Kunstmesse

Wo der Kunsthandel zum Sport wird

Neon-Schriften weisen den Weg zur Art Basel in Miami.
Neon-Schriften weisen den Weg zur Art Basel in Miami. © dpa / pa / XAMAX
Von Jürgen Kalwa · 04.12.2013
In Miami findet die Art Basel statt. Und die Kunstmesse ist so erfolgreich, dass es rundherum eine ganze Woche lang Nebenmessen, Veranstaltungen und Aktionen gibt.
Der amerikanische Maler Chuck Close hat vor einer Weile mal sehr pointiert beschrieben, wie eine Kunstmesse aus dem Blickwinkel eines Künstlers wirkt: "Als nähme man eine Kuh und gebe ihr eine Führung durchs Schlachthaus."
Manchem Künstler allerdings scheint das nicht viel auszumachen. Wie Tracey Emin, die vor 18 Jahren mit ihrem Zelt für Aufsehen sorgte, das im Titel "Jeder, mit dem ich jemals zwischen 1963 und 1995 geschlafen habe" schon eine gewisse Schamlosigkeit andeutete. Die Engländerin kann sich gar nichts Besseres vorstellen, als in einem amerikanischen Museum in dem Trubel einer gleichzeitig stattfindenden Kunstmesse gleichsam eingebettet zu sein.
"Ich will, dass die Kunstwelt meine Show sieht. Das Timing ist wichtig. Das ist bewusst geplant. Deshalb hat es auch so lange gedauert, um einen Platz während Art Basel zu bekommen."
Zwar muss man ein paar Kilometer fahren, um die Ausstellung "Angel Without you" mit ihren 60 Neon-Schriften an der Peripherie der Stadt in einem der einflussreichen amerikanischen Museen für zeitgenössische Kunst zu sehen. Aber schon die Einstimmung mit einer Party unter freiem Himmel signalisierte, dass dies niemanden wirklich bremst. Das Publikum drängte sich um die begrenzte Zahl an Einladungen.
Ein Wust von Schauplätzen
Es fällt Künstlern allerdings tatsächlich immer schwerer, in dem Wust aus Schauplätzen und Veranstaltungen aufzufallen. Da gibt es zwanzig Nebenmessen mit Namen wie NADA, Pulse, Context oder Ink, die alle um Aufmerksamkeit buhlen. Manche öffneten denn auch bereits am Montag. So wie die Ausstellung im großen Zelt am Strand, in dem unter dem Sammelbegriff "Untitled" kleinere amerikanische Galeristen ausstellen. Mittendrin am Premiereabend: die New Yorker Performance-Künstlerin Marina Abramovic, als unumstrittener Star des Abends.
"Das wächst von Jahr zu Jahr. Mit mehr Veranstaltungen und Parties. Das ist gut. Alles, was Kunst und Kultur betrifft, ist gut. Natürlich gibt es hier schlechte Sachen und nicht so gute. Aber man kann dazwischen auch Qualität entdecken. Und das ist wichtig. Dass man seine eigene Auswahl trifft."
Marina Abramovic reiste allerdings gleich wieder ab und verzichtete auf den Rummel, der am Mittwoch einsetzte, als ab elf Uhr morgens Besucher mit VIP-Status die Gelegenheit hatten, als erste exklusiv durch die Ausstellungsräume zu spazieren. Es ist der Moment, in dem das Geschäft mit Kunst zu einer Art Sport wird. Armando Andrade, ein Kunstsammmler aus Peru:
"Ja, es ist ein Rennen. Manchmal gewinnst du, manchmal nicht. Ich liebe die Jagd."
Kunstkäufer wie er setzen Prioritäten. Die hatten keine Zeit, etwa zu den Eröffnungsfeierlichkeiten des neuen Perez Art Museums zu gehen. Die Einweihung der Einrichtung – ebenfalls am Mittwochmorgen – erreichte trotzdem ihr Ziel. Sie produzierte schon in den Vorwochen hinreichend amerikaweit das erhoffte Presseecho.
Abhängig vom Finanzmarkt
Nicht nur weil der Neubau vom berühmten Schweizer Architekturbüro Herzog de Meuron entworfen wurde. Eine an die subtropische Palmenlandschaft angepasste Konstruktion mit vielen Säulen und einem in viele Richtungen überkragenden Dach. Sondern weil sich mit dem Namensgeber eine interessante Geschichte verbindet. Er heißt Jorge Perez, ist Immoblienunternehmer und hat in dem nach der massiven Finanzkrise wieder boomenden Florida genug verdient, um dem Museum 40 Millionen Dollar in bar und Kunst aus seiner Sammlung zu spendieren.
Dass sich in der einen Woche zu viel abspielt und womöglich die Neugier auf das Kernereignis abzieht, glaubt Art-Basel-Direktor Marc Spiegler übrigens nicht:
"Zu groß ist eine Messe dann, wenn man als Besucher mehr als zwei Tage braucht. In der Eröffnung des Museums sehe ich eine Synenergie. Viele Leute kommen vielleicht nur, weil sie sich für das Gebäude von Herzog de Meuron interessieren. Wenn so viel stattfindet, neutralisiert sich auch vieles gegenseitig. Man kann ja gar nicht alles sehen. Die meisten wollen nur zwei oder drei Shows besuchen."
Und das sind, so sagt Spiegler, auf jeden Fall die Hauptveranstaltung und das Angebot der Messe Design Miami gleich gegenüber – auf einem Parkplatz im Zelt. Auch die wird von Art Basel betrieben und passt komplementär zur Interessenslage des Publikums von Miami, das sich für moderne Kunst auf eine ähnliche Weise interessiert wie für teure Einrichtungsgegenstände. Abhängig vom Finanzmarkt allerdings. Marianne Göbel, die Direktorin von Design Miami:
"Ich möchte ganz ehrlich zugeben, dass die Design-Messe 2008 und 2009 von der Krise stark betroffen war. Das haben wir deutlich gespürt. Seit 2010 haben wir ein kontinuierliches, gesundes Wachstum erlebt."
Mehr zum Thema