Land des Jammerns
Eine Studie des Gallup-Institutes hat belegt: Die Deutschen sind frustriert. Drei Viertel sehen für die Zukunft schwarz, ein Drittel hat Angst vor Arbeitslosigkeit und nur acht Prozent glauben, dass die Konjunktur in diesem Jahr anzieht. Unter den Industrienationen ist Deutschland Pessimismus-Weltmeister. Kein Wunder, das immer mehr Deutsche und Ausländer behaupten, dass nirgendwo so viel gejammert wie in Deutschland.
Claudia Schwirtz: "Seinen Schmerz, sein Leid und seine Not zu äußern ist das A und O. Wer das nicht tut, lebt nicht lange."
"Kevin, du bist ein Nachwuchsjammerer.
Was für eine Scheiße, ich erzähl euch, was für eine Scheiße in meinem Leben abgeht, um den Schmerz mit euch zu teilen."
Hugue: "In diesem Land ist es schick, zu jammern, es ist nicht schick, positiv zu denken."
Theater: "Wenn ich zu Mäces geh, und will einen richtig fetten Big Mac, um meinen Frust abzubauen, sagt die Verkäuferin: Wir ham nur noch Obsttüten, Obsttüten Alter, das ist für die ganzen scheißfetten Kinder ... so sieht’s mal aus, Mann."
"Kevin, toll, immerhin acht Themen, Damit liegst du in Führung. Herzlichen Glückwunsch."
Der erste Berliner-Jammerwettbewerb, eine Thetaer-Gameshow. Yvette Coetzee ist Südafrikanerin, Regisseurin und Autorin des Stücks:
Coetzee/Hugues: "Theaterleute können jammern ohne Ende.
Man jammert über alles, man jammert über die Politik, die Wirtschaft.
… die Kulturförderung wird immer weniger und der Film, in Deutschland wird auch nur Scheiße gedreht.
… aber man jammert auch über Kinder, Beziehungen, die Männer. Man jammert über Deutschland!"
Pascale Hugues, Deutschlandkorrespondentin einer französischen Wochenzeitung.
Hugues: "Man jammert über sich selbst, und es gibt so eine Art perverse Freude am Jammern über sein Deutschsein."
Ein niederschmetternder Grundton zieht durch das Land, immer hörbar, mal gedämpft, doch meistens ein anschwellend stoßseufzender Basston: Hartz IV, PISA, die Vergreisung der Republik, zehn Euro Praxisgebühr - die Nation verfällt dem Singsang in Moll, orchestriert von den Medien:
Hugue: "Es ist très characteristique (...) ein Weg, sich als Nation zu definieren, das Wetter ist grau, man ist nicht stolz, Deutscher zu sein, wir sind traurig."
Teutonische Tristesse. Die Französin Pascale Hugue hat beobachtet, dass in Deutschland besonders viel gejammert wird und auf eine besondere Art:
Hugues: "Hier ist ein depressives Jammern, man schluckt sehr viel rein, man grübelt und zieht ein langes Gesicht."
Was sagt uns das über die Deutschen? Der Jammerer ist ein Opfer. Claudia Schwirtz ist Sozialpädagogin und Systemtherapeutin und weiß, dass es man manchmal nichts als Jammmern gibt:
Schwirtz: "Ich denke, dass Jammern bedeuten kann, ich habe überhaupt keine Handlungsoptionen, ich kann nichts verändern, ich kann nur in dieser - auf gut deutsch - Scheiß-Situation verharren, in der ich bin."
Handlunsgkompetenz abgeben, Trost einsacken, fertig. Symptome einer Depression.
Schwirtz: "Zum Bespiel, wenn ich in der Arztpraxis sitze, und die Frau nebenan mich ankuckt nach dem Motto: Hach, mein Bein...Und ihr Bein? Stimmen sie mit ein? Dann sind wir schon zwei."
Raus aus der Isolation, rein in die Gemeinschaft. Alles wird teurer, früher war’s besser, heute will ich nicht mehr jung sein, und darum gibt’s auch keine Kinder mehr. Der bundesstaatliche Abstieg von der Bezirks- in die Kreisliga ist sicher. Zukunft? Ham wa nicht. Warum wird gerade in Deutschland so viel gejammert? Weil das Wetter nass und das Land wie ein Seufzer in graubraun? aussieht? Weil die Deutschen das Volk der Dichter und Denker und nicht der Macher und Tuer sind? Die schwarze Volksseele als Urgrund für Dauermeckerei? Egal.
"Wir können festhalten: In Deutschland wird tatsächlich viel gejammert.
In Ostdeutschland wird noch ein bisschen mehr gejammert.
Sowohl die Ostdeutschen, als auch die Westdeutschen jammern viel. Weiter im Wettbewerb."
Hugue: "Sie haben kein Recht zu jammern, also diese Land ist immer noch sehr reich, dieser Ausdruck, den ich sehr mag: Wir jammern auf hohem Niveau."
Coetzee: "Ich würde in Deutschland kein Politiker sein wollen, die könne eigentlich nur alles falsch machen."
Kein Wunder, dass Politiker schon seit Jahren ein Ende des Lamentos fordern.
Roman Herzog: "Was ist los mit unserem Land? Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression - das sind die Stichworte der Krise. Sie bilden einen allgegenwärtigen Dreiklang, aber einen Dreiklang in Moll."
