Kurzes Glück und langes Leid

    Von Adolf Stock · 20.05.2005
    Wegen Baufälligkeit geschlossen. Mit einem handgeschriebenen Hinweis am Lattenzaun wurden die Besucher viele Jahre lang vertrieben, die Einsteins Sommerhaus besuchen wollten.
    "Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt" schwärmte Einstein, als er 1929 sein Sommerhaus bezog, ein stattliches Holzhaus mit Seeblick, das der Architekt Konrad Wachsmann für den Physiker baute. Als Einstein 1933 emigrieren musste, kaufte die Gemeinde Caputh das Haus für ein paar Reichsmark, zu DDR-Zeiten wurde es Volkseigentum und nach der Wende stritten sich die Erben und vermeintlichen Erben um die prominente Immobilie. Ein unwürdiges Schauspiel. Doch jetzt ist alles anders. Pünktlich zum Einsteinjahr steht auch das Sommerhaus in Caputh auf der Ereignisliste - als ein Stück Weltkulturerbe, das nun angemessen gepflegt und gewürdigt werden soll.

    Mit einem handgeschriebenen Zettel am Lattenzaun wurden neugierige Besucher jahrelang vertrieben, die Einsteins Sommerhaus betreten wollten. Aber man sah auch so schon genug: Man sah die abgeblätterte braune Farbe, man sah das behelfsmäßige Notdach und die trostlosen Fensterläden. Einsteins Sommerhaus war wegen Baufälligkeit geschlossen. Im Sommer 2001 fasste Peter Ackermann vom Initiativkreis Albert-Einstein-Haus die Situation so zusammen.

    "Der baulicher Zustand des Hauses ist im Moment doch kritisch, was auch dazu geführt hat, dass die Gemeinde Caputh sich entschlossen hat, dieses Jahr keine Führungen für die Öffentlichkeit im Einstein-Haus anzubieten, einfach weil das Haus das zur Zeit nicht verträgt, aber auf Grund der Situation der Rückübertragung - der noch nicht vollzogenen Rückübertragung, damit nicht klaren Eigentumsverhältnissen - kann im Haus eben nicht rekonstruiert werden und nicht investiert werden. "

    Und deshalb blickte Susan Neiman, Direktorin des Potsdamer Einstein Forums, in jenen Tagen auch eher hilflos auf ein Gebäude, für das sie formell ein Nutzungsrecht hatte.

    " Wie Sie wissen, im jetzigen Zustand ein armes Kind, was wir zwar versorgen müssen, aber mit dem wir wenig anfangen können. In dem jetzigen Zustand, abgesehen von sehr, sehr gelegentlichen Anlässen, können wir das Haus zur Zeit gar nicht benutzen. "

    Doch jetzt ist alles ganz anders. Die leidigen Eigentumsverhältnisse haben sich geklärt, und 2004 sind die Handwerker gekommen, um unter dem strengen Blick der Denkmalpfleger Einsteins Sommerhaus wieder in Schuss zu bringen. Ein nicht ganz billiges Vergnügen, wie Inga Wellmann, Geschäftsführerin des Einstein Forums, erklärt.

    " Die Kosten der Instandhaltungsmaßnahmen für die Renovierung des Einstein-Hauses belaufen sich insgesamt auf 500.000 Euro. Diese 500.000 Euro werden zu gleichen Teilen von der Cornelsen-Kulturstiftung und der Bundesregierung getragen, nämlich von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Frau Doktor Weiss. "

    Alles wieder neu und alles wieder gut. Übermorgen wird zur feierlichen Eröffnung geladen. Vertreter der Bundesregierung werden kommen, und Vertreter der Hebräischen Universität von Jerusalem haben sich angesagt, wo Einsteins Nachlass verwaltet wird.

    " Wir beginnen die Eröffnung mit einem Festakt im Nicolai-Saal in Potsdam. Wir konnten die Festrednerin Dalia Rabin gewinnen, die Tochter des ermordeten Yitzhak Rabin, außerdem Musiker der Berliner Philharmoniker, die für uns spielen werden, dann werden wir nach dem Festakt alle Gäste mit einem Shuttle ins Albert-Einstein-Haus befördern, wo dort noch mal ein festlicher Empfang stattfinden wird und alle Gäste auch die Möglichkeit haben, sich das Haus in dem jetzt renovierten Zustand anzusehen. "

    Drei Sommer lang hat Einstein mit seiner Familie in Caputh gewohnt und sich dort wohl gefühlt. "Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt", schwärmte Einstein in einem Brief an seinen Sohn, nachdem er im September 1929 sein Sommerhaus bezogen hatte. Es war ein stattliches Holzhaus mit Seeblick, das Peter Ackermann beschreibt.

    " Sie kriegen, wenn Sie in das Haus reingehen, ein Gefühl dafür, wie doch in einer schlichten, sehr praktischen architektonischen Umsetzung dort Einstein gelebt hat. Sein Arbeitszimmer ist im Wesentlichen noch so, oder wieder so eingerichtet, mit Möbelstücken, wie es seinerzeit war. Es gibt den begebaren Kleiderschrank. Es gibt das Bett, ein Bücherbord, und seinen Schreibtisch, wobei es nicht der Originalschreibtisch ist, sondern ein Nachbau, nach den Originalzeichnungen, die der Architekt Konrad Wachsmann damals 1929 angefertigt hat und nach denen auch dieser Schreibtisch gebaut wurde. "

    Der Architekt Konrad Wachsmann hat das Haus für Einstein entworfen. Mit einer gehörigen Portion Chuzpe ging er ans Werk. Wachsmann arbeitete in Niesky, einem kleinen Ort in der Niederlausitz zwischen Cottbus und Görlitz. Dort war er in einer Firma beschäftigt, die Holzhäuser entwickelte und vertrieb. Es waren Fertighäuser, die Einzelteile wurden in der Fabrik hergestellt. In Kisten verpackt gingen sie auf Reisen und wurden später an Ort und Stelle zusammengebaut.

    Als Konrad Wachsmann in einer Zeitschrift las, dass die Stadt Berlin Albert Einstein zum 50. Geburtstag ein Haus mit Seegrundstück schenken wollte, fuhr er kurz entschlossen in die Hauptstadt, um bei den Einsteins vorzusprechen, erzählt Rüdiger Zill, wissenschaftlicher Referent des Einstein Forums.

    " Elsa, also Frau Einstein, machte die Tür auf und er sagte dann etwas in der Art von: Tag, mein Name ist Wachsmann, ich habe gelesen, dass sie gern ein Holzhaus hätten, und ich biete ihnen meine Dienste an. Elsa war dann natürlich etwas verblüfft zunächst, und man kam dann doch ins Gespräch, und Konrad Wachsmann machte dann im Laufe der nächsten Zeit einen Entwurf und änderte ihn dann noch einmal ab, und dieser Entwurf gefiel Einstein persönlich so gut, so dass er gesagt hat, gut, das müssen wir unbedingt bauen, und jetzt brauchen wir bloß noch das Grundstück dazu. "

    Aus dem noblen Angebot des Berliner Magistrats ist dann doch nichts geworden, weil die ganze Aktion in Streit und Chaos versank: Mal ging es um ein Haus, das der Stadt gar nicht gehörte, bei einem anderen Grundstück hatte die Straßenbahn eine Wendeschleife, und ein weiteres lag neben einem Motor-Yachtclub. Natürlich gab es auch Stimmen, die grundsätzlich in Zweifel zogen, ob ein solch großzügiges Geschenk an einen gut situierten Wissenschafter für eine völlig verarmte Stadt angemessen war. Auch antisemitische Untertöne waren nicht zu überhören. Irgendwann hatten Einsteins die Nase voll und lehnten das Geschenk einfach ab.

    " Und das zog sich immer mehr hin, weil offensichtlich im Magistrat das auch nicht mit vollem Herzen betrieben worden ist. Und es gab auch einige Widerstände, man kann es nicht mehr so genau rekonstruieren, schließlich sagte Einstein: 'Ach das Leben ist zu kurz, um sich vom Berliner Magistrat beschenken zu lassen', und entschied, wir kaufen jetzt selber ein Grundstück. Das ergab sich dadurch, dass die Nachbarn Einsteins später in Caputh, die Sterns ganz gut bekannt waren mit Einsteins und ihm sagten, guck doch mal hier nebenan ist noch ein Stück Bauland frei, wäre das nicht das Richtige für dich, und Konrad Wachsmann und die Einsteins guckten sich das zusammen an und beschlossen, ja das ist das Richtige, das nehmen wir. "

    Dem Mutigen gehört die Welt, und so durfte Konrad Wachsmann doch noch das Sommerhaus bauen. Ein Haus am Waldrand von Caputh mit Sicht auf den Templiner See, wo Einsteins Jolle mit dem Namen 'Tümmler' vor Anker lag.

    Es wurde ein viel beachtetes Haus, das Konrad Wachsmann 1930 in einem Buch über Holzhausbau als Beispiel für eine technisch-bauliche Innovation ausführlich vorgestellt hat. Als Anerkennung für seine Leistung bekam er damals den Rompreis der Preußischen Akademie der Künste, einen Studienaufenthalt in der Villa Massimo. Es war die letzte Ehrung für den jüdischen Apothekersohn aus Frankfurt an der Oder. Mit einem Notvisum, das Einstein ihm beschaffen konnte, emigrierte Wachsmann 1941 in die Vereinigten Staaten. Dort hatte er als Pionier des industriellen Bauens Karriere gemacht, und mit Bauhaus-Gründer Walter Gropius seine mobile Architektur weiter entwickelt.

    1979 kam Wachsmann noch einmal nach Caputh. Um an Einsteins 100. Geburtstag zu erinnern, ließ die DDR das Sommerhaus renovieren. In diesem Zusammenhang wurde Wachsmann eingeladen, wie Dietmar Strauch vom Initiativkreis Albert-Einstein-Haus erzählt.


    "Er war ein alter Herr, lebte inzwischen als Pensionär in Amerika, und den hat man hier eingeladen, sein Haus zu besichtigen. Der kam dann auch hier her und war hocherfreut, sein Haus noch im wiederhergestellten Zustand zu sehen. "

    Der erste Eintrag im neuen Gästebuch stammt von Konrad Wachsmann, der alte Herr war dankbar und gerührt und sah generös über die offensichtlichen Baumängel bei der Restaurierung hinweg.

    " Und nun nach 50 Jahren wieder im Hause
    Ich habe es gebaut für einen Mann, der zuerst nichts mehr als ein Klient war und später einer meiner wenigen Freunde wurde
    dem ich alles glaubte, alles anvertraute und der für mich ein väterlicher Freund wurde
    der oft für mich sorgte und mir schließlich durch seine Intervention das Tor nach Amerika in der schwersten Zeit meines Lebens öffnete.
    Dass ich heute hier sein kann und an dem Tisch sitzen darf, den ich für ihn baute, verdanke ich Professor Klare und Prof. Treder.
    Das Haus ist genau so wie ich es sah, als meine Arbeit fertig war.
    Caputh 28. Februar 1979"

    Die Nationalsozialisten waren verdutzt, als sie Einstein enteignen wollten und feststellen mussten, dass nicht Einstein, sondern seinen beiden Stieftöchter Margot und Ilse je zur Hälfte im Grundbuch standen. Natürlich haben sich die Nationalsozialisten das Haus dann doch noch unter den Nagel gerissen, und als Einstein 1933 Caputh verließ, kaufte die Gemeinde das Haus für ein paar Reichsmark, berichtet Rüdiger Zill.

    " Einstein überließ sein Haus zunächst einmal dem jüdischen Kinderheim, was zwei Grundstücke weiter liegt: Gertrud Feiertag war die Leiterin, und man kannte sich gut. Danach wurde es enteignet von den Nazis. Die Gemeinde Caputh kaufte das dann irgendwann und nutze es selbst. Es gab eine sehr gemischte Nutzung in den folgenden Jahren, also die Gemeinde versuchte es auch als Kindergarten zu nutzen, dann übernahm es die Hitler-Jugend, dann war Militär drin. Nach dem Kriegsende wurde es dann aber mehr oder weniger privat genutzt, mit den entsprechenden Problemen natürlich, man hatte große restauratorische Probleme, aber das tauchte erst bei der ersten Renovierung in den 70er Jahren wieder auf. "

    Bis 1961 stand die Gemeinde Caputh im Grundbuch, danach wurde der Eintrag geändert, und das Einstein-Haus wurde aktenkundig zum "Eigentum des Volkes". In der DDR gab es den Unterschied zwischen Grundbesitz und Nutzungsrecht. Bis 1979 lag das Nutzungsrecht bei der Gemeinde Caputh, das später auf die "Akademie der Wissenschaften" übertragen wurde.

    Doch nach der Wende stand die Gemeinde Caputh plötzlich wieder im Grundbuch. Und das kam nicht von ungefähr, denn die Gemeinde hat damals aktiv und mit juristischem Beistand um den Grundbucheintrag gekämpft.

    " Für mich war das von Anfang an unverständlich, denn es war ja klar, man beruft sich auf ein Unrecht, und man hätte klüger gehandelt, gleich den Erben das Recht einzuräumen, vielleicht hätten wir dann heute nicht diese Schwierigkeiten. "

    Erika Britzke, die seit den 70er Jahren das Einstein-Haus betreut, hält das damalige Vorgehen der Gemeinde bis heute für falsch. Sie sieht darin einen Grund, weshalb die Situation später so hoffnungslos verfahren war. Nun stritten sich Erben und vermeintliche Erben um Einsteins Sommerhaus. Von einer Augenklinik, einem Tierschutzverein bis hin zur Hebräischen Universität war alles vertreten. Erst vor zwei Jahren fand das unwürdige Schauspiel ein Ende, berichtet Inga Wellmann.

    " Die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf das Einstein-Sommerhaus haben sich geklärt, die Hebräische Universität in Jerusalem hat 70 Prozent der Anteile des Hauses, und die restlichen 30 Prozent gehören einer elfköpfigen Erbengemeinschaft. Und diese ungeteilte Erbengemeinschaft, also sowohl die Haupteigentümer, die Hebräische Universität Jerusalem, so wie die anderen Parteien stehen im Grundbuch, in dem Grundbuch seit dem 8. März 2004. "

    Zurzeit bemüht sich die Hebräische Universität um die Übernahme der restlichen 30 Prozent, damit sie vollständige Eigentümerin der Immobilie wird. Verwaltet wird das Sommerhaus künftig vom Einstein Forum. Es soll vor allem als Tagungsstätte dienen, wohl ganz in dem Sinne, wie es sich Einstein gewünscht hätte. Sein Haus in Princeton hat er einem Institut geschenkt, allerdings unter der Maßgabe, dass es keine Gedenkstätte wird, sondern wissenschaftlichen Zwecken dient, denn Einstein hasste die museale Erinnerungskultur, erzählt Erika Britzke.

    " Die Welt achtet eigentlich Einsteins letzten Willen, kein Museum zu haben. In Amerika hat er immerhin 22 Jahre gelebt, und auch dort gab es Bestrebungen, ein Museum einzurichten, das wurde aber doch fallengelassen, weil man seinen letzten Willen respektiert hat. Wir wissen auch, dass er kein Grab wünschte und überhaupt, diese Weihestätten waren ihm etwas unheimlich. "

    Übermorgen - das ist nicht zu ändern - wird nun eine Ausnahme gemacht, dann ist Trubel in Einsteins Sommeridyll, vermutet Inga Wellmann.

    " Wir werden der Person Albert Einstein huldigen an diesem Tage, da kann er sich auch nicht wehren gegen, das liegt nahe im Einstein-Jahr, aber danach werden wir natürlich versuchen, die Publikumszahl auf ein normales Level zu bringen, damit das Haus keinen Schaden nimmt und auch Albert Einstein beruhigt sein kann. "

    Einstein hat in Caputh drei Sommer verbracht. Die Bilder aus jener Zeit zeigen einen zufriedenen Mann: Einstein segelt oder sitzt bequem im Korbstuhl mit Pfeife auf der überdachten Terrasse. "Das Segel-schiff, die Fernsicht, die einsamen Herbstspaziergänge, die relative Ruhe, es ist ein Paradies", schrieb er kurz nach seinem Einzug. Dann kamen die Nazis, und Einstein ging mit seiner Familie nach Amerika. Sein geliebtes Haus war nicht unter den Arm zu klemmen, es musste bleiben und wurde über Jahrzehnte zum Spielball politischer und persönlicher Interessen. Damit könnte nun Schluss sein: Es wäre doch schön, wenn Einsteins Sommerhaus wieder friedlich und unbefangen der Erholung und der Wissenschaft dienen könnte. Vielleicht hängt man ja Einsteins Bild in den frisch renovierten Flur, am besten gleich das, wo er uns die Zunge rausstreckt.