Kunstwesen der besonderen Art

Von Arndt Reuning |
Roboter kennen wir vor allem als wuchtige Maschinen am Fließband oder als freundliche Humanoide aus Fernost. Im New Yorker Stadtteil Brooklyn erschafft eine kleine Gruppe von Roboterbegeisterten jedoch eine ganz andere Art dieser Kunstwesen - Kunst wird hier im doppelten Sinne verstanden.
Im Westen von Brooklyn, ganz in der Nähe der U-Bahn-Station "Vierte Avenue, neunte Straße". In einem ehemaligen Ladenlokal haben sich gut 40 Gäste eingefunden, denn dort hat die Liga der Elektronischen Urbanen Musik-Roboter, kurz LEMUR, ihren Sitz.

An diesem Abend geben die Maschinen ein Konzert – zusammen mit menschlichen Musikern, die einen ganzen Monat damit verbracht haben, die Roboter zu programmieren. Mensch und Maschine spielen zusammen, digitale Klangapparate mit Musikern an traditionellen Instrumenten, wie zum Beispiel Tuba, Trompete oder Gitarre.

Der Himmel hängt zwar nicht voller Geigen, aber die Decke voller Perkussions-Roboter, ModBots genannt, zusammengeschraubt aus Schlagzeugbecken, alten Plastikeimern und anderen Metall- und Holzgegenständen, deren ursprünglicher Zweck sich nur noch erraten lässt. Sie rasseln, schnarren, hämmern und klirren.

Rückblende: Gut fünf Stunden vor der Veranstaltung, als die Proben noch im vollen Gange sind, geht es recht hektisch zu in der Kellerwerkstatt der Roboter-Liga unterhalb des Veranstaltungssaals. Eric Singer, der Chef der Truppe, wechselt hin und her zwischen Bohrmaschine, Schleifgerät und Werkbank. Während der LEMUR-Künstler Leif Krinkle dünne Metallklöppel an einer Schiene befestigt – wie Fischgräten an einem Rückgrat.

Das Schlagwerk für einen XyloBot, einen Xylophonroboter. Ein Großauftrag für einen bekannten amerikanischen Jazz-Musiker, sagt Eric. Aber den Namen des Künstlers will er noch nicht verraten.

"Da werden Sie noch bis zum kommenden Jahr warten müssen. Inzwischen bauen wir für ihn rund 200 Einzelkonstruktionen zusammen. Alleine 120 für drei Xylophone, und noch mal 60 bis 80 Maschinen unterschiedlicher Komplexität für eine Vielzahl anderer Schlag- und Saiteninstrumente. Daran arbeiten wir im Moment."

Die LEMUR-Roboter spielen keine Musikinstrumente, sie sind die Instrumente, von einem zentralen Rechner aus gesteuert. Eines der Exemplare oben im Veranstaltungsraum ist der GuitarBot. Er besteht aus vier aufrecht stehenden Metallschienen, auf die jeweils eine Saite gespannt ist. Ein Metallfinger kann an ihnen entlang fahren und so die Tonhöhe vorgeben.

"Das ist so, als hätte man vier Gitarristen, die nur auf einer einzigen Saite spielen. Vier Slide-Gitarristen, denn der Roboter benutzt einen Gleitmechanismus zum Durchstimmen. Auf jeder Schiene sitzt ein kleines Rädchen mit vier Zupfplättchen, welche die Saite anschlagen. Im Prinzip ist das alles ganz einfach, aber in der Ausführung doch recht komplex."

Neben dem GuitarBot stehen drei Objekte, die aussehen wie große Tulpen aus Metall. Das sind die HydroBots. Klangschalen aus Messing, die unterschiedliche Mengen Wasser enthalten können, auf ein Gestänge montiert. Vom Steuercomputer aus lassen sie sich wie eine Glocke anschlagen.

"And the composer has control over the water swirling as well, because there is a motor at the base that allows the whole unit to kind of oscillate and vibrate.”"

Ein Motor am Fuß der Konstruktion kann das Wasser in Bewegung versetzen, sagt Eric. So dass die gesamte Vorrichtung schwingt und vibriert.
Gegründet hat Eric Singer die LEMUR-Gruppe vor neun Jahren. Gut 20 Künstlerinnen und Künstler gehören zum näheren Umfeld, andere arbeiten immer mal wieder mit ihnen zusammen. Eric selbst hat Informatik und Computerwissenschaften studiert. Und als begeisterter Hobby-Musiker bringt er natürlich die besten Voraussetzungen mit, die beiden Welten der Technik und der Töne miteinander zu verschmelzen. Bloß das Schrauben, Feilen und Bohren musste er im Lauf der Zeit erlernen, den Umgang mit der Mechanik.

""Jede Maschine, die wir entwerfen, entsteht zum einen aus unseren eigenen Ideen und Einfällen und zum anderen aus unseren Beobachtungen: Wie funktionieren andere Gegenstände? Der GuitarBot zum Beispiel ist in Anlehnung an Drucker- und Scanner-Mechanismen entstanden. Einige unserer Rhythmus-Roboter sind von Eisenbahnrädern inspiriert. Einflüsse aus vielen verschiednen Richtungen."

Weil die Roboter frei programmierbar sind, lassen sie sich auf vielfältige Weise nutzen. Sie lassen sich zum Beispiel in eine Tanz-Performance einbinden, können Video-Installationen klanglich ergänzen oder menschliche Musiker begleiten. Zu diesem Zweck will auch der isländische Klangkünstler Hallvardur Asgeirsson die Maschinen benutzen. Er studiert Komposition am Brooklyn College und hat sich einen Monat lang intensiv mit den Robotern beschäftigt.

"Mich interessiert es, wie die Musiker auf der Bühne mit den Robotern zusammen musizieren. So dass es zu einer Interaktion kommt zwischen den sehr präzisen Maschinen und den Menschen, die auch nachlässig sein können."