Kunsthalle Bielefeld

Energische Suche nach neuen Wegen

Die Bilder "Bewegte Kreise" und "Komposition mit Rechtecken und Kreisen auf schwarzem Grund" (Öl auf Leinwand, 1931/1933) - in der Kunsthalle in Bielefeld anlässlich der Ausstellung "Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen" zu sehen.
Die Bilder "Bewegte Kreise" und "Komposition mit Rechtecken und Kreisen auf schwarzem Grund" (Öl auf Leinwand, 1931/1933) von Sophie Taeuber-Arp © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Von Volkhard App |
Der Künstler Hans Arp nannte seine Frau Sophie Taeuber-Arp eine "Träumerin" - und verkannte ihr Kunsthandwerk. Die Kunsthalle Bielefeld zeigt ihr breites Werk - inklusive ihres Hans-Arp-Porträts, das auch eine Schweizer Banknote ziert.
Ein bunter Kaffeewärmer aus Wolle gleich zum Auftakt - und in anderen Vitrinen ein stattliches Pudergefäß aus Holz und eine Tischlampe. Auch indianisch inspirierte Kostüme aus den frühen zwanziger Jahren belegen die produktive Vielfalt von Sophie Taeuber-Arp. Wer eine starre Grenze zwischen angewandter und freier Kunst zieht, wird ihrem Werk nicht gerecht. Wobei die frühen Textilarbeiten mit ihren Rechtecken und Quadraten samt der dazugehörigen Entwürfe als Wiege einer abstrakten, wenn nicht ungegenständlichen Formensprache gelten. Thomas Schmutz, der Schweizer Kurator:
"Sophie Taeuber-Arp ist in Davos geboren und dann, nach dem Tod des Vaters, mit der Mutter nach Trogen in den Kanton Appenzell gezogen, wo Weberei und Stickerei eine lange, große Tradition bilden. Dort kam sie damit in Berührung, ging an die Kunstgewerbeschule in Zürich und erkannte, welches Potential der Abstraktion in dieser Technik liegen könnte, und hat dann früh, zwischen 1915 und 1918, diese aus unserer Sicht radikalen Webarbeiten geschaffen."
Hier und da sind auf den Stickereien stark stilisierte Figuren zu erkennen, und florale Ornamente:
"Es gibt Anklänge an Gegenständliches, das sieht man immer wieder: Köpfe und Tierkörper sowie Beine und Arme, die eindeutig an Figuren erinnern. Wichtig scheint mir, dass man immer wieder sagt, Sophie Taeuber-Arp hätte als Lehrerin an der Kunstgewerbeschule in Zürich den jungen Frauen die Blumenkränze ausgetrieben. Trotzdem taucht bei ihr ein solches Motiv immer mal in abstrahierter Form auf."
Bis 1929 unterrichtete Taeuber-Arp an dieser Kunstgewerbeschule - und schuf viele eigene Werke. Ihre Lust am Spiel mit der Geometrie eroberte später sogar die dritte Dimension, wie ihre raffinierten Holz-Reliefs mit hervorspringenden Zylindern und Kegeln anschaulich machen.
Marionetten erstmals in Deutschland zu sehen
Und immer wieder der Versuch, Bilder dynamisch aufzuladen. "Leidenschaft der Linien" heißt programmatisch eines ihrer Blätter. Und die gegeneinander versetzten, teils farbigen Kreissegmente gehören zu ihren schönsten Arbeiten überhaupt, entstanden 1942, im Jahr vor ihrem Unfalltod.
"Heute ist morgen", der Ausstellungstitel drückt ihre energische Suche nach neuen Wegen aus. Eine Protagonistin der Moderne. Unbestrittener Höhepunkt sind die von ihr 1918 kreierten Marionetten für eine Inszenierung des Stücks "König Hirsch", mal spindeldürre, mal in die Breite gehende Holzfiguren aus geometrischen Grundformen:
"Sie sind aus meiner Sicht ein absoluter Angelpunkt, weil dort sehr viel zusammenkommt: das räumliche Denken, das zentral ist nicht nur in der Architektur der Künstlerin, sondern auch in den Reliefs und vielen anderen Arbeiten. Der Stoff spielt eine Rolle, die Farbthematik, die Kuben und Rhomben - also alles kommt dort wie in einem Nukleus zusammen."
Diese von der Commedia dell’arte beeinflussten Marionetten werden zum ersten Mal in Deutschland gezeigt.
In jedem Kabinett der Kunsthalle ein neuer Aspekt: auch innenarchitektonische Entwürfe geben Einblick in den Kosmos von Sophie Taeuber-Arp: abstrakte Muster für die Wände des Cafés "Aubette" in Straßburg.
Ihr beeindruckender Aktionsradius korrespondiert mit dem von Sonia Delaunay, der sich diese Kunsthalle schon 2008 gewidmet hatte und die, vergleichbar mit Taeuber-Arp, lange im Schatten ihres Ehemannes stand.
Breites Spektrum an Arbeiten zu sehen
Hans Arp bezeichnete seine Frau als "Träumerin" und grenzte nach deren Tod, bei einem ersten Oeuvre-Verzeichnis, die angewandte Kunst aus. Friedrich Meschede, Direktor der Bielefelder Kunsthalle, zu den Folgen für das Ansehen von Sophie Taeuber-Arp:
"Er hat es nicht vorsätzlich verdunkelt. Aus seinem Selbstverständnis als Mensch und Mann, der sich der Hochkunst hingibt, hat er das einfach nicht gesehen. Das ist vielleicht eine gewisse Stallblindheit gewesen. Robert Delaunay und Hans Arp stehen dafür, ihre künstlerisch sehr selbstständigen Lebenspartner, ich sag’ mal, übersehen zu haben. Doch ich würde nicht 'vorsätzlich' sagen. Vielleicht geschah es damals aus dem Selbstverständnis als männlicher Künstler."
In Bielefeld jedenfalls kann man diese Künstlerin mit der Breite ihres Werks kennenlernen, obwohl ihre tänzerischen Anfänge auf dem Höhepunkt von Dada weitgehend ausgeblendet werden.
Und kaum berücksichtigt werden auch die von Taeuber-Arp entworfenen Möbel. Aus Platzgründen? Und doch beeindrucken die Zahl und das Spektrum der präsentierten Arbeiten von Taeuber-Arp .
Beim Rundgang zieht der Kunsthallen-Chef gern eine Schweizer Banknote aus seiner Brieftasche: auf dem 50-Franken-Schein prangt vorn das Konterfei von Sophie Taeuber-Arp. Und auf der Rückseite ist eine kleine, bemalte Holzskulptur von 1918 abgebildet, mit der Hans Arp porträtiert werden sollte - eine Eierform mit Augen auf einem Stiel. Auch dieses dadaeske Objekt, das ursprünglich als Hutständer gedacht war, findet sich in der Bielefelder Kunsthalle: in dieser informativen, schön gestalteten Ausstellung.
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