Roulette. Nur ohne Viecher!“

Beim Traktor-Bingo tuckert ein historischer Trecker so lange in einem Kreis aus Zahlen, bis er kein Benzin mehr hat.

Aiwanger: „Und wenn der Sprit aus ist, bleibt er stehen. Keiner kann sich ausrechnen, wie weit er kommt.“

Reporter: „Welche Nummern haben Sie?“

Aiwanger: „Eins bis fünf nehme ich, hab’ ich gesagt. Achtung, jetzt bleibt er stehen! [Traktor-Hupe.] Neun! Tja. Wir haben auf eins bis fünf gesetzt. Aber neun ist mir natürlich lieber.“

Denn 9 Prozent wären für Aiwanger bei der Landtagswahl am kommenden Wochenende schon ein Erfolg. In den aktuellen Umfragen liegen die Freien Wähler bei 7 Prozent. Was für Aiwanger aber schlimmer ist: die CSU würde nach den letzten Umfragen in Bayern die absolute Mehrheit erreichen. Dabei preist Aiwanger seine Freien Wähler landauf, landab als die bessere CSU an:

„Ja, weil wir die Themen verkörpern, für die die CSU früher die große Zustimmung bekommen hat. Stärkung der Heimat. Politik für die kleinen Leute. Dafür wurde in früheren Zeiten die CSU in dieser Dimension gewählt. Und aus dieser Vergangenheit ziehen die immer noch ihren Nektar, machen aber in Wirklichkeit große Konzern-Politik. Also knüpfen wir dort an, wo die CSU die Heimat verlassen hat.“

Aiwangers schwarze Schuhe sind schlammverkrustet, als er in der Scheune neben dem Traktor-Bingo ans Rednerpult tritt. Aber seine Schuhe stören den kleinen, stämmigen Landwirt weniger als die bayerische Bierkönigin, die sich über seinen niederbayerischen Akzent lustig macht.

Bierkönigin: „Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie ein sehr enges Verhältnis zum Opfelsoft pflegen…“

Mister Opfelsoft – das ist Aiwangers Spitzname im bayerischen Landtag, wo viele über seine niederbayerische Sprachfärbung schmunzeln. Aiwanger kann mächtig austeilen und ebenso viel einstecken. Aber auf Opfelsoft reagiert er inzwischen allergisch.

Aiwanger: „Die Norddeutschen verstehen unter dem Wort Oapfel ‚Opfel’. Wir sagen aber nicht Opfel. Die schreiben trotzdem, Aiwanger sage ‚Opfel’. Aiwanger sagt aber Oapfel. Also Oapfelsaft. Oapfelschorle.“

Als das geklärt ist, kommt Aiwanger zur Sache. Er fordert den Ausbau des schnellen Internets auf dem Land. Die Abschaffung der Erbschaftssteuer für bäuerliche Betriebe. Weniger Kontrollen für kleine Dorf-Metzgereien.

Aiwanger: „Und was wir als Freie Wähler natürlich noch wollen, das ist die Stärkung der ländlichen Räume grundsätzlich. Und deshalb samma dagegen, dass immer mehr Milliarden-Projekte aus dem Boden gestampft werden. Wir haben damals gekämpft gegen den Transrapid. Und ähnlich sehen wir es heute bei Projekten wie der 2. Münchner S-Bahn-Stammstrecke, ‚zweite Röhre‘, Kostenschätzung 2,5 Milliarden. Die Betroffenen vor Ort sagen, das bringt nix. Brandschutz ungeklärt und so weiter. Kostenrisiko mindestens 100 Prozent nach oben.“

Es ist die klassische Aiwanger-Wahlkampf-Rede: Land gegen Stadt, Kleine gegen Große, einfache Bürger gegen raffgierige Banker. Und vor allem: wir gegen die CSU.

Aiwanger: „Würde die CSU schlecht abschneiden, dann prophezeie ich Ihnen, dass dann die letzte Stunde von Herrn Seehofer sehr schnell geschlagen hat. Dann würde es heißen: Söder, Aigner oder sonstwer. Und da wollen wir als Freie Wähler unbedingt mitreden: Wie geht’s dann weiter? Würden wir in die Gelegenheit kommen, mitregieren zu können, dann machen wir’s nur, wenn die Inhalte passen. Keinen Größenwahn bei Schwarzgelb, keine Experimente bei Rotgrün. Politische Mitte – oder wir bleiben in der Opposition.“

Wenn es gut läuft für Aiwanger, dann spielt der Chef der Freien Wähler nach der Landtagswahl das Zünglein an der Waage. Er könnte dann entweder der CSU zur Macht verhelfen. Oder zusammen mit SPD und Grünen eine Dreier-Koalition gegen die CSU bilden. Derzeit aber läuft es nicht gut. Stimmen die Umfragen, werden die Freien Wähler gerupft – und müssen wieder in die Opposition. Viele ihrer konservativen Wähler sind sauer, dass Aiwanger keine eindeutige Koalitions-Aussage zugunsten der CSU trifft. Wie Josef Huml, der mit Aiwanger manchmal gemeinsam zur Jagd geht.

