Kunstvolle Kataloge

Von Carsten Probst |
Der gebürtige Münsteraner Markus Dreßen ist zwar Grafikdesigner, doch durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Leipziger Künstlern sind seine Buchumschläge schon selbst zu Kunst geworden. Wenn er ein Künstlerbuch entwirft, stellt er sein Design ganz in den Dienst des Werkes. Vor zwei Jahren wurde Dreßen zum Professor für Buchgestaltung an die Kunsthochschule Leipzig berufen.
Gedränge in einer großen öffentlichen Kunstgalerie in Leipzig: Ausstellungseröffnung. Viele Gäste, auffallend junges Publikum. Aber auch Künstler, wie die bekannten Leipziger Maler Neo Rauch und Matthias Weischer sind gekommen. In den Ecken des Saals hängen einige Kunstwerke. In der Mitte liegen Bücher auf langen Tischen, Kunstkataloge, die Markus Dreßen gestaltet hat. Zum Beispiel ein Katalog für den russischen Künstler Ilya Kabakov. Für ihn hat Dreßen das abgeschabte Muster eines alten schönen Stoffes gewählt, denn Kabakovs Werk dreht sich oft um Lebensgeschichten. Der Umschlag für einen Katalog des Künstlers Olaf Nicolai ahmt wie ein Relief eine Dresdner Kaufhausfassade der siebziger Jahre nach, auf die sich das Werk Nicolais bezieht. Bücher als Kunstwerke: Einige wurden mit Preisen ausgezeichnet.

"Ich seh mich selber gar nicht so als Künstler, also ich bleib da eigentlich beim Grafik-Design, wobei ich mich nicht eigentlich in der Rolle des Werbung-Machens sehe, sondern das ist schon auch eine spezielle Arbeitsweise, und das ist durchaus gekommen durch die Zusammenarbeit mit Künstlern."

Äußerlich wirkt der 37-Jährige fast noch studentisch: jungenhaftes Gesicht, schüchterner Blick, strubbelig blonde Haare, ausgebeulte Jeans und Streifenpulli. Seine Sätze kommen nicht von der Stange, oft korrigiert er sich selbst, und seine Erscheinung verrät etwas von seinem Selbstverständnis: Vorgefertigte Lösungen gibt es für ihn nicht, alles muss immer neu durchdacht und erarbeitet werden, gerade wenn er mit Künstlern zusammenarbeitet. Das ist oft sehr eng, mitunter fast symbiotisch. Was sagt ein Werk aus? Worin besteht sein Inhalt, und wie kann das Buch in seiner Gestalt diesen Inhalt auf den ersten Blick andeuten, ohne dass man in das Buch hineingeschaut haben muss? Diese Fragen interessieren Dreßen viel mehr als schnelles Marketing.

"Natürlich kriegt man eigene Dinge aus der Erinnerung und bewusste Rückgriffe , aber es ist nicht so, dass ich das suche, sondern es entsteht schon auch stark aus der Beschäftigung mit dem jeweiligen Künstler. Ich seh mich da viel eher als einen Spiegel oder wie einen Schauspieler, ich bekomm eine Rolle, und jetzt fange ich an, in dieser Rolle zu agieren. Aber es ist nicht so, dass ich glaube, dass ein zurückhaltender Ansatz günstig ist. Das ist das, was spannend ist und was auch völlig unterschiedlich gelöst wird."
Dreßen stammt aus Münster und erinnert sich, dass er schon als Kind immer gern gezeichnet hat. Doch als seine "Initialzündung" bezeichnet er die große Ausstellung mit Werken von Andy Warhol in Köln, die er mit 16 Jahren gesehen hat. Auf ihn, der nicht aus einem künstlerischen Elternhaus stammt, machte das coole, gestalterische Element in Warhols Werk gewaltigen Eindruck - und inspirierte ihn zu mehr. Dreßen fing er an, Warhols berühmte Siebdrucke nachzuzeichnen. Noch heute sagt er:

"Wer ist der Künstler des 20. Jahrhunderts gewesen - Beuys oder Warhol? Und ich würd sagen: natürlich Wahrhol! Das ist einfach der richtige Move gewesen in dem Moment."

Aber vorerst gibt es kaum Möglichkeiten, seine künstlerischen Interessen weiter zu verfolgen. Er beginnt eine Ausbildung als Grafischer Assistent und danach, ganz solide, ein Studium für Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Münster. Dann jedoch hört er von einem Studiengang Grafik-Design an der Kunsthochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig , wo es einen Schwerpunkt für Buchgestaltung gibt.

1993. Leipzig nach der Wende, eine Stadt im Umbruch und schon deshalb faszinierend für den jungen Studenten aus dem Westfälischen. Zwischen den legendären kaputten Fassaden der Leipziger Altstadt formierte sich gerade die neue Künstlerszene, die einerseits offen für Kunst aus dem Westen war, dem Kunst-Markt aber auch kritisch gegenüberstand.

"Wo zum Beispiel Künstler angefangen haben zu sagen: Wir machen Grafik-Design, wir integrieren das in eine Ausstellung. Also man hat gemerkt, dort wird so eine klassische Rolle des Gestalters übernommen und in eine Kunstausstellung integriert. Das fand ich irgendwie interessant, dass man auch die Rollen wechseln kann."

Die Leipziger Künstler präsentierten ihre Kunst als "Serviceleistungen", eben passend zur neuen Dienstleistungsgesellschaft. Die Ironie dahinter war auch als Kritik gemeint am schnellen Auf und Ab des Kunstmarktes. Für Markus Dreßen war es jedoch die nächste Initialzündung, ein völlig neuer Zugang zu den Möglichkeiten von Design.

"Design ist auf jeden Fall mehr als die Oberfläche. Das ist, hab ich das Gefühl, sehr verbreitet in Deutschland, diese Denkweise, in Nachbarländern, auch England, hat Design 'ne ganz andere Tradition . Das hat natürlich ganz stark mit der Zuschreibung zu tun, dass Kunst natürlich sinnschaffend ist, dass es tiefschürfend ist, dass es existenziell ist und das kann natürlich Design nicht haben, weil es ja so alltäglich, so in Massen produziert, so vulgär ist, nicht?"

Dreßen arbeitet gegen die alten Vorurteile an. Er trifft damit das Lebensgefühl einer Generation junger Kreativer, wie sie im Leipzig der neunziger Jahren groß geworden ist. Vor zwei Jahren erhielt er einen Ruf als Professor für Grafik Design an "seine" Hochschule für Grafik und Buchkunst und unterrichtet nun Studenten aus der ganzen Republik. So werden seine Ideen schon bald über Leipzig hinaus Nachahmer finden.