Lambsdorff für deutsche Beteiligung an Friedenseinsatz im Nahen Osten

Moderation: Birgit Kolkmann · 15.08.2006
Für eine Beteiligung Deutschlands an einer Friedenssicherung im Nahen Osten hat sich Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, ausgesprochen. Möglich seien medizinische Hilfe und logistische Leistungen oder die Grenzsicherung zur Syrien.
Kolkmann: Es ist eine gespannte Ruhe im Nahen Osten, aber gestern schien es so, als ob der Waffenstillstand im Südlibanon halten könnte. Seit 24 Stunden ist er nun in Kraft. Es gab einige Zwischenfälle aber keine schweren Kämpfe mehr zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah. Nun soll die UN-Resolution umgesetzt werden, der am Wochenende auch die israelische und libanesische Regierung zugestimmt hatten. 15.000 libanesische Soldaten rücken in den Süden des Landes ein. Die UN-Truppe wird von 2.000 auf 15.000 aufgestockt. Parallel dazu sollen die Israelis und die Hisbollahkämpfer sich zurückziehen. Am Telefon in Deutschlandradio-Kultur begrüße ich Alexander Graf Lambsdorff, für die FDP im Europaparlament und dort Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. Guten Morgen.

Lambsdorff: Guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Herr Lambsdorff, sehen Sie eine reelle Chance einen dauerhaften Waffenstillstand jetzt zu erreichen?

Lambsdorff: Es ist immer sehr schwierig im Nahen Osten davon auszugehen, dass eine Resolution der Vereinten Nationen dort die Lösung herbeiführen kann. Man darf nicht vergessen, dass auch diese Resolution viele Themen aufnimmt, die bereits in einer anderen schon angesprochen worden sind, die eben nicht umgesetzt worden ist, was mit ausschlaggebend für die jetzige Eskalation in der Region war. Dennoch glaube ich, dass in diesem Fall eine gewisse Hoffnung berechtigt ist, denn ich glaube, dass der letzte Monat gezeigt hat, dass die Nichtbeachtung der Resolution, dass die Nichtentwaffnung der Hisbollah und dass das Ignorieren der Situation im Südlibanon und an der Nordgrenze Israels keine dauerhafte Lösung darstellt. Insofern bin ich vorsichtig, verhalten optimistisch, dass es mit dieser Resolution besser aussehen kann als mit anderen, die ihr vorausgegangen sind.

Kolkmann: Nun muss ja die EU schnell klären, wer wie viele Soldaten für die UN-Truppe zur Verfügung stellt. Gibt es darüber schon mehr Klarheit?

Lambsdorff: Nein, es gibt noch keine abschließende Klarheit. Ich glaube allerdings, dass Javier Solana, der Außenbeauftragte der Europäischen Union, sehr intensiv dabei ist, mit den Regierungen darüber zu reden, wer Truppen stellt. Man darf nicht vergessen, dass 15.000 Mann eine sehr große UNO-Truppe ist. Unifil, die Uno-Truppe im Libanon, hat bisher 2.000 Mann, soll auf 15.000 hochgehen. Die Frage wird sich auch für uns Deutsche stellen, ob wir uns daran beteiligen sollen. Auch hier ist die Diskussion ja in Deutschland begonnen worden, in meinen Augen etwas zu früh. Jetzt muss sie geführt werden, denn der Generalsekretär der Vereinten Nationen muss bis Freitag dem Sicherheitsrat berichten, wie es denn aussieht mit der Umsetzung der Resolution.

Kolkmann: Was können Sie sich vorstellen, welche Rolle die Deutschen spielen könnten? Unterstützende, zum Beispiel also auch logistische Aufgaben oder im Sanitätsbereich? Vielleicht auch, dass Polizeiaufgaben an der Grenze übernommen werden können? Oder direkt Soldaten, die dann auch ins ehemalige Kampfgebiet gehen?

Lambsdorff: Also ich glaube, dass hier die Diskussion in Deutschland wie gesagt in den letzten Wochen sehr vorschnell geführt worden ist. Ich glaube, dass da voreilige Festlegungen getroffen worden sind, die man bei einer differenzierteren Betrachtung etwas weiter entwickeln müsste. Ich bin der Meinung, dass wir als Deutsche auf Grund der historischen Belastung sicherstellen müssen, dass unsere Soldaten auf gar keinen Fall in Kampfhandlungen mit israelischen Soldaten verwickelt werden dürfen, einerseits. Andererseits können wir uns aber auch nicht dem Ruf der Freunde, der Bündnispartner entziehen, in einer wirklich nah an Europa liegenden Region mit für Stabilität und Frieden zu sorgen.

Das führt also dann in die Richtung, nicht zu sagen, wir können gar nichts machen, sondern zu sagen, wir müssen das tun, was wir ohne Gefahr einer Verwicklung leisten können. Und das führt dann in der Tat in die Richtung, die Sie angedeutet haben. Das könnte Sanität sein, das könnte Logistik sein, das könnte aber beispielsweise auch Grenzsicherung zu Syrien sein. Die Resolution 1701, die verabschiedet worden ist in der Nacht zum Samstag, sieht ja auch vor die Sicherung der Grenzen des Libanon, um den Waffenschmuggel zu verhindern, der mit ausschlaggebend war für die jetzige Krise.

Kolkmann: Könnte die Aufgabe der Deutschen vor allen Dingen auch auf diplomatischem Parkett sein? Im Augenblick ist ja Außenminister Steinmeier im Nahen Osten. Er wird auch nach Damaskus fahren und dort verhandeln helfen. Was könnte man denn Syrien bieten, damit es sich mehr an den Westen anschließt und mitmacht?

Lambsdorff: Also ganz klar stellt der militärische Teil nur wirklich ein Element im gesamten politischen Ansatz dar. Das darf man ja nicht vergessen. Ein ganzheitlicher außenpolitischer Ansatz nimmt alle Instrumente in den Blick. Das ist die politisch-militärische, politisch-diplomatische Arbeit, die der Außenminister gerade dort verrichtet, das geht über die Entwicklungspolitik bis hin zu außenwirtschaftspolitischen Fragen. Und da sind wir dann bei dem Punkt, was kann man Syrien bieten? Syrien ist diplomatisch und auch wirtschaftlich isoliert. Ich glaube, dass eine konstruktive Haltung Syriens dazu führen würde, das Land aus der Isolation zu befreien. Gerade die Europäische Union ist bereit, hier auch auf Syrien zuzugehen.

Allerdings muss das Land ganz deutlich machen, dass es die Souveränität des Libanon respektiert, was in der Vergangenheit ja nicht der Fall war. Wir erinnern uns an den Mord an Premierminister Hariri. Und es muss deutlich machen, dass es die Unterstützung für die Hisbollah aufgibt, die mit ausschlaggebend war für die Krise. Auch die UNO-Resolution sagt ja ganz eindeutig, dass die derzeitige Krise nicht durch Israel ausgelöst worden ist, sondern durch die Angriffe der Hisbollah vom 12. Juli.

Kolkmann: Nun wurde im Libanon weitgehend die Infrastruktur zerstört. Ende August soll es in Stockholm eine Geberkonferenz geben. Sind dann möglicherweise nicht Zusagen auch daran geknüpft, dass es mit einer Friedenslösung in Nahen Osten dauerhaft vorankommen muss, um künftige Geberkonferenzen auszuschließen?

Lambsdorff: Natürlich wäre das wünschenswert. Nur können wir nicht zur Vorbedingung unserer Beteiligung an einer Geberkonferenz die Existenz einer dauerhaften Friedenslösung machen, sondern wir müssen ganz realistisch sehen, dass auch diese Resolution, auch diese Geberkonferenz, auch die nächsten Schritte selbstverständlich vorsichtige Schritte im Rahmen der gesamten politischen Lage im Nahen Osten sind hin zu einer solchen Lösung. Sie zu einer Vorbedingung zu erheben, das hielte ich für gewagt. Denn das würde bedeuten, dass man eine nichterfüllbare Bedingung festlegt, bevor man auf die Konferenz geht.

Kolkmann: Vielen Dank. Das war Alexander Graf Lambsdorff, für die FDP im Europaparlament und dort auch Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Konflikt im Südlibanon.