Huml: „Er müsste sich halt jetzt mal konkret äußern: Gehe ich zu der Partei oder der anderen? Weil zum Schluss weiß keiner genau, was los ist. Denn wenn wir am Schluss mit den Grünen zusammengehen, stellt sich mir die Frage: Soll ich die Freien Wähler überhaupt wählen? Mir wär’s nämlich mit der CSU am liebsten. Weil das einfach für uns in Bayern – das gehört sich so.“

Doch Hubert Aiwanger flirtet auch mit Rot-Grün. Den SPD-Kandidaten Christian Ude lud er einst auf seinen Bauernhof ein, drückte dem Münchner Oberbürgermeister eines seiner Ferkel in den Arm und wünschte ihm Glück für den Wahlkampf:

Aiwanger: „Ich glaube, er hat für die SPD durchaus die Kastanien aus dem Feuer geholt. Ohne Ude wären die noch schwächer. Dass er auf dem Land nicht die Strukturen hat wie die Freien Wähler, ist ja bekannt. Er wird in der Stadt München und im Umland schon seine Stimmen holen. Auch in anderen großen Städten wie Nürnberg und Augsburg. Aber das Land wird den Freien Wählern gehören.“

Derzeit sieht es nicht danach aus. Aiwanger hat nach letzten Umfragen zwei Prozent verloren. Ude dagegen hat um drei Prozent zugelegt. Und das war noch vor dem TV-Duell gegen Seehofer, das Ude nach Meinung vieler Beobachter gewonnen hat. Aiwanger dagegen musste sich in einer Dreierrunde mit Martin Zeil von der FDP und Margarete Bause von den Grünen herumschlagen – mit mäßigem Erfolg, weil er kein Typ fürs Fernsehen ist. Aiwangers Welt ist das Bierzelt, wo er auch mal ungestraft gegen die Griechen und den Euro holzen kann:

„Also hätten die Griechen nicht betrogen, hätten sie den Euro nicht. Jetzt darf man ja nicht sagen, schmeißt sie raus, sonst ist man wieder ein böser Mensch!“

Mit dem Thema Euro und Schuldenkrise wollte Aiwanger die Freien Wähler eigentlich als bundespolitische Protest-Partei etablieren. Zum ersten Mal treten die Freien Wähler auch bei der Bundestagswahl an. Als Spitzenkandidat wählte Aiwanger ursprünglich den Adenauer-Enkel Stefan Werhahn aus, einen früheren CDU-ler, der lautstark gegen die Euro-Rettungsschirm-Politik wettern sollte. Doch dann kam die „Alternative für Deutschland“, und Aiwanger zerstritt sich mit Werhahn über den richtigen Anti-Euro-Kurs.

Aiwanger: „Im Prinzip hat der sich den Weg viel einfacher vorgestellt. Er hat wohl gemeint, bei uns wird ihm der rote Teppich ausgerollt, und morgen ist man im Bundestag. Und er hat übersehen, dass hier noch sehr viel Arbeit zu erledigen ist. Die Ochsentour war ihm zu beschwerlich, und da hat er die Segel gestrichen. Und damit ist er an dieser Härte-Hürde gescheitert.“

Möglicherweise wurde der norddeutsche Werhahn dem süddeutschen Aiwanger aber auch einfach zu eigenständig. Aiwanger ist ein Machtmensch, er ist Bundes- und Landesvorsitzender der Freien Wähler. Am liebsten wäre er Vorsitzender von jedem Kreisverband, sagt ein Parteifreunde. Aiwanger dulde keinen Widerstand und keine Konkurrenten. Als Bundes-Spitzenkandidat stellte Aiwanger statt Werhahn den erst 27-jährigen Christian Hanika auf. Der ist hauptberuflich Schlager-DJ und Hochzeits-Moderator und vergöttert seinen großen Vorsitzenden wie einen Pop-Star.

Hanika: „Also unser Hubert, wie er in ganz Bayern liebevoll genannt wird, auf den sind wir stolz! Wir Freien Wähler wären nie so weit gekommen ohne ihn. Drittstärkste Kraft im Landtag! Er ist ein unglaublicher Redner. Man kann ihm von Anfang bis Ende zuhören, ohne auch nur einen Gedanken an etwas anderes zu verschwenden. Er redet völlig frei, ohne Rede-Manuskript. Er bringt die Sachen auf den Punkt. Wir sind stolz, dass wir ihn haben und würden ihn auch für kein Geld der Welt oder was auch immer hergeben. Das ist einfach unser Hubert! Wir lieben ihn!“

Wenn man dem blond gesträhnten Christian Hanika eine Weile lang zuhört, fragt man sich, ob man ihn wirklich noch als Freien Wähler bezeichnen soll. Oder ob Hubert Aiwanger seine schlammverkrusteten Schuhe allein dadurch säubern kann, dass er sich eine Weile hinter Hanika stellt.

Aiwanger: „Ja, auf alle Fälle. Christian Hanika ist ein politisches Naturtalent. Auf solche Leute müssen wir heute setzen. Wir sind froh, dass wir solche jungen Leute, solchen Nachwuchs heute haben.“

So froh sind längst nicht alle bei den Freien Wählern. Die Unzufriedenheit mit Aiwanger ist vor allem in den Kommunen zu spüren, bei den Bürgermeistern und Landräten, von denen die Freien Wähler in Bayern so viele stellen wie keine andere Partei. Nicht wenige nehmen Aiwanger übel, dass er aus einer ursprünglich losen politischen Vereinigung eine straff organisierte Partei geformt hat. Sie akzeptieren die One-Man-Show des allmächtigen Vorsitzenden nur zähneknirschend und nur, so lang Aiwanger Erfolg verspricht. Deshalb legt sich der Niederbayer auch auf keine Koalition fest – er will die maximale Macht-Option, sagt der Politikwissenschaftler Professor Werner Weidenfeld:

„Das kommt in der bayerischen Mentalität gut an, dieses eigene Selbstbewusstsein. Dann auch mal ein Foto mit einem seiner Schweine auf dem Arm, das zeigt: Der gehört in Bayern dazu. Aber stets zu sagen: Wenn Ihr mit uns eine Koalition haben wollt, dann nur zu unseren Preisen. Dieses Selbstbewusstsein mögen die Bayern. Insofern macht der Aiwanger das durchaus richtig.“

Sogar Horst Seehofer zollt dem bauernschlauen Landwirt aus Niederbayern Respekt. Auch wenn der CSU-Vorsitzende öffentlich nicht über den Kontrahenten spricht. Aiwanger habe ein gutes Gespür für die Stimmung auf dem Land, lässt Seehofer durchblicken. Im Landtag rief Seehofer einmal sogar „Herr Koalitionspartner“, als Aiwanger am Ministerpräsidenten vorbeiging. Natürlich weiß man bei Seehofer nie, wie viel Ironie in seinen Worten steckt. Aber Aiwanger lächelte. Wenn auch säuerlich. Er weiß, dass die CSU in ihrer Geschichte schon zwei Koalitions-Partner zu Tode umarmt hat: erst die Bayern-Partei – dann die FDP. Dieses Schicksal will Aiwanger sich und seinen Freien Wählern ersparen. Vielleicht arbeitet er sich deshalb mit so viel Inbrunst am CSU-Chef ab.

Aiwanger: „Meine Damen und Herren, das ist meine Kampfansage an Herrn Seehofer: Er ist der Ministerpräsident der Fehlentscheidungen! Ein politischer Bruchpilot, der die letzten Jahre viele Themen falsch eingeschätzt und angepackt hat. Und wenn es die Freien Wählern nicht gegeben hätte, dann hätte er nicht mal jemanden, bei dem er abschreiben könnte.“

Dass sich Hubert Aiwanger da mal nicht täuscht. Ein Horst Seehofer findet immer jemanden zum Abschreiben. Das erzählt der bayerische Ministerpräsident sogar ganz offen in seinen Reden. Schon in seiner Schulzeit, sagt Seehofer, habe er regelmäßig abgeschrieben – von seinem Banknachbarn:

„Josef Schmalzl hieß der. Der war unglaublich praktisch begabt in der Schule. Und wenn wir Zeichnen gehabt haben, wenn wir zum Beispiel das Ingolstädter Kreuztor zeichnen sollten – dann habe ich gesagt: Josef, mach’ das zweimal. Ich war in Zeichnen nicht schlecht – wegen Josef.“

Hubert Aiwanger kennt die Geschichte. Er wird alles daransetzen, nicht zum Josef Schmalzl der CSU zu werden.

Weitere Beiträge zur Wahl in Bayern im Deutschlandradio:

„Bayern war schon 1954 reif für einen SPD-Ministerpräsidenten“ – Interview mit Christian Ude (SPD)

Guter Filz, böser Filz – Die „Familien-Affäre“ des bayerischen Landtags

Kronprinzessin und Kronprinz der CSU – Das Duell der Seehofer-Nachfolger: Ilse Aigner und Markus Söder
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Christian Ude (SPD)© AP Archiv