Kurt Beck hat sich verzockt

Von Matthias Thiel |
Keine Bündnisse mit den Linken - die Sozialdemokraten stehen seit Jahrhunderten für Verlässlichkeit. Wir werden weder mit denen turteln noch paktieren. Diese Worte von SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann am heutigen Wahlabend können es deutlicher nicht sagen: Parteichef Kurt Beck hat sich verzockt.
Sein riskanter Versuch, über die Hintertür in Hessen neue Machtoptionen für seine Partei zu öffnen, sind klar gescheitert. Die Union und Ole von Beust danken artig. Ihnen bescherte Becks überraschender Versuch, den Ausstieg aus der Großen Koalition im Bund vorzubereiten so viel mehr Stimmen, dass sie sich als glänzende Wahlsieger feiern. Von Beust bleibt Erster Bürgermeister in der Hansestadt und ist jetzt in der komfortablen Situation, gleich zwei Koalitionsmöglichkeiten zu haben.

Becks Bedauern über seinen Linksschwenk - am Abend mühselig in der Berliner Parteizentrale nachgeschoben - wird ihm eine heftige Diskussion über Glaubwürdigkeit von Politik im Allgemeinen und seine eigene Zukunft im Speziellen mit Sicherheit nicht ersparen. Nicht nur die Hamburger Genossen werden morgen in Präsidium und Vorstand über ihn herfallen. Erstens, weil er ohne jede interne Debatte seinen Luftballon steigen ließ und zweitens, weil er damit eine Hamburger rot-grüne Option in der Alster versenkte. Nicht umsonst jubeln die Christdemokraten – im Bund wie in Hamburg. In der nächsten Koalitionsklausur in der kommenden Woche werden sie mit Stolz geschwellter Brust die Sozialdemokraten zu Kompromissen - zum Beispiel bei der Pflegeversicherung – zwingen wollen, die sonst nicht mehr möglich schienen.

Und in der Hansestadt kann Ole von Beust ganz in Ruhe erst die Grünen und dann die Sozialdemokraten vor seinem Bürgermeister-Schreibtisch aufmarschieren lassen. Elbe vertiefen, Kohlekraftwerk Moorburg bauen und Gymnasien erhalten – wer das akzeptiert, darf mitspielen. Keine hessischen Verhältnisse – klare Ansagen – stabile Koalition. Dass die Grünen das erste Mal unter diesen Bedingungen springen werden, ist kaum zu erwarten. Die Parteistrategen würden zwar diese unbequeme Konstellation regional begrenzt gerne eingehen, um sich endlich aus der SPD-Umklammerung zu lösen und damit gleichzeitig eine weitere große Koalition zu verhindern. Doch die Basis der GAL spielt da nicht mit.

Also dürfte es bei dieser Ausgangslage zu einer Großen Koalition kommen. Mehrheitlich wollten es die Hamburger so. Und: Sie haben mit der geringen Wahlbeteiligung allen Parteien wieder einen Denkzettel verpasst. Gleichzeitig wurde die Linke entzaubert. Sie ist – ähnlich wie die SPD – in Hamburg hinter den eigenen Erwartungen und den Prognosen der Demoskopen deutlich zurück geblieben. Das ständige Hin- und Her im Umgang mit der eigenen kommunistischen Vergangenheit kommt im Westen der Republik eben doch nicht an. Dies gilt dann auch als Hinweis der Hamburger Wähler an Wiesbadener Strategen: Auch wenn die Wahl des hessischen Ministerpräsidenten geheim ist, sollten die verantwortlichen Politiker Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit nicht vergessen. Wie sagte SPD-Spitzenkandidat Michael Neumann doch heute Abend in Hamburg: Kein Turteln und Paktieren.