Lachen, bis die Wahl kommt

"Gegen Donald Trump hilft nur Comedy"

09:57 Minuten
Die Entertainerin Gayle Tufts während einer Probe im Schiller Theater in Berlin.
Klar ist Donald Trump ein gefundenes Fressen für Comedians. Aber allmählich könnte auch mal Schluss mit lustig sein. So sieht es jedenfalls die Entertainerin und überzeugte Demokratin Gayle Tufts. © imago / Claudio Gärtner
Gayle Tufts im Gespräch mit Isabella Kolar · 02.11.2020
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Für die gebürtige Amerikanerin und deutsche Entertainerin Gayle Tufts ist Donald Trump wie eine Krankheit. In den letzten vier Jahren habe die Realität im Weißen Haus die Satire getoppt. Sie hat auch eine Idee für den Ruhestand des US-Präsidenten.
Isabella Kolar: Lachen im Lockdown ist noch erlaubt, deshalb fragen wir heute – "Geistesblitz oder Treppenwitz? Make comedy great again mit Donald Trump". Aus Anlass der Präsidentschaftswahl in den USA wollen wir mit der gebürtigen US-Amerikanerin und deutschen Entertainerin Gayle Tufts über den vielleicht scheidenden oder auch bleibenden US-Präsidenten und sein Comedy-Potenzial reden. Kurz vor seinem Amtsantritt haben Sie, Frau Tufts, Folgendes über Donald Trump gesagt:
"Es ist ein bisschen wie ein Hautausschlag. Man sieht das und denkt, in ein paar Tagen ist das weg. Aber wenn es nach drei Monaten immer noch da ist, denkt man, oh, oh, es ist etwas ganz Ernstes und das ist ein ganz gefährliches Problem."
Trump als Hautausschlag, das war dann doch in der Rückschau ein recht hartnäckiger Hautausschlag, ein regelrechtes Ekzem, oder?
Gayle Tufts: Ich bin sehr froh, dass ich das gesagt habe. Man vergisst, was man vor vier Jahren gesagt hat, es fühlt sich ein bisschen wie ein halbe Ewigkeit an. Ja, das ist eine Krankheit, das ist eine amerikanische Krankheit.
Kolar: Da hilft auch keine Creme.
Tufts: Vielleicht sind die Creme die Comedy und die Satire und der Protest. Man muss aktiv bleiben, weil, wie bei einem Hautausschlag, wenn man nichts tut, das geht doch nicht, das ist nicht auszuhalten.
Kolar: Aber jetzt mal im Ernst, unser Thema ist ja Trump und der Humor. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hieß es, dass gute Zeiten für Comedians anbrechen würden, auch Ihre Erfahrung?
Tufts: Jemand hat neulich gesagt – ich glaube, es war der Kabarettist Tobias Mann –, er sei sehr wütend auf Trump, weil Trump unseren Beruf gekillt hat. Eigentlich sollen wir als Satiriker oder als Komiker Dinge überspitzen und absurd machen. Aber du kannst das nicht, denn Trump macht das selbst.
Kolar: Das heißt, die Satire im Weißen Haus hat die Satire, die reale Satire in den Kabaretts einfach schon überholt und war nicht mehr zu toppen.
Tufts: Genau, dass es die Realität toppt. Das ist zu absurd, man könnte sich dieses Drehbuch nicht ausdenken.

Nur Comedy kann die gesellschaftliche Kluft zuschütten

Kolar: Trotzdem bleibt Trump für Kabarettisten unglaublich interessant und ergiebig. Sie arbeiten sich an ihm weiter ab?
Tufts: Ja, natürlich, das müssen wir. Ich glaube, es ist auch nicht nur Trump, man sieht das auch europaweit, von Viktor Orbán über Erdogan bis Boris Johnson, es gibt einen ganzen Club toller, alter, weißer und brauner Männer, die probieren, uns zu bestimmen.
Kolar: Satire, so lautet eine Definition, richtet sich gegen Deformationen des Menschseins. Was ist in diesem Fall die Deformation?
Tufts: Was wir sehen, ist eine Spaltung, in Amerika sowieso. Diese Kluft zwischen Reich und Arm ist so gewaltig, zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Demokraten und Republikanern. Ich weiß wirklich nicht, wer diese Kluft zuschütten sollte. Ich glaube, da kann nur Comedy helfen.
Kolar: Wenn ich Sie mal provozieren darf, wäre es in dieser lacharmen Zeit nicht auch medizinisch empfehlenswert, Donald Trump weiter als Präsidenten zu behalten?
Tufts: Nein, es gibt genug andere, das ist es nicht wert. Weil, wir wir sehen hier einen Autoritären, wenn nicht... der Mann hat, das ist mein deutsches Wort des Tages, faschistische Tendenzen.
Porträt der Entertainerin Gayle Tufts.
"Don't fuck up, Joe" - Joe Biden ist für Gayle Tufts wie ein netter Opa, bei dem man ständig Angst haben muss, dass ihm ein Missgeschick passiert.© Robert Recker
Kolar: Aber er ist auch der Mann, der in kurzer Zeit die meisten Emotionen weltweit ausgelöst hat. Ist das nicht auch schon eine Leistung?
Tufts: Ja, Hitler hat das auch gemacht, oder?
Kolar: Das ist jetzt aber ein harter Vergleich.
Tufts: Why not? Es gibt Kinder ... mexikanische Kinder, über 500 Familien können nicht wieder zusammenfinden. Das ist die Grenze für mich, wo ich sage, ha-ha-ha, wir bringen Donald Trump, wir lassen ihn weitermachen. Nee, das kann man nicht machen, das ist absurd.
Kolar: Sie sprechen davon, wenn die Kinder mit ihren Eltern... wenn sie getrennt werden voneinander.
Tufts: Die Einwandererfamilien aus Mexiko.
Kolar: Sie haben über Trump auch einmal gesagt, perfekte Comedy, wenn es nicht so tragisch wäre – ich glaube, das war auch im Bezug auf Corona –, das heißt, das Lachen bleibt einem auch eher im Halse stecken, oder?
Tufts: Ich glaube, es ist immer noch ein Ventil, wir sehen das mit unseren täglichen Talkshows und Late Nights, weil man muss irgendwie lachen über etwas. Es ist immer eine Frage, auf was man fokussiert und wie man das benutzen kann. Jemand wie Stephen Colbert ist auch für mich ein Ventil, es hilft mir einfach, wenn ich ihn anschaue, und er sitzt da mittlerweile, seine Wirbelsäule ist ein bisschen gekrümmt, er sitzt über seinem Schreibtisch, so ein bisschen, puh, kann nicht mehr. Aber es ist genau unser Gefühl auch und er gibt so ein kollektives Ventil für uns.

Joe Biden als netter Opa

Kolar: Und wenn Trump geht, wird er bei den Comedians nicht auch eine Leerstelle hinterlassen?
Tufts: Ich glaube nicht, weil ich glaube, die Probleme gehen nicht alle weg. Da war ein toller Artikel neulich in der "New York Times" mit der Überschrift, "What if winning was the easiest part" – was ist, wenn die Demokraten gewinnen und Biden drin ist. Das ist nur der Anfang.
Kolar: Und demgegenüber Joe Biden: gut für die Welt, aber schlecht für die Comedy?
Tufts: Ach, ich finde, ich gucke sehr gerne "Saturday Night Live" vom NBC, Jim Carrey spielt Joe Biden im Moment, das ist meisterhaft. Er ist ein Opa, er ist wirklich so der Opa, den du liebst, also Opa ist nett, aber es ist Opa, weißt du – oh bitte, Opa, mach kein … Ich sitze da immer bei den Debatten, sag nichts Falsches, don’t fuck up, Joe, bitte.
Aber ich freue mich, dass natürlich das beste Ding an Joe Biden auch ist, dass Kamala Harris hinter ihm ist. Und es ist auch sehr toll: Maya Rudolph, eine wunderbare Comedian, spielt Kamala Harris, Sie ist ein bisschen eine Frau wie wir alle, die sagt, so nicht weiter mit mir. Das ist auch sehr toll, da gibt’s etwas zu lachen.
Kolar: Das heißt, das Komikpotenzial von Joe ist überschaubar, aber Kamala könnte ihn etwas humorpolitisch aufpeppen.
Tufts: Sie könnte ihn in jeder Hinsicht aufpeppen.

Trump - volksnah oder Volksnarr?

Kolar: Aber wenn man zum Beispiel die Bilder vor Augen hat, die kürzlich über unsere Bildschirme flimmerten, wie Donald Trump jüngst in Florida zu YMCA über das Podium wippte und schaukelte, das hat nicht mal Kennedy geschafft.
Tufts: Nee, der Ekelfaktor allein. Und warum YMCA? Möchte Trump uns etwas sagen über seine … probiert er jetzt, die schwulen Wähler zu kriegen jetzt oder was?
Kolar: Aber es ist volksnah, er schunkelt.
Tufts: Volksnarr – n, a, Doppel-r.
Kolar: Aber haben wir ihn nicht alle auch ein wenig lieb gewonnen mit all seinen Marotten und Macken?
Tufts: No! Da kann ich ganz schnell antworten, no – nein, nein, nein.
Kolar: Daraus schließe ich, dass er Ihnen nicht fehlen wird?
Tufts: Nein, ich glaube, er könnte einfach nach Nordkorea und zusammen mit Kim Jong-un und Putin ein Musicaltheater aufmachen, ich weiß nicht.
Kolar: Er soll mit ihnen einen Männerclub gründen irgendwo weit weg?
Tufts: Ja, wir können sie große Statuen bauen lassen oder Türme oder wie auch immer, darüber wie toll die sind und wie groß ihre Penisse sind. Es ist mir so was von scheißegal, einfach weg.

Mit Decken und warmer Milch durch die Wahlnacht

Kolar: Sie sind Amerikanerin mit deutschem Pass und waren lange Jahre Stammgast in der US-Botschaft in Berlin, seit Trump aber nicht mehr, oder?
Tufts: Damals war ich gern gesehen, selbst unter Bush. Aber als Richard Grenell, jetzt ehemaliger US-Botschafter, reinkam, war ich plötzlich Persona non grata. Ich mache daraus kein Geheimnis, dass ich eine Demokratin bin und ein Trump-Gegner, aber ich habe immer gedacht, ein Botschaft ist ein Ort der Diplomatie – das war mit Herrn Grenell auch nicht der Fall.
Kolar: Aber ist auch ein bisschen eine Ehre, Persona non grata zu sein, oder?
Tufts: Finde ich auch.
Kolar: Was machen Sie in der Wahlnacht, Frau Tufts?
Tufts: Das ist eine gute Frage, jetzt wo wir socially distanced sind… Ich glaube, ich werde viel Zoom-Konferenzen machen, Telefon-Calls, aber ich habe heute zu meinem Mann gesagt - the Bremer, er ist mein bodenständiger Boden - ich hab zu ihm gesagt, es ist toll, dass wir das zusammen, zu zweit gucken. Ich bin sehr froh, zu Hause zu sein, ich glaube, ich werde viele Decken haben, mehrere Wärmflaschen, warme Milch mit Honig, und dann irgendwann habe ich ein bisschen Alkohol auch dazu für nachher. So oder so.
Wir dokumentieren das Interview mit Gayle Tufts leicht gekürzt und sprachlich geglättet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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