"Kunststück"

Von Tomas Fitzel |
Das Haupthaus der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" liegt in einem Stadtbezirk die Unterrichtsräume für Puppenspieler und Tänzer in zwei anderen. Synergieeffekte können dabei unter den Studenten nur schwer entstehen. Seit sieben biblischen Jahren sucht man nach Abhilfe. Am Mittwoch wird der Senat dem Abgeordnetenhaus einen Bericht über den geplanten Zentralstandort vorlegen.
Prenzlauer Berg. Das Berliner Arbeiter- und Studententheater, kurz BAT genannt. Auf dieser Studiobühne können die Studenten der Schauspielschule Ernst Busch ihre ersten Praxis-Erfahrungen sammeln und hier wird auch die Regieklasse unterrichtet, die gerade eintrudelt.

Student 1: " … aus Niederschöneweide. "

Dort liegt das Hauptgebäude.

" Ja es hat den Spitznamen Oberschweineöde [lachen] "

Und dort werden die Schauspieler ausgebildet, sofern sie nicht im BAT auf der Bühne stehen – 100 Vorstellungen werden im Jahr gegeben. Die Puppenspieler sind in Lichtenberg und die Tänzer wiederum im Prenzlauer Berg. Da auch angehende Regisseure nicht ganz ohne Schauspieler auskommen, pendeln diese zwischen den Standorten.
Student 1: " Mit Falafelessen 75 Minuten. "

Mit der Forderung, schneller zu studieren, lässt sich dies kaum vereinbaren und noch weniger mit der viel beschworenen Interdisziplinarität.

Student 2: " Es ist furchtbar, man hat viel zu wenig Gelegenheit, sich informell zu begegnen, auf dem Flur und ich meine es geht ja darum, dass Theater entsteht, und wir sind immer auch angehalten selber Projekte zu machen, aber es wäre viel einfacher, wenn man sich mehr sehen würde. "

So ist der Stand heute. Seit sieben biblischen Jahren sucht man nach Abhilfe.

Rektor Wolfgang Engler: " Und erreicht haben wir, ich will nicht sagen nichts, aber verglichen mit dem, was wir vorhatten, so gut wie nix. "

Die Senatsverwaltung verspricht jetzt endlich die Lösung.

Hans-Gerhard Husung, Staatssekretär für Forschung und Wissenschaft: " Wir haben einbezogen die eigentumsrechtlichen Gegebenheiten, die in diesem Verfahren, besonders wichtig sind. Dabei sind zwei geeignete Grundstücke am Ende übriggeblieben. Das eine befindet sich in Adlershof und das andere befindet sich in der Chausseestraße. Beide Grundstücke sind von den formalen Kriterien sehr geeignet. "

Adlershof, das ehemalige Studio 5 des DDR-Fernsehens, ein Gebäude aus den 50er Jahren im Bauhausstil. Heute werden nebenan Volksmusikshows und Sendungen mit Anne Will und Jörg Pilawa produziert, also ein nahe liegender Gedanke – oder nicht?

Studenten Ernst Busch: " Wo liegt Adlershof? Ist das weit weg? [Lachen] in Brandenburg wahrscheinlich. "

Rektor Wolfgang Engler über diese Aussicht: " Wenn Adlershof, wo Gott vor sein möge, der Standort wäre, dann müssten wir ständig Tagesreisen durch die Stadt machen. Es wäre ein wirkliches Unglück, es wäre eine Entscheidung gegen die Schule. "

Denn wie sollen die freien Schauspieler als Lehrer einerseits ihre eigenen Proben an den Theatern in der Innenstadt absolvieren und andererseits dort draußen nebenher noch unterrichten?

Wolfgang Engler: " Das würde unseren Lehrbetrieb geradezu unterminieren. "

Und was wird mit der Studiobühne, dem BAT?

Staatssekretär Hans-Gerhard Husung: " Wir haben gegenwärtig eine Vorlage durch den Senat gebracht und dem Hauptausschuss vorgelegt für seine nächste Sitzung. Dort ist nicht vorgesehen, dass wir das BAT umziehen und in das neue Gebäude integrieren. "

Wolfgang Engler: " Da habe ich aus sehr unterschiedlichen Gründen sehr heftige Probleme mit. "

Die Senatsverwaltung spricht dagegen von den Synergieeffekten auf dem Campus Adlershof, aber diese können sich höchstens auf den gemeinsamen Kaffeeautomaten beziehen. Wahrscheinlich glaubt die Senatsverwaltung selbst nicht an ihren Unsinn, will aber aus formalen Gründen eine Alternative zur Chausseestraße präsentieren. Noch sind dort die Opernwerkstätten untergebracht – bis zum Sommer 2010, so die Planung. Wolfgang Engler könnte mit diesem Standort leben:

" Klar Kunststück sozusagen! "

Viel Auswahl hat er ja nicht. Ist dann alles in Butter mit dem Standort in der Chausseestraße? Der Vorteil beider Grundstücke sei, dass sie landeseigen sind, hieß es. Das trifft jedoch für die Chausseestraße nur bedingt zu. Denn mit der Gründung der Opernstiftung wurden ihr auch die Immobilien als Eigentum übertragen. Sie könnte das Grundstück ebenso auf dem freien Markt veräußern wollen und deren Generaldirektor Stefan Rosinski sagt, er will 14 Millionen Euro dafür. Seine berechtigten Ansprüche müssen daher irgendwie befriedigt werden, wobei aus unerfindlichen Gründen – wir sind eben in Berlin! – das Grundstück in der Chausseestraße bisher der Stiftung noch nicht übertragen wurde.

Staatssekretär Hans-Gerhard Husung: " Formal ist das Gelände der Opernstiftung noch im Liegenschaftsfonds. "

Wolfgang Engler: " Wunderbar, das ist eines der vielen Rätsel, die mir tagtäglich begegnen. "
Das ist alles sehr kompliziert und nur schwer zu verstehen, heißt aber praktisch, dass wahrscheinlich am Ende der Steuerzahler doch mehr als die im Etat veranschlagten knapp 30 Millionen Euro bezahlt haben wird. Inzwischen kommen ja auch noch Schadenersatzforderungen hinzu. Der Senat hatte den Hochschulbau europaweit als Vergabeverfahren ausgeschrieben, um es im letzten Frühjahr ohne Ergebnis abzubrechen. Die Gründe für den Abbruch habe der Senat selbst herbeigeführt, urteilte die Vergabekammer.

Wolfgang Engler: " Mir ist es bis heute ein absolutes Rätsel, warum die Stadt nicht zugeschlagen hat und dieses Investormodell realisiert hat, die Schule stünde schon. "

Und nicht nur Wolfgang Engler ist dies ein Rätsel. Neben den Garbáty-Höfen in Pankow hatte das Architektenbüro Meinhard von Gerkan einen Neubau gegenüber dem Radialsystem vorgeschlagen. Dies wäre eine wunderbare Lösung gewesen. Der Preis lag aber über dem vom Senat bewilligten Etat. Alle Anbieter lagen darüber, weil die bewilligte Summe schlicht nicht realistisch ist. Der Senat beharrt aber weiterhin darauf, dass zwei plus zwei fünf ergeben muss, um am Ende eines so unnötig langen wie unsinnigen Verfahrens für eine unbefriedigende Kompromisslösung dann doch mehr auszugeben als für das beste Ergebnis, das er schon längst haben könnte.