Bis es dann irgendwann mal endlich ruckt in Deutschland, wird sicher noch viel gejammert werden. Nicht nur Therapeuten wissen, dass es schließlich gute Gründe zum Jammern gibt:
"Steuerflucht, Visa, Michael Schumacher..."
Schwirtz: "Seinen Schmerz, sein Leid und seine Not zu äußern ist das A und O. Wer das nicht tut, lebt nicht lange."
"Kevin, du bist ein Nachwuchsjammerer.
Was für eine Scheiße, ich erzähl euch, was für eine Scheiße in meinem Leben abgeht, um den Schmerz mit euch zu teilen."
Hugue: "In diesem Land ist es schick, zu jammern, es ist nicht schick, positiv zu denken."
Theater: "Wenn ich zu Mäces geh, und will einen richtig fetten Big Mac, um meinen Frust abzubauen, sagt die Verkäuferin: Wir ham nur noch Obsttüten, Obsttüten Alter, das ist für die ganzen scheißfetten Kinder ... so sieht’s mal aus, Mann."
"Kevin, toll, immerhin acht Themen, Damit liegst du in Führung. Herzlichen Glückwunsch."
Der erste Berliner-Jammerwettbewerb, eine Thetaer-Gameshow. Yvette Coetzee ist Südafrikanerin, Regisseurin und Autorin des Stücks:
Coetzee/Hugues: "Theaterleute können jammern ohne Ende.
Man jammert über alles, man jammert über die Politik, die Wirtschaft.
… die Kulturförderung wird immer weniger und der Film, in Deutschland wird auch nur Scheiße gedreht.
… aber man jammert auch über Kinder, Beziehungen, die Männer. Man jammert über Deutschland!"
Pascale Hugues, Deutschlandkorrespondentin einer französischen Wochenzeitung.
Hugues: "Man jammert über sich selbst, und es gibt so eine Art perverse Freude am Jammern über sein Deutschsein."
Ein niederschmetternder Grundton zieht durch das Land, immer hörbar, mal gedämpft, doch meistens ein anschwellend stoßseufzender Basston: Hartz IV, PISA, die Vergreisung der Republik, zehn Euro Praxisgebühr - die Nation verfällt dem Singsang in Moll, orchestriert von den Medien:
Hugue: "Es ist très characteristique (...) ein Weg, sich als Nation zu definieren, das Wetter ist grau, man ist nicht stolz, Deutscher zu sein, wir sind traurig."
Teutonische Tristesse. Die Französin Pascale Hugue hat beobachtet, dass in Deutschland besonders viel gejammert wird und auf eine besondere Art:
Hugues: "Hier ist ein depressives Jammern, man schluckt sehr viel rein, man grübelt und zieht ein langes Gesicht."
Was sagt uns das über die Deutschen? Der Jammerer ist ein Opfer. Claudia Schwirtz ist Sozialpädagogin und Systemtherapeutin und weiß, dass es man manchmal nichts als Jammmern gibt:
Schwirtz: "Ich denke, dass Jammern bedeuten kann, ich habe überhaupt keine Handlungsoptionen, ich kann nichts verändern, ich kann nur in dieser - auf gut deutsch - Scheiß-Situation verharren, in der ich bin."
Handlunsgkompetenz abgeben, Trost einsacken, fertig. Symptome einer Depression.
Schwirtz: "Zum Bespiel, wenn ich in der Arztpraxis sitze, und die Frau nebenan mich ankuckt nach dem Motto: Hach, mein Bein...Und ihr Bein? Stimmen sie mit ein? Dann sind wir schon zwei."
Raus aus der Isolation, rein in die Gemeinschaft. Alles wird teurer, früher war’s besser, heute will ich nicht mehr jung sein, und darum gibt’s auch keine Kinder mehr. Der bundesstaatliche Abstieg von der Bezirks- in die Kreisliga ist sicher. Zukunft? Ham wa nicht. Warum wird gerade in Deutschland so viel gejammert? Weil das Wetter nass und das Land wie ein Seufzer in graubraun? aussieht? Weil die Deutschen das Volk der Dichter und Denker und nicht der Macher und Tuer sind? Die schwarze Volksseele als Urgrund für Dauermeckerei? Egal.
"Wir können festhalten: In Deutschland wird tatsächlich viel gejammert.
In Ostdeutschland wird noch ein bisschen mehr gejammert.
Sowohl die Ostdeutschen, als auch die Westdeutschen jammern viel. Weiter im Wettbewerb."
Hugue: "Sie haben kein Recht zu jammern, also diese Land ist immer noch sehr reich, dieser Ausdruck, den ich sehr mag: Wir jammern auf hohem Niveau."
Coetzee: "Ich würde in Deutschland kein Politiker sein wollen, die könne eigentlich nur alles falsch machen."
Kein Wunder, dass Politiker schon seit Jahren ein Ende des Lamentos fordern.
Roman Herzog: "Was ist los mit unserem Land? Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression - das sind die Stichworte der Krise. Sie bilden einen allgegenwärtigen Dreiklang, aber einen Dreiklang in Moll."
Bis es dann irgendwann mal endlich ruckt in Deutschland, wird sicher noch viel gejammert werden. Nicht nur Therapeuten wissen, dass es schließlich gute Gründe zum Jammern gibt:
"Steuerflucht, Visa, Michael Schumacher..."
Schwirtz: "Seinen Schmerz, sein Leid und seine Not zu äußern ist das A und O. Wer das nicht tut, lebt nicht lange."