"Länderfinanzausgleich muss überarbeitet werden"

Julia Klöckner im Gespräch mit M. Groth und M. Steinhage · 29.01.2011
Die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz Julia Klöckner hat sich im Streit um Änderungen am Länderfinanzausgleich auf die Seite der Geberländer gestellt. Der Ausgleich müsse Anreize zum Sparen stärker berücksichtigen, forderte sie.
Deutschlandradio Kultur: In acht Wochen wird in Rheinland-Pfalz der Landtag gewählt. Frau Klöckner, Sie treten als Spitzenkandidatin der CDU gegen Ministerpräsident Beck von der SPD an. Rechnen Sie sich ernsthaft Chancen aus, Beck als Regierungschefin ablösen zu können?

Julia Klöckner: Ja, die rechne ich mir wirklich ernsthaft aus. Denn man merkt das auch am Engagement übrigens der ganzen Partei. Und ich hab auch klar beschlossen schon vor der Landtagswahl, mein Amt als Parlamentarische Staatssekretärin zur Verfügung zu stellen. – Keine halben Sachen, mit voller Kraft für Rheinland-Pfalz.

Deutschlandradio Kultur: Aber an eine absolute Mehrheit der CDU glauben Sie nicht?

Julia Klöckner: Nein. Also, man kann natürlich auf Wunder hoffen, aber man muss auch realistisch sein. Wir werden die absolute Mehrheit der SPD mit Sicherheit brechen. Und wir möchten stärkste Fraktion werden.

Deutschlandradio Kultur: Bleibt also die Option Koalition – mit wem denn?

Julia Klöckner: Koalition ist eine realistische Überlegungsweise. Aber wissen Sie, vor den Wahlen werden ja immer viele Spekulationen angestellt. Erstens ist ja wichtig, dass Programme zusammenpassen. Zweitens ist wichtig, dass die Personen auch miteinander können. Was helfen die Programme, wenn die Personen das nicht zusammenbekommen. Und drittens ist auch klar, dass man Kompromisse eingehen muss. Die Frage ist nur: Welche Kompromisse?

Und aus Hamburg habe auch ich einiges gelernt. Mit Blick auf Hamburg: Man darf nicht alle Kröten schlucken. Und die CDU ist über einen Kompromiss gestolpert, den man ihr wirklich übel genommen hat, in der Schulpolitik.

Deutschlandradio Kultur: Ich nehme Ihr Bild mit den Kröten auf. Kröten sind grün. Wie steht's denn mit den Grünen, die jetzt nicht im Landtag vertreten sind – für alle, die es nicht wissen, sich in Rheinland-Pfalz nicht so gut auskennen –, die aber mit Sicherheit wieder reinkommen, während – in Klammern gesprochen – die FDP drin ist, möglicherweise aber rausfliegt. - Was ist mit den Grünen?

Julia Klöckner: Die Grünen machen ihre Arbeit und versuchen eine hohe Zustimmung zu bekommen. Die wird jetzt natürlich sinken. Das merkt man, dass sie auch ein etwas "entglänzt" sind. Denn es kommt da raus, dass man sich nicht für Ideen feiern lassen kann und, wenn man sie durchrechnet oder wirklich durchführen will, dann auf Widerstand stößt. Ich denke, den Zenit haben die Grünen überschritten. Aber nichtsdestotrotz gehe ich davon aus, dass die Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag drin sein werden.

Deutschlandradio Kultur: Und Sie haben ein Auge auf die.

Julia Klöckner: Ich hab ein Auge auf meine CDU und hab ein Auge auf die Wählerinnen und Wähler. Es gibt einen natürlichen Partner, mit dem wir in Berlin regieren und in der Bundesregierung regieren. Und dann wird man sehen, was im Land möglich ist und auch vertretbar ist.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben ja, zumindest noch, auch ein bundespolitisches Standbein. Da hört man ja Unterschiedliches, was die Zusammenarbeit mit den Grünen betrifft. Angela Merkel wird nicht müde, das als "Hirngespinst" zu bezeichnen. Norbert Röttgen hat jetzt vor einigen Tagen eben davor gewarnt und hat gesagt: "Bündnisse mit den Grünen sollte man nicht ausschließen." Also, diese unterschiedlichen Signale aus der Bundes-CDU, fährt man da eine Strategie mit geteilten Flügeln? Wie beurteilen Sie das? Was ist Ihre Meinung?

Julia Klöckner: Ich kann jetzt nicht in die einzelnen Köpfe jeweils reinschauen. Das, was die Bundeskanzlerin beim Bundesparteitag gesagt hat, dass die Grünen selbst auch Hirngespinste mitunter verbreiten, das merkt man ja, dass sie sich zu der "Dagegen-Partei" entwickelt haben. Noch mal: In Berlin lassen sie sich für Ideen feiern für erneuerbare Energien und führen die Bürgerinitiativen vor Ort gegen den Ausbau von Trassen, von Stromverteilern dann an. Das ist die große Problematik. Und in Berlin hat der Ton, also auch der polemische Ton der Grünen, leider zugenommen.

Das war ein Blick auf Berlin, aber die Kanzlerin und Bundesvorsitzende gibt keine Empfehlungen in die einzelnen Bundesländer rein. Und ich gehe davon aus, dass Norbert Röttgen diesen Blick auch als Landesvorsitzender eines Landes so eingenommen hat.

Ich denke, es gehört zum politischen Geschäft, das, was kritisch ist, anzusagen, auch mal eine freundliche Grußadresse. Ansonsten hat es, wie gesagt, immer etwas mit Personen zu tun und deren Sichtweisen und wie sie sie vertreten. Und die Grünen haben ja auch ganz verschiedene Flügel. Es gibt die sogenannten Realos und die Fundis. Und je nach dem, wer jetzt gerade das Sagen hat, wird's dann mal ein bisschen angenehmer oder das nächste Mal sagt man, na ja, gut, machen wir mal noch eine andere Runde mit euch.

Deutschlandradio Kultur: Sagen wir noch der Ordnung halber, dass die Grünen im Falle eines Falles möglicherweise auch eher zur SPD tendieren. Die SPD, wenn sie die absolute Mehrheit verliert, wofür vieles im Augenblick spricht, würde dann möglicherweise sich auch lieber an die Grünen klammern.

Julia Klöckner: Naja, die Grünen werden das machen, wo sie in Regierungsverantwortung kommen. Da sind die ganz pragmatisch. Wer einmal rausgeflogen ist und gemerkt hat, dass er keine Mitarbeiterbudgets mehr hat, dass die Landesgeschäftsstellen kleiner werden, die haben einen unbedingten Willen, an die Regierung mit zu kommen auch.

Deutschlandradio Kultur: Das hieße ja, dass Sie die Grünen für kleine Münze bekommen. - Nehmen wir doch mal an, Beck und Sie haben so etwa die gleiche Prozentzahl und die Grünen könnten sich es aussuchen. Da, zumindest ist das die schriftliche Lage, tendieren doch die Grünen sicherlich – Stichwort Bildung, Sozialpolitik – eher zur SPD.

Julia Klöckner: Gut. Und sie tendieren weg von der SPD, wenn es um die Finanzpolitik, wenn es um die Nachhaltigkeit geht und wenn es um die Vetternwirtschaft der SPD geht. Es ist klar, dass ein Regierungschef Beck natürlich so einen kleinen Partner, der nicht in der Regierung war, nicht in dem Parlament war, immer über den Tisch ziehen würde. Aber das sind gar nicht meine Gedanken, die ich jetzt habe. Ich kämpfe für eine starke CDU. Und wenn wir stärkste Fraktion sind, sind wir natürlich in einer ganz anderen Position.

Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie stärkste Fraktion sind, um das abzuschließen, ist eine Große Koalition für Sie auch denkbar?

Julia Klöckner: Sie sagen "denkbar" und ich kann mir schon die Schlagzeilen vorstellen, wenn Klöckner sagt, "denkbar, Klöckner zielt auf große Koalition". Politik hat auch was mit Rechnen zu tun. Und "Rechnen zu tun" heißt, man braucht nachher eine Mehrheit. Ich kann nicht sagen, was uns der Wähler mitgibt bzw. wie er uns ausstattet und wie die Konstellationen sind. Ich weiß nur, wie das 2005 war, als wir in die Große Koalition kamen. Da musste man sich gedanklich wirklich massiv umstellen im Bund. Und ich bin keine Person, die in einen Wahlkampf zieht und persönliche Diffamierungen betreibt bzw. solche Schäden hinterlässt, dass verbrannte Erde da ist und man dann nicht miteinander reden kann.

Deutschlandradio Kultur: Machen wir es persönlich: Ohne Diffamierung? Sie treten gegen einen Mann an, der seit gut 16 Jahren in Mainz regiert. Der wird von der Bevölkerung – manchmal respektvoll, manchmal spöttisch – "König Kurt" genannt. Sie sind eine relativ unbekannte, junge Frau. Sie müssen sich natürlich gegen Beck erst mal profilieren. Wie macht man das? Wie tritt man in einen solchen Kampf?

Julia Klöckner: Ich spreche ungern von "Kampf". Es ist ein Wettbewerb. In der Demokratie müssen die Bürgerinnen und Bürger die Chance, die Möglichkeit zur Auswahl haben. Und nach 16 Jahren, Sie erinnern sich an den Spruch der SPD damals zu Helmut Kohl, "16 Jahre sind genug", und hier ist die SPD seit 20 Jahren im Land dran. Und leider ist aus Rheinland-Pfalz ein "Rheinland-Filz" geworden. Das merkt man an allen Ecken und Enden. Maulkörbe werden den Lehrern verpasst, vielen anderen auch. Bürgermeister, Ehrenamtliche bekommen Schreiben, wenn sie sich kritisch äußern. Also, es zeigt sich, dass 20 Jahre bzw. 16 Jahre des Ministerpräsidenten nicht gut tun für eine Demokratie oder für die Dynamik eines Landes.

Und jetzt fragen Sie, wie gehe ich damit um. Ich habe Respekt vor jedem, der sich ordentlich verhält. Jetzt kann man fragen, was ist ordentliches Verhalten. Wir sind alle nicht kurz vor der Heiligsprechung, aber ich habe Respekt für jeden, vor jedem, der sich engagiert in der Politik, ich werde aber das herausarbeiten, was nicht gut läuft. Und Sie müssen sich mal die Regierungserklärungen anschauen von Herrn Beck von vor fünf Jahren und den Jahren davor und das messen, wie jetzt der Stand ist. Das allein tut ihm schon weh und tut natürlich auch der SPD weh. Ich werde aber nichts versprechen, was ich nicht halten kann bzw. wir auch nicht finanzieren können. Das ist ganz klar.

Und ein letzter Punkt: Man hat natürlich immer den Blick: Älterer Mann, der so ein bisschen auf Abschiedstour ist, und die junge Frau, die jetzt daherkommt. Sicherlich wird es sich auf uns beide zuspitzen, aber ich gehe sicherlich gelassener mit Herrn Beck um, als er mit mir umgeht. Er hat gesagt, er wolle mich "behandeln wie einen Mann, fair und sachlich". Das heißt im Umkehrschluss, Frauen werden unfair und unsachlich behandelt. Ich habe ihm dann zugestanden, dass ich ihn nicht wie eine Frau behandeln möchte und dass man da doch bisschen gelassener umgehen kann – also, authentisch sein, denke ich.

Deutschlandradio Kultur: Und wie ist, kurz gefragt, Ihr persönliches Verhältnis zum Herrn Beck?

Julia Klöckner: Also, "Verhältnis" wäre jetzt zu hoch gegriffen, etwa so etwas zu sagen. Ich habe keine Probleme persönlicher Art mit ihm. Ich habe hohe Probleme mit seiner Art des Regierungsstils. Das ist wirklich fast ein Monarchentum. Man wartet nur noch, dass in der Staatskanzlei der Hofknicks eingeführt wird. Jede Kritik wird ganz barsch abgetan. Nur die Gerichte bringen ihn zum Agieren, wenn überhaupt. Wir haben jetzt drei Gerichtsurteile, die eine Verfassungswidrigkeit im Regierungshandeln bescheinigt haben. Und der Ministerpräsident sagt, "das seien nur kleine Stolpersteine". Das ist nicht gut.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben vorhin das Stichwort "Filz" aufgegriffen. Das ist ja lustig, wenn das von der rheinland-pfälzischen CDU kommt.

Julia Klöckner: Wieso?

Deutschlandradio Kultur: Da gab's in der letzten Zeit auch Dinge, die man vielleicht auch mit dem Wort belegen könnte.

Julia Klöckner: Wieso mit "Filz"? Verstehe ich nicht ganz.

Deutschlandradio Kultur: Da wurden Wahlkampfgelder an Agenturen ohne Gegenleistung gegeben. Das könnte man doch als "Filz" bezeichnen, oder?

Julia Klöckner: Also, in der CDU Rheinland-Pfalz ist im vergangenen Landtagswahlkampf, und ich sage ganz bewusst "im vergangenen", weil das der Vergangenheit angehört und die Personen auch nicht mehr da sind, dort wurden Gelder falsch verwandt. Das heißt, die Fraktion hat Rechnungen bezahlt, die aber Parteileistungen waren. Und das ist nicht in Ordnung.

Deutschlandradio Kultur: Dass Sie damit nichts zu tun haben, Frau Klöckner, ist unbestritten, aber rausgekommen ist es kurz vor Weihnachten. Und Sie haben jetzt das Problem. Und vor dem Hintergrund, ist es, glauben wir, nicht ganz einfach, auf das sogenannte "System Beck" zu zeigen und da von "Rheinland-Filz" zu sprechen, wenn man selber, sozusagen im eigenen Laden, ein Problem hat, auch wenn man dafür nicht verantwortlich zu machen ist.

Julia Klöckner: Man muss ja schon mal klar unterscheiden. Ich weiß nicht, ob Sie das alles gleich in die Waagschale werfen. Das, was in der Vergangenheit falsch an Geldern verbucht worden ist, das war nicht in Ordnung. Und deshalb haben wir auch erstens gesagt, das ist nicht in Ordnung, weil jetzt ja Akten aufgetaucht sind, die Staatsanwaltschaft sagt selbst, es waren neue Erkenntnisse da. Es hat keine Woche gedauert, bis ich den Tisch aufgeräumt hatte, bis wir Klarschiff gemacht haben, haben das, was unrechtmäßig war, auch beglichen und auch eine Höhe beantragt, die die höchste ist. Das heißt, eine dreifache Zahlung.

Deutschlandradio Kultur: 1,2 Millionen Euro ...

Julia Klöckner: Ja. Und wir haben es nicht auf irgendeinen Streit drauf ankommen lassen, sondern ich hab gesagt, das muss weggeräumt werden. Und das unterscheidet mich übrigens von Herrn Beck und auch vom System Beck.

Deutschlandradio Kultur: Wenn man Ihnen folgt, und das tun wir gerne, dann stellt man fest, die heiße Phase des Wahlkampfs in Rheinland-Pfalz ist nicht mehr weit weg. Was erwarten Sie? Wird's eine Schlammschlacht, frei nach "Rheinland-Filz" gegen "Bimbespartei"?

Julia Klöckner: Nein. Also, das hängt ja immer damit zusammen, ob man selbst in das gleiche Horn stößt. Zu benennen, was falsch läuft, ist nicht unter der Gürtellinie. Das ist nicht persönlich und ist auch keine Schlammschlacht. Denn der Bürger muss ja wissen, warum er Steuern zahlt und warum es zum Beispiel keine Entlastungen gibt. Und dass jetzt wiederum 33 Mio. Euro nicht eingepreist worden sind vom Nürburgring, das muss man erwähnen. Das ist keine Schlammschlacht. Schlammschlachten sind persönliche Geschichte. Und die wird es von mir aus nicht geben.

Deutschlandradio Kultur: Frau Klöckner, bleiben wir noch einen Moment lang in Rheinland-Pfalz. Uns kam so ein bisschen der Eindruck in der Vorbereitung, dass es da schon durchaus Gemeinsamkeiten gibt zwischen Ihnen und Beck, Ihrem Widersacher, und zwar vor dem Hintergrund: Rheinland-Pfalz ist, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen, hoch verschuldet. Und im Zuge der Schuldenbremse muss künftig kräftig gespart werden. Beck setzt auch dieses Mal wieder auf teure Versprechen im Bereich Bildungs- und Familienpolitik. Und Sie tun es ihm nach mit der Ankündigung, über eintausend Lehrer und Referendare zusätzlich einstellen zu wollen. Wie Sie das aber gegenfinanzieren wollen, das sagen Sie nicht. Wie soll das funktionieren in Zeiten der Schuldenbremse?

Julia Klöckner: Sie haben mich ja vorher gar nicht gefragt. Da konnte ich es Ihnen auch gar nicht sagen.

Wir haben ein ganz klares Konzept aufgestellt, wie wir die Verschuldung in diesem Jahr schon halbieren können. Es sind Einzelposten, Einzelmaßnahmen eingebracht worden in den Landtag. Klar ist, wir müssen die Treppe von oben nach unten kehren. Und Sparen und Investieren muss sich nicht ausschließen. Nur dort, wo ich investiere, muss ich gegenfinanzieren. Und ich werde nichts versprechen, was wir nicht einlösen und auch bezahlen können.

Konkret zu den Lehrern: Wir haben hier in Rheinland-Pfalz einen Rekord-Unterrichtsausfall – dreieinhalb Wochen pro Schüler, pro Jahr. Das macht im ganzen Schülerleben fast ein ganzes Jahr aus. Und dieser Stoff fehlt den Kindern. Wir haben viele Lehrer, die nur befristet beschäftigt sind, hier in Rheinland-Pfalz. Befristet heißt, kurz vor den Ferien kriegen sie die Kündigung und nach den Ferien sind sie dann wieder da, damit die Krankenkasse über die Ferien nicht bezahlt werden muss. Und diese Lehrer, die da sind, möchten wir entfristen, dass sie einen ordentlichen Job haben und uns nicht in die Nachbarländer abwandern.

Zweiter Punkt: Vertretungslehrer-Pool. Wir haben einen sehr hohen strukturellen Ausfall. Also, das ist ein geplanter Ausfall. Konjunkturell heißt, es ist Eis und Schnee, der Lehrer kommt nicht an, oder ist krank oder Schwangerschaft oder sonst irgendwas. Und das werden wir ändern und werden deshalb auch die so genannte – das hört sich ein bissel sperrig an – "demografische Rendite" nutzen, also nicht mit dem Rückgang der Kinderzahl dann auch die Lehrer abbauen.

Wir müssen woanders einsparen. Woanders einsparen heißt für mich ganz klar, dass wir die Mittelbehörden, die in diesem Land sich personalmäßig so entwickeln, als stünden wir kurz vor einer Bevölkerungsexplosion, dass wir das wirklich anpassen. Und konkret noch mal: Wir haben Mittelbehörden, die haben beim Verteilen von Geldern Richtung Kommunen immer klebrige Hände. Das haben solche Behörden natürlich an sich.

Deutschlandradio Kultur: Die unionsregierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen fordern eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Das wird denen schlicht zu teuer. Rheinland-Pfalz bekommt ja Geld, 2010 rund 263 Millionen Euro. Wie ist Ihre Position in diesem Streit, der ja auch demnächst vielleicht zu einer Verfassungsklage führt?

Julia Klöckner: Als Allererstes, ich verstehe die drei Geberländer – aus folgendem Grund: Sie vorenthalten ihren Landeskindern Geschenke, weil sie einen ordentlichen Haushalt hinlegen möchten, geben aber Geld ab für andere Länder, die ganz unbekümmert Wahlgeschenke geben und dann noch mit dem Finger auf die Geberländer zeigen und sagen, ja wir sind ja hier viel sozialer. Das ist nicht in Ordnung. Und der grundsätzliche Länderfinanzausgleich muss überarbeitet werden.

Das ist auch in meinem Interesse. Wenn ich dieses Land führe und Sparanstrengungen hinlege und sich eine wirtschaftliche Entwicklung besser zeigt, dann wird sich so was nicht rechnen, weil man dann fürs Sparen bestraft wird. Das heißt, dieser Länderfinanzausgleich muss auch Anreize zum Sparen berücksichtigen. Und ich habe die drei Kollegen aus den Ländern so verstanden, dass sie zu Gesprächen bereit sind, dass es nicht zu einer Klage kommen muss. Aber ich fordere auch den Ministerpräsidenten Beck auf, sich diesen Gesprächen zu öffnen und nicht nur zu sagen, es sei eine "Unverschämtheit". Denn wer die Musik bestellt und bezahlt, der darf auch mal über die Lieder mitreden, bin ich der Meinung.

Aus diesem Grunde hoffe ich sehr, dass es zu Gesprächen kommt. Die Solidarität wird nicht aufgegeben werden. Die Notwendigkeit, dass man auch einen Ausgleich hinbekommt zwischen strukturschwachen und strukturstarken Ländern, das muss weiterhin gegeben sein. Aber Solidarität heißt natürlich auch, nicht nur die Einbahnstraße gehen, sondern auch auf der anderen Seite auch den Gebern mal ein Zeichen zu setzen.

Deutschlandradio Kultur: Noch einmal: Wir sind keine boshaften Menschen. Wenn wir es denn wären, und wären jetzt scharf auf eine Schlagzeile, was würden Sie zur Schlagzeile sagen, "Kandidatin Klöckner verzichtet freiwillig auf eine Viertelmilliarde für Rheinland-Pfalz"?

Julia Klöckner: Die Schlagzeile wäre falsch, weil ich das als solches nicht gesagt habe. Die Schlagzeile könnte lauten: "Klöckner bereit für Neujustierung des Länderfinanzausgleichs".

Deutschlandradio Kultur: Sie sind noch Parlamentarische Staatssekretärin, nicht mehr lange. Sie haben gesagt, Sie geben dieses Amt demnächst auf. Im Moment sind Sie es noch. Und da haben Sie auch einiges zu tun, Stichwort: Dioxin-Skandal. Wie gelingt dieser Spagat? Ich nehme an, Sie sind in Berlin gefordert. Sie sind andererseits natürlich hier stark im Landtagswahlkampf engagiert. Wie macht man das?

Julia Klöckner: Sie wissen doch, die Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig.

Deutschlandradio Kultur: Deshalb sitzen wir zu zweit hier.

Julia Klöckner: Deshalb sitzen zwei Männer mir gegenüber. Also, kurzum: Wir haben natürlich in der Dioxin-Zeit, als die Skandale hochkamen, und jedes Mal kam ja wieder etwas Neues raus, da gab es nächtliche Schaltkonferenzen, da gab es tägliche Schaltkonferenzen, Sitzungen in Berlin, Hin- und Herfliegen. Da ist es sehr, sehr gut, dass man moderne Kommunikationstechniken hat. Die Absprachen waren ganz engmaschig. Und es gibt klare Aufgabenzuteilung, die wir in der Hausleitung, das heißt, in der Ministeriumsleitung, untereinander dann auch wahrgenommen haben.

Das Gute ist, dass mein Beruf als Bundestagsabgeordnete und auch als Parlamentarische Staatssekretärin im Agrar- und Verbraucher- und Ernährungsministerium ganz, ganz viel mit Rheinland-Pfalz zu tun hat. Ich bin auch zuständig für den Weinbau, für die europäische Weinmarktreform und die Überarbeitung. Und Rheinland-Pfalz ist das Bundesland mit den größten Weinanbauflächen. Insofern überschneidet sich das und das ist auch gut so.

Deutschlandradio Kultur: Frau Klöckner, sind Sie nach eigenem Verständnis eine Konservative?

Julia Klöckner: Oh, jetzt müssen wir definieren, was konservativ ist.

Deutschlandradio Kultur: Machen Sie es mal.

Julia Klöckner: Konservativ ist für mich nicht, alles Neue, was kommt, abzulehnen aus Prinzip, aber auch nicht alles, was neu ist, zu beklatschen. Das heißt aber genauso gut, dass man nicht alles, was überholt scheint, auch als überholt betrachtet. – Das war jetzt nicht ganz so einfach, was ich gesagt habe. Kurzum: Ich sehe mich als Wertkonservative, aber nicht als Strukturkonservative. Das wird oft vermischt. Man kann eine Glut auch in andere Kamine tragen. Die können sich verändern.

Also, Familienbild kann sich verändern, aber das, was der Wert ist, das heißt, dass man füreinander da ist, zum Beispiel, dass nicht nur die Frauen die Kinder erziehen und sich Elternzeit nehmen, sondern auch Männer, oder dass wir das Familienbild versuchen hoch zu halten und das, was uns trägt, dass wir füreinander da sind, auch in der Pflege, dass wir zum Beispiel Pflegezeiten erarbeiten -, das zeigt, das Strukturen sich ändern können, aber das, was ein guter Wert ist, den zu erhalten. Und so sehe ich mich als moderne Wertkonservative.

Deutschlandradio Kultur: Sie treten an als Spitzenkandidatin in einen Bundesland, das in weiten Teilen ländlich geprägt und katholisch ist, also konservativ im landläufigen Sinn.

Julia Klöckner: Moderne Katholiken.

Deutschlandradio Kultur: Das widerspricht sich ja nach Ihrer Definition dann ja auch nicht unbedingt.

Julia Klöckner: Widersprechen tut sich das nicht, nein.

Deutschlandradio Kultur: Ihre Position kommt sicherlich gut an bei dieser Klientel. Aber wie steht es mit dem Umstand, dass Sie unverheiratet und kinderlos sind? Das ist ja vielleicht doch manchen Wählern auch nicht ganz gleichgültig. Erleben Sie da Probleme?

Julia Klöckner: Na, Sie scheinen aber auch konservativ zu sein, dass Sie mir diese Frage stellen. Also, für viele ist das überhaupt gar keine Frage.

Deutschlandradio Kultur: Wir sind für alle Fragen offen. Das heißt nicht immer, dass wir dahinter stehen. Also, wir haben damit kein Problem.

Julia Klöckner: Also sind Sie quasi Sprachrohr. - Nein, die Welt ist bunt und die Gesellschaft und auch die verschiedenen Biografien sind sehr unterschiedlich. Als Allererstes ist das eine Entscheidung von einem Paar selbst. Ich habe einen Lebenspartner an meiner Seite und bin sehr, sehr froh, dass ich ihn habe, und gehe davon aus, er ist es umgekehrt auch. Wir sind seit vielen Jahren zusammen. Und ob wir heiraten, wann wir heiraten, Familie gründen oder alles andere, das ist eine Frage von zwei Menschen und nicht eine Frage für die Öffentlichkeit.

Deutschlandradio Kultur: So, und jetzt kommt eine Frage, die ist nicht akademischer Natur, sondern die haben wir uns wirklich auch selbst gestellt: Vor dem Hintergrund, dass Sie eine ausgebildete Lehrerin sind und eine ausgebildete Journalistin ...

Deutschlandradio Kultur: Ich muss widersprechen. Ich bin keine komplett ausgebildete Lehrerin, weil ich sonst allen Lehrern zu nahe trete. Ich habe das erste Staatsexamen und habe während des Studiums eine Sondererlaubnis bekommen zu unterrichten.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben Religion in Wiesbaden unterrichtet.

Julia Klöckner: Genau. Aber, noch mal, um den Beruf des Lehrers hochzuhalten: Ich habe nicht das zweite Staatsexamen.

Deutschlandradio Kultur: Cum grano salis sind Sie für uns Lehrerin. Journalisten sind da großzügig, wie Sie wissen, denn das sind Sie ja auch. -Warum aber vor dem Hintergrund dann ausgerechnet Berufspolitikerin, wenn man eigentlich zwei richtige Berufe hat?

Julia Klöckner: Ja, das frage ich mich manchmal auch abends, wenn ich dann etwas Zeit habe. Die Wege des Herrn sind unergründlich. Ich bin seit 1997 CDU-Mitglied. Bei uns in der Familie war keiner in der Partei, in irgendeiner Partei. Also, das war jetzt nicht so, dass das eingeübt war, parteipolitisch aktiv zu werden. Ich war gesellschaftspolitisch aktiv in der Jugendarbeit, habe Politikwissenschaften studiert. Auch in der Theologie ging es ja genau um die Frage, was ist so die christliche Soziallehre? Von was leiten wir unsere Entscheidungen ab? – Subsidiarität, Solidarität, was ist das Prägende? Und wie sieht das in der Tagespolitik aus?

Und dann kommen natürlich Menschen ins Spiel, wenn die einen ansprechen. Ich wurde 2001 gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für den Bundestag zu kandidieren. Wissen Sie, ich habe von etwas profitiert, was ich immer abgelehnt habe. Das ist das Frauenquorum. Denn bei uns in der CDU gibt es das Quorum, dass jeder dritte Platz mit einer Frau besetzt sein sollte. Das sehen einige Männer als Maximalforderung. Es ist aber eine Minimalforderung.

Dann kam raus, dass im Kreis Bad Kreuznach/Birkenfeld, meiner Heimat, wir nur dann eine Chance hätten, endlich nach ganz vielen Jahren mal wieder im Bundestag vertreten zu sein, wenn auf den Listenplatz sechs, der frei war für eine Frau, und kein anderer Kreis eine gebracht hatte, wir eine Frau bringen. Und so kamen die Herren dann, die eher vorher immer auf ihre eigenen Füße geschaut haben, dazu, mal nach links oder rechts oder nach hinten zu schauen. Und so bin ich dann das erste Mal über die Landesliste eingezogen, lag sieben Prozent hinter dem SPD-Kollegen. 2005, das erste Mal seit fünfzig Jahren, konnte ich den Wahlkreis gewinnen für die CDU – mit einem Prozent Vorsprung, und 2009 bei dem gleichen Gegenkandidaten mit 18 Prozent Vorsprung. Das klappt also.

Deutschlandradio Kultur: Sie kommen aus einer Winzerfamilie, waren 1995 Deutsche Weinkönigin. Nutzt Ihnen dieses Image hier im Land im Wahlkampf?

Julia Klöckner: Ob mir das Image nutzt, das weiß ich nicht. Mir nutzt meine Weinkenntnis. Ich erkenne ganz schnell einen Wein, wenn er korkig ist, bevor ich den dann trinken muss. Aber ich verstehe Ihre Frage. Ob mir das nutzt im Land der Reben und Rüben, so wird ja Rheinland-Pfalz häufig genannt? Na ja, man lernt als Winzertochter so eine gewisse Geländegängigkeit, mit verschiedenen Situationen zurechtzukommen. Man lernt das Land zu lieben, wobei, ich liebe ja eher meinen Partner. Also, das Land Lieben ist ein bisschen pathetisch, also, das Land zu mögen und auch mit unterschiedlichen Typen umgehen zu können. Ich kann Dialekt sprechen, aber man muss sich auch auf einem anderen Parkett bewegen können. Es schadet nicht in Rheinland-Pfalz, im Gegenteil.

Deutschlandradio Kultur: Geländegängig ist das eine. Schnell sind Sie aber auch. Deswegen zum guten Schluss noch mal ein paar schnelle Antworten.

Was fällt Ihnen eigentlich ein bei der Aussage, "der Wein erfreue des Menschen Herz"?

Julia Klöckner: Das ist ein biblischer Psalm. Und "der Wein erfreue des Menschen Herz" ist auch ein Titel meines ersten Buches gewesen zum Wein in der Bibel.

Deutschlandradio Kultur: Was fällt Ihnen ein bei der Botschaft, "Leute, ihr könnt ruhig Fußball gucken"?

Julia Klöckner: Da fällt mir unter anderem mein Twitter-Erlebnis ein und dass ich mittlerweile fast 12.000 Abonnenten habe.

Deutschlandradio Kultur: Jetzt müssen Sie das auch noch mal kurz erklären das Twitter-Erlebnis.

Julia Klöckner: Muss ich erläutern, genau. Das war bei der Wahl des Bundespräsidenten. Und da habe ich die geneigte Folgerschaft schon informiert, dass das geklappt hat.

Deutschlandradio Kultur: Bevor der Bundestagspräsident das Ergebnis offiziell bekannt gegeben hat. - Ich hoffe, dass es nicht zehn Jahre dauert, aber wenn es denn zehn Jahre dauern sollte und wir Sie dann mal wieder interviewen, wo werden wir Sie dann finden?

Julia Klöckner: Ich frag mich, wo ich Sie wieder finden werde?

Deutschlandradio Kultur: Uns in Berlin. – Und Sie auch? Bei uns ändert sich da nicht viel.

Julia Klöckner: Ja gut, nein, also, gute Zukunft für Sie. Und wo werden Sie mich finden? Ich bin da sehr flexibel. Also, Sie können mich gerne anrufen. Aber ich sehe mich hier im Land Rheinland-Pfalz und sehe mich da auch für eine gute Zukunft, in einer guten Zukunft mit der CDU hier.

Deutschlandradio Kultur: Frau Klöckner, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Julia Klöckner: Danke Ihnen für die Unterhaltung, danke.
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