Kurzkritiken

Angstbewältigungen und Nazi-Verbrechen

Gerda Freise - Filmstill aus dem Dokumentarfilm "Die Widerständigen"
Gerda Freise - Filmstill aus dem Dokumentarfilm "Die Widerständigen" © Basis-Film Verleih
Von Christian Berndt |
In Vorgespult geht es um Filme, die von Angst und Angstüberwindung in Gegenwart und Vergangenheit handeln: die Tragikkomödie "Hedi Schneider steckt fest", der deutsche Dokumentarfilm "Die Widerständigen" und der polnische Film über eine Roma-Dichterin "Papusza – Die Poetin der Roma".
Filmausschnitt:(Tippgeräusche) "Frau Schneider? – Ja? – Frau Schneider, das da, das ist mein Kaffeebecher, da steht mein Name drauf. – Wirklich, wo denn? – Na da. – Ach, ja da. Stimmt. – Könnte ich ihn jetzt wiederhaben?"
Die arme Hedi ist schon wieder ins Fettnäpfchen getreten bei ihrem etwas eigenartigen Kollegen. Mit ihrer offenherzigen, humorigen Art nimmt sie alles nicht so furchtbar ernst. Der deutsche Film "Hedi Schneider steckt fest" wirkt mit dieser ironischen Büroszene zu Beginn wie eine Filmsatire à la "Stromberg". Doch schon bald wird aus dem Spaß Ernst: Hedi bleibt im Fahrstuhl stecken, und ab da wird sie unvermittelt von einer schweren Angststörung befallen. Ihr Freund Uli zeigt sich – trotz der Belastung für die Familie – verständnisvoll, aber mit der Zeit wird es schwierig:
Filmausschnitt: "Ich würde die Weingläser lieber darunter … - Kannst Du mal woanders hingucken? Oder was anderes machen? – Was soll denn das? Ich bin einfach nur da. Ich war die ganz Zeit da, und jetzt passt es nicht mehr oder was? – Ich möchte einfach mal irgendwas Normales machen. – Ich lass Dich doch hier normale Sachen machen die ganze Zeit. – Nein, lässt Du nicht! – Doch!"
Regisseurin Sonja Heiss hat nach ihrem hoch gelobten Debüt "Hotel Very Welcome" auch ihren zweiten Film als Tragikomödie inszeniert. Ernsthaftigkeit und skurriler Witze wechseln sich in "Hedi Schneider steckt fest" ab, leider aber ohne die Balance zwischen Drama und Komik zu finden. Der etwas bemühte Witz lässt einen Hedis schwere Krankheit nur begrenzt ernst nehmen, so dass der Film um kreative Mittdreißiger in der Krise in zu gefälliger Harmlosigkeit stecken bleibt.
Unterstützer der "Weißen Rose"
Von Angstbewältigung ganz anderer Art handelt der deutsche Dokumentarfilm "Die Widerständigen". Hier sind die Akteure Zeitzeugen, die im 2. Weltkrieg begeistert die Flugblätter der Widerstandsbewegung der "Weißen Rose" lasen:
Filmausschnitt: "Und dann hörten wir, dass die in Gestapo-Haft waren, und dass sie dann verhandelt wurden und sofort hingerichtet wurden. Dann haben wir uns ganz einfach gesagt, keiner macht das jetzt weiter. Also machen wir das jetzt weiter."
Regisseurin Ula Stöckl hat aus den Interviews, die ihre langjährige Freundin, die 2012 verstorbene Filmemacherin Katrin Seybold geführt hatte, einen eindrucksvollen Dokumentarfilm gedreht. Die überlebenden Zeitzeugen berichten darin, wie sie als ganz junge Menschen die Flugblätter der hingerichteten "Weiße-Rose"-Mitglieder weiterverbreiteten:
Filmausschnitt: "Das haben wir vorgelesen in unserem Kreis, und dann haben wir das sofort abgeschrieben, und dann haben wir das rundum in unseren Kreisen verteilt und auch verschickt. Und ich hab das einem Schulfreund geschickt, und meine Mutter sagte, bist Du wahnsinnig geworden, mit Absender? (lacht) Ich hab mir nichts dabei gedacht."
Verstoßene Roma-Dichterin
Nicht selten gingen sie mit jugendlichem Leichtsinn vor – bis auch ihre Gruppe aufflog und Verhaftungen und Anklagen vor dem Volksgerichtshof folgten. Stöckl hat "Die Widerständigen" ganz auf die Aussagen der Zeitzeugen beschränkt, und die Wirkung ist erstaunlich: Zwar erschwert die subjektive Perspektive die historische Einordnung für den Zuschauer, aber die lebendigen Erzählungen machen die Geschehnisse verblüffend gegenwärtig. Und sie zeigen anschaulich, wie blutjunge Menschen ganz selbstverständlich das taten, was die allermeisten verweigerten – das Unrecht beim Namen zu nennen.
Von den Nazi-Verbrechen erzählt auch der polnische Film "Papusza – Die Poetin der Roma". Die gleichnamige Heldin des Films hat ein reales Vorbild, die erste polnische Dichterin des Volkes der Roma. 1910 geboren, lernte sie heimlich lesen und schreiben. Ein Schriftsteller, der sich nach dem Krieg zeitweise ihrem fahrenden Clan anschloss, erkannte Papuszas dichterische Begabung. Es folgten Veröffentlichungen und literarischer Ruhm, aber weil sie damit angeblich Geheimnisse der Roma verraten habe, wurde Papusza aus der Gemeinschaft ihre Volkes ausgeschlossen.
Das polnische Regie-Ehepaar Johanna und Kezysztof Krauze erzählt die wechselvolle Geschichte Papuszas ohne Chronologie nach Art einer poetischen Collage. Historische Geschehnisse, wie die blutige Verfolgung durch die Nazis, sind in kurzen, aber eindrücklichen Szenen skizziert. Der fragmentarischen Erzählung zu folgen erfordert Geduld. Aber die Existenzbedingungen der Roma, ihre Isolation in einer oft feindseligen Außenwelt, die Gefangenheit in archaischen Strukturen, aber auch Freiheits- und Lebenslust sind in traumhaft schönen Bildern eingefangen. Ein Film, der weniger Papuszas Geschichte erzählen will, als vielmehr die Welt ihrer Dichtung poetisch vermittelt.