Lärmstreit in Berlin

Ruhe an der Skateboardrampe

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Wie laut dürfen Jugendliche mit ihren Skateboards sein? Darüber wird in Berlin diskutiert. © Paul Zinken/dpa
Von Jenny Genzmer  · 15.09.2015
Kinderlärm muss in Deutschland von Anwohnern geduldet werden. Für Sport- und Freizeitanlagen für Jugendliche gilt das nicht. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt der Fall einer Skaterbahn in Berlin.
Eine Skaterbahn im Berliner Stadtbezirk Steglitz-Zehlendorf. Punkt 15 Uhr. Eine Schallschutzwand schirmt die Bahn vom Jugendclub M-Street von einer Luxuswohnsiedlung auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab. Die Rollfläche ist noch nass vom Regen. Während Mark mit einem Wasserschieber gegen die Pfützen vorgeht, erklärt Aron, was es mit der Schallschutzwand auf sich hat.
"Ich kenne das schon von früher, ich bin jetzt schon seit insgesamt sechs Jahren hier immer raufgegangen. Früher war halt die Wand nicht da. Da konnte man auf alles draufgucken, das war viel schöner. Aber die muss man jetzt auch bauen, weil diese Häuser da hingestellt wurden, sonst kommt ganz schnell eine Lärmklage und dann ist die ganze Street hier weg. Deswegen soll man jetzt auch nicht vor 15 Uhr auf die Rampen raufgehen."
Zum Jugendhaus M-Street gehört nicht nur die Skaterbahn, sondern noch eine ganze Skateranlage mit Basketballkörben und einem schmalen rechteckigen Platz. Dort stand einmal eine BMX-Rampe. Die musste wegen der Wand abmontiert werden, erzählt Mark und schiebt die letzten nassen Blätter von der Rollfläche.
"Wir haben halt weniger Platz. Wenn die Mauer jetzt nicht gebaut wäre, hätte man die Mini-Ramp auch verlängern können. Da sind noch zehn Meter bis zum Zaun."
Als der Investor der Luxuswohnsiedlung "Fünf Morgen" vor einem Jahr mit dem Bau begann, hatte er sich auch verpflichtet, die Schallschutzwände aufzustellen. Die Auflage dafür kam von dem ehemaligen Baustadtrat des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Im Jugendhaus M-Street - selbst eine städtische Einrichtung - ist man mit Äußerungen deshalb zurückhaltend. Im Gegensatz zu Heike Deckman:
"Man dachte ja am Anfang, das wäre nur die Skaterbahn. Das wäre ja vielleicht auch noch okay gewesen. Aber dass hier vorne alles abgeschottet wird, dass man die Jugendlichen gar nicht mehr sieht, das finde ich schon skandalös."
"Das ist ein völlig falsches Signal"
Deckman ist die stellvertretende Leiterin vom Kinderhaus Tom Sawyer, das direkt hinter dem Basketball- und Skaterplatz gelegen ist. Von dort sind die fünf Meter hohen gelb-braunen Wände nicht zu übersehen.
"Ich bin der Meinung, dass das ein völlig falsches Signal ist. Das hat den Anschein, dass wir die Kinder einsperren wollen oder müssen, um andere Anwohner zu schützen vor diesem Lärm und ich finde, da wird falsch gedacht. Wenn man sich hier was kauft, weiß man das vorher und entscheidet das für sich."
Der neue Bezirksstadtrat für Soziales und Stadtentwicklung Frank Mückisch von der CDU erklärt die Maßnahme seines Amtsvorgängers so.
"Es ist so gewesen, dass wir natürlich auch sicherstellen wollten, dass die Freizeitstätte diese sportlichen Angebote hat und dass die Jugendlichen auch weiterhin diese Plätze haben können. Und wir wollten natürlich auch die Wohnbebauung haben. Und aus diesem Grunde war es gar nicht anders möglich, um diese Lärmbelastung herunterzuschrauben. Und das ist mit den Lärmschutzwänden gelungen."
Klagen gegen die Bolzplätze von Seiten der "Fünf Morgen"-Bewohner hatte es nie gegeben. Denn als der Investor die Auflage der Stadt umgesetzt hat und die Schallschutzwände bauen ließ, war auch die Wohnanlage mit dem künstlichen See in der Mitte noch im Aufbau. So sollten Beschwerden von vorneherein verhindert werden. Für Frank Mückisch eine Win-Win-Situation.
"Einerseits für die Jugendlichen die diese Bahnen dort benutzen, wir konnten die Anlage dort erhalten. Die Jugendlichen hatten dort Bolzplätze, so wird das gesehen lärmschutztechnisch. Und auf der anderen Seite für das Wohngebiet, hat es dann dazu geführt, dass einerseits diese Nutzung da bestehen kann, dass aber auch wohnen dort möglich war."
"Die haben einfach viel zu teure Anwälte"
Mückisch verweist auf ein Gutachten, das mit markierten Textpassagen vor ihm auf dem Tisch liegt. Auf der Freizeitstätte sei die Dezibel-Zahl gemessen und festgestellt worden, dass sie den für Wohngebiete zugelassen Wert überschreite. Kinderlärm gilt seit der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Jahr 2011 nicht mehr als schädliche Umwelteinwirkung und muss von Anwohnern geduldet werden. Für Sport- und Freizeitanlagen für Jugendliche gilt das nicht. Heike Deckman:
"Ich würde da gar nicht groß unterscheiden. Das sind Kinder. Das sind einmal ältere Kinder oder jüngere Kinder. Natürlich gibt es da einen Unterschied in der Nuance, die Kleinen haben höhere Stimmen. Aber an sich finde ich, muss das geduldet werden und nicht so abschreckend getan werden, dass man da Mauern auf zieht. Und es werden ja immer mehr Klagen – dass versucht wird, Spielplätze wegzuklagen."
Trotz der gesetzlichen Privilegierung von Kinderlärm. Schallschutzwände zu bauen, sei hingegen gängige Praxis, sagt Mückisch - eine, die eher noch zunehmen werde.
"Es geht ein Signal davon aus, dass wir in einer wachsenden Stadt mehr Menschen haben, die bestimmte Räume nutzen wollen. Und dass man in einer enger werdenden Stadt mehr Toleranz haben sollte für den Nachbarn. Wir werden mehr werden, wir haben alle Interessen, auch wie wir uns unser Wohnumfeld vorstellen, aber wir wollen auch nicht verzichten, den jungen Menschen Angebote in der Stadt machen."
Die Miniramp ist mittlerweile fast trocken genug, um darauf skaten zu können. Mark und Aron wollen loslegen, denn sie wissen genau, dass die Zeit begrenzt ist.
"15 bis 20 Uhr. Fünf Stunden lang. Und diese Zeit müssen Sie einhalten. Sonst können die nämlich eine Lärmklage einrichten, die Bewohner."
"Die haben einfach viel zu teure Anwälte. Gegen sowas hat man keine Chance, das ist eine Art Supermacht."
Mark und Aron sehen es pragmatisch. Toleranz, muss zumindest den beiden erstmal niemand beibringen.
"Es war eine richtige Entscheidung, aber es ist blöd für uns. Für uns hat jetzt die Mauer weniger Stress eingebracht, als wenn wir die jetzt nicht gebaut hätten."
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