Die Jüdin Lea und die blonde Maria

Herz des Multimedia-Projektes "Sie heißt jetzt Lotte!“ ist ein Kurzfilm über zwei Freundinnen: die eine jüdisch, die andere nicht-jüdisch. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Welchen Wert hatte diese Freundschaft während der Diktatur der Nationalsozialisten?
"Ich muss morgen wieder an die Front und du bringst mir diese Judenratte ins Haus?!"
Kinderschreien.
"Hans, nein...!"
Kinderschreien.
"Hans, nein...!"
Maria verlässt noch rechtzeitig die Wohnung mit der kleinen Lotte im Arm und geht ins Ungewisse. Damit endet der 17-Minuten-Kurzfilm "Sie heißt jetzt Lotte", der momentan auf Youtube oder auf bild.de zu sehen ist. Inspiriert wurde der Film von der Biografie Charlotte Knoblochs.
"Unwillkürlich erinnerte ich mich daran, wie ich als Sechsjährige das erste Mal Ausgrenzung spürte, wie meinen Spielkameraden verboten wurde, sich mit dem Judenkind abzugeben, wie ich geschubst und bespuckt wurde."
Charlotte Knobloch, geborene Neuland, und ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, wurde nach der Scheidung der Eltern von ihrer Großmutter Albertine Neuland groß gezogen, bis diese deportiert und ermordet wurde. Eine ehemalige Hausangestellte rettete die kleine Charlotte, brachte sie zum Bauernhof ihrer katholischen Familie und gab sie als eigenes uneheliches Kind aus.
"Ich war zehn Jahre alt, als ich aus meinem Leben gerissen wurde, aus meiner Heimat, aus meiner gewohnten Umgebung, die Menschen, die ich liebte, wurden mir genommen oder waren gezwungen, mich zu verlassen. Ich durfte nicht mehr sein, wer ich war. So, nur so konnte ich überleben."
Im Film hört sich das so an:
- "Egal was passiert ich bin immer für Dich da."
- "Ewige Treue?"
- "Ewige Treue...."
- "Ewige Treue?"
- "Ewige Treue...."
Die beiden Nachwuchsschauspielerinnen Maria und Lea sind unzertrennliche Freundinnen. Die Jüdin Lea, dunkle Augen, dunkle Haare, glänzt in der Rolle der Julia am Münchner Prinzregententheater und wird als Publikumsliebling gefeiert, Maria, blond und blauäugig, träumt dagegen noch von einer Schauspielkarriere bis Hitler an die Macht kommt und Lea entlassen wird, weil sie Jüdin ist. Ihre Rolle spielt jetzt sehr zum Gefallen Görings die arische Maria. Ihr Verehrer, der arbeitslose Hans, macht im NS-Staat Karriere, wird erst Polizist, schließlich SS-Sturmbannführer. Den Kontakt zur jüdischen Freundin untersagt er. Doch Lea sucht Hilfe.
"Klingel – Aaron ist nicht heimgekommen und die Synagoge brennt, ich weiß nicht wohin? Kann ich bei Dir bleiben?"
Kann sie nicht, Hans verbittet sich jüdische Personen in der eigenen Wohnung, aber die beiden Freundinnen schreiben sich weiter heimlich Briefe.
"Liebe Maria, wir wohnen jetzt im Judenhaus, heute kam der Befehl, dass wir die Wohnung nicht mehr verlassen dürfen und jeder einen Koffer packen soll...wir werden abgeholt und ins Lager gebracht nach Milbertshofen..."
Maria geht zu Lea, um sie zu warnen. Kurz vor der Deportation vertraut Lea der Freundin Maria ihr Kind an.
"Sie heißt jetzt Lotte, pass gut auf sie auf!"
Zwei Jahre hat das Projekt in Anspruch genommen. Gefördert wurde es unter anderem vom Bayrischen Rundfunk und dem FilmFernsehFonds Bayern. Nun soll der Film vor allem in Schulen und Gemeinden eingesetzt werden, sagt Regisseurin Annekathrin Wetzel.
Positive Reaktion und Ideen für die Zukunft
"Den Film kann man natürlich einsetzen in der Jugendarbeit, man kann über Charlotte Knobloch und ihre Biografie sprechen. Man kann sich zum Beispiel die Reichskristallnacht herausnehmen, oder man nimmt sich die Machtergreifung Hitlers wo Göring die Treppe runter kommt, wie war das für die jungen Leute, was hat das bedeutet für Jugendliche? Hans war arbeitslos und hat sich erst mal nur angeschlossen, weil er eine Zukunft haben wollte, und ist dann erst hineingerutscht in die Ideologie der Nazis. Also der Film bietet verschiedene Ansätze für Lehrer und Pädagogen, mit Jugendlichen zu arbeiten."
Ergänzt werden soll der Film durch ein interaktives Lernspiel, das über eine auszuleihende Googleglass abgerufen werden kann.
"Wie die Geschichte weitergeht, das kann man zum Beispiel in diesem Lerngame dann erfahren und da können die Jugendlichen Aufgaben lösen, das heißt sie müssen nachdenken. Ein Spiel schafft eben Beteiligung und der Film ist für die Emotionen da."
Der Prototyp dafür sei aber noch in der Entwicklung und somit noch transmediale Zukunftsmusik. Jetzt aber seien die Reaktionen auf den Film bereits positiv. Auf jeden Fall wolle man an dem pädagogischen Einsatz weiter arbeiten, verspricht Filmautorin Annekathrin Wetzel.
"Jetzt kann man es ja auf youtube stellen und da sieht man die Klickzahlen und da sieht man weltweit aus Israel, aus Schweden und den USA haben Jugendliche unsere facebook-Seite gelikt. Die Leute, für die es gemacht ist, die mögen